Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Nichtzulassungsbeschwerde. Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache. Klärungsfähigkeit
Orientierungssatz
1. Um der Darlegungspflicht des § 160a Abs 2 S 3 SGG zu genügen, muss eine konkrete Rechtsfrage formuliert, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihr angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) dargelegt werden (vgl nur BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B = SozR 3-1500 § 160a Nr 34).
2. Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage nur dann, wenn sie für den zu entscheidenden Fall rechtserheblich ist (vgl BSG vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 = SozR 1500 § 160a Nr 31). Über die aufgeworfene Rechtsfrage müsste das Revisionsgericht also - in Ergänzung zur abstrakten Klärungsfähigkeit - konkret-individuell sachlich entscheiden müssen (vgl BSG vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 aaO). Dies erfordert es, dass der Beschwerdeführer den nach seiner Auffassung vom Revisionsgericht einzuschlagenden Weg der Nachprüfung des angefochtenen Urteils und damit insbesondere den Schritt darlegt, der die Entscheidung der als grundsätzlich bezeichneten Rechtsfrage notwendig macht (vgl BSG vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 aaO).
Normenkette
SGG § 160a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 3, § 160 Abs. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 10. Mai 2017 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I. Im Streit ist die Gewährung eines zinslosen Darlehens zur Finanzierung eines Führerscheins der Klasse B.
Der Kläger ist behindert (Grad der Behinderung von 90; Merkzeichen "B" und "G"). Seit 1.9.2008 ist er in der Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) beschäftigt, seit März 2011 in Form eines "betriebsintegrierten Beschäftigungsverhältnisses" als Landwirtschaftshelfer in einem landwirtschaftlichen Betrieb der Werkstatt. Er hat keine Fahrerlaubnis und wird vom Fahrdienst der Werkstatt an den Arbeitsplatz gefahren und wieder abgeholt. Seinen Antrag auf Gewährung eines zinslosen Darlehens zum Erwerb eines Führerscheins der Klasse B begründete der Kläger damit, dass er mit einem eigenen Kraftfahrzeug (Kfz) flexible Arbeitszeiten einhalten und besser im landwirtschaftlichen Betrieb eingesetzt werden könne. Der Antrag wurde abgelehnt; die dagegen gerichtete Klage blieb in beiden Instanzen ohne Erfolg (Urteil des SG Kassel vom 25.2.2016; Urteil des Hessischen LSG vom 10.5.2017). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, zur Erfüllung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten sei ein Führerschein der Klasse B nicht erforderlich. Den Weg zur Arbeit könne er durch den Fahrdienst, durch die Benutzung des Linienbusses oder durch die Nutzung eines Mofas zurücklegen. Soweit er im gerichtlichen Verfahren (erstmals) geltend mache, die Erlangung der Fahrerlaubnis sei für den beruflichen Aufstieg (Aufnahme einer Tätigkeit auf dem sog ersten Arbeitsmarkt) erforderlich, handele es sich um einen anderen Streitgegenstand, für den die Klage mangels vorausgegangener Verwaltungsentscheidung unzulässig wäre. Zudem wäre hierfür nicht der Beklagte, sondern die Bundesagentur für Arbeit oder der Rentenversicherungsträger zuständig.
Mit seiner Beschwerde macht der Kläger eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Es stelle sich die Rechtsfrage, ob es die §§ 53 ff SGB XII iVm §§ 26, 33, 41 und 55 SGB IX und die Kraftfahrzeughilfe-Verordnung geböten, einem Schwerbehinderten Mobilitätshilfen auch dann zu gewähren, wenn er bereits einen (geförderten) Arbeitsplatz inne habe, sich jedoch beruflich weiterentwickeln möchte, in dem er eine Tätigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt anstrebe und hierzu einer entsprechenden Hilfe bedürfe.
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise dargelegt worden ist. Der Senat konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter nach § 160a Abs 4 Satz 1 Halbs 2 iVm § 169 Satz 3 SGG entscheiden.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Um der Darlegungspflicht zu genügen, muss eine konkrete Rechtsfrage formuliert, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihr angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) dargelegt werden (vgl nur BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Dabei kann dahin stehen, ob der Kläger überhaupt eine abstrakte Rechtsfrage formuliert hat, deren Entscheidung durch den Senat angestrebt wird.
Jedenfalls fehlt es an der ausreichenden Darlegung ihrer Klärungsfähigkeit. Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage nur dann, wenn sie für den zu entscheidenden Fall rechtserheblich ist (BSG 1500 § 160a Nr 31). Über die aufgeworfene Rechtsfrage müsste das Revisionsgericht also - in Ergänzung zur abstrakten Klärungsfähigkeit - konkret-individuell sachlich entscheiden müssen (BSG SozR 1500 § 160 Nr 39 und § 160a Nr 31). Dies erfordert es, dass der Beschwerdeführer den nach seiner Auffassung vom Revisionsgericht einzuschlagenden Weg der Nachprüfung des angefochtenen Urteils und damit insbesondere den Schritt darlegt, der die Entscheidung der als grundsätzlich bezeichneten Rechtsfrage notwendig macht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Diesen Voraussetzungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Der Kläger setzt sich in seiner Begründung auch nicht ansatzweise mit den Voraussetzungen eines Anspruchs auf Eingliederungshilfe, weder im Hinblick auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, noch zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, auseinander. Schon die von ihm formulierte Rechtsfrage, die lediglich auf "Mobilitätshilfen" abstellt, lässt eine Auseinandersetzung mit den für einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine Fahrerlaubnis zu erfüllenden Voraussetzungen der maßgeblichen Normen vermissen. Insbesondere behauptet er nur, dass er einer "Mobilitätshilfe" bedarf, ohne jedoch darzulegen, woraus sich die Erforderlichkeit tatsächlich ergibt. Dies wäre auch angesichts der Ausführungen im Urteil des LSG erforderlich gewesen, wonach er seinen Arbeitsplatz mit dem Fahrdienst, dem Linienverkehr oder auch mit einem Mofa erreichen könne, also eines Führerscheins gar nicht bedarf. Allein der Umstand, dass er § 53 Abs 1 SGB XII inhaltlich wiedergibt, ersetzt die Subsumtion unter die Norm nicht. Entsprechendes gilt, wenn er ausführt, die Gerichte würden die Bedeutung der Fördervorschriften verkennen, die im Lichte der UN-Behindertenrechtskonvention auszulegen und unter dem Stichwort Inklusion zusammen zu fassen seien. Insoweit begrenzt sich sein Vortrag auf Kritik an der inhaltlichen Richtigkeit der Entscheidung des LSG, die jedoch nicht zur Zulässigkeit der Revision führen kann. Gleiches gilt, wenn er vorbringt, gesellschaftliche Teilhabe heiße auch, sich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt integrieren zu können. Dies hätte jedenfalls Vortrag verlangt, weshalb er wegen Art und Schwere seiner Behinderung auf die Benutzung eines Kfz angewiesen ist (vgl § 8 Abs 1 Eingliederungshilfe-Verordnung). Auch hieran fehlt es.
Soweit er weiter vorbringt, er benötige einen Führerschein für einen Wechsel in ein Arbeitsverhältnis auf dem ersten Arbeitsmarkt, hätte es weiteren Vortrags bedurft, weshalb ohne ein Führerschein eine Tätigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht aufgenommen werden kann, also auch hierfür erforderlich ist. Dass ein Führerschein wünschenswert ist, weil er das Erreichen eines Arbeitsplatzes erleichtert oder ggf ein zusätzliches Qualifikationsmerkmal darstellt, macht ihn noch nicht zur Teilhabe am Arbeitsleben erforderlich. Angesichts der Ausführungen des LSG zur Problematik des Streitgegenstands und der (fehlenden) Zuständigkeit des Beklagten hätte er zudem darlegen müssen, weshalb der Senat nach seiner Auffassung (dennoch) zur Beantwortung der aufgeworfenen Frage in der Sache gelangen soll. Auch hieran fehlt es.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI11261051 |