Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufsunfähigkeit. Maßnahme zur Erlangung eines Arbeitsplatzes

 

Orientierungssatz

Es kommt nicht darauf an, ob eine Maßnahme zur Erlangung eines Arbeitsplatzes lediglich der Förderung der Arbeitsaufnahme dient oder von der Arbeitsverwaltung als Eingliederungshilfe bezeichnet wird. Entscheidend ist vielmehr das Erfordernis einer planmäßigen Ausbildung von mindestens drei Monaten (vgl BSG vom 19.1.1978 - 4 RJ 103/76 = SozR 2200 § 1246 Nr 25).

 

Normenkette

RVO § 1246 Abs 2 S 3

 

Verfahrensgang

Hessisches LSG (Entscheidung vom 07.04.1987; Aktenzeichen L 12 J 1197/83)

 

Gründe

Der Kläger hat den Beruf des Bäckers erlernt und bis 1981 ausgeübt. Vom 24. September 1980 bis 26. Oktober 1981 war er arbeitsunfähig, ab 2. November 1981 arbeitslos. Im Wege von Eingliederungsbemühungen konnte ihm ab 1. April 1982 ein Arbeitsplatz in der Poststelle der Firma Ernst L GmbH vermittelt werden. Hierzu war eine sechsmonatige Einarbeitung erforderlich.

Den im April 1981 gestellten Rentenantrag lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 14. Oktober 1981 ab. Das Sozialgericht Gießen (SG) verurteilte die Beklagte zur Gewährung von Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit ab 1. Mai 1981 (Urteil vom 13. September 1983). Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 7. April 1987 zurückgewiesen mit der Begründung, bis zur Aufnahme der Tätigkeit des Klägers bei der Firma L am 1. April 1982 sei nicht ersichtlich, welche zumutbare Verweisungstätigkeit in Betracht komme. Die Tätigkeit des Klägers bei der Firma L sei nicht zumutbar, weil es sich bei der Eingliederungshilfe um eine Leistung zur Förderung der Arbeitsaufnahme gehandelt habe, die nicht den Anforderungen einer zumutbaren Tätigkeit iS des § 1246 Abs 2 Satz 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO) entspreche.

Mit ihrer Beschwerde rügt die Beklagte eine Abweichung vom Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19. Januar 1978 (4 RJ 103/76 = SozR 2200 § 1246 Nr 25). Hiernach könne ein Facharbeiter auf eine berufsfremde Tätigkeit jedenfalls dann verwiesen werden, wenn die Ausbildung nach einem bestimmten Plan erfolgt sei und mindestens drei Monate gedauert habe. Diese Voraussetzungen seien hier erfüllt. Demgegenüber habe das LSG darauf abgestellt, wie eine Maßnahme von der Bundesanstalt für Arbeit bezeichnet worden sei. Das LSG sei von einer Eingliederungshilfe ausgegangen, die lediglich eine Leistung zur Förderung der Arbeitsaufnahme sei.

Hinsichtlich des Rentenanspruchs ab 1. April 1982 (Aufnahme der Tätigkeit bei der Firma L) ist die Beschwerde begründet. Insoweit ist das LSG von der Rechtsprechung des BSG abgewichen (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG).

Nach dem von der Beklagten genannten Urteil des BSG kommt es nicht darauf an, ob eine Maßnahme zur Erlangung eines Arbeitsplatzes lediglich der Förderung der Arbeitsaufnahme dient oder von der Arbeitsverwaltung als Eingliederungshilfe bezeichnet wird. Entscheidend ist vielmehr das Erfordernis einer planmäßigen Ausbildung von mindestens drei Monaten. Hierzu hat das LSG festgestellt (S 9 des Urteils), daß der Kläger an Hand eines Stoffplanes sechs Monate lang qualifiziert eingearbeitet worden sei. Diese Tatsache begründet nach der Rechtsprechung die Zumutbarkeit dieser Tätigkeit. Weitere Tatsachen, die einer Zumutbarkeit entgegenstehen können, hat das LSG nicht festgestellt. Aus diesem Grund war die Revision zuzulassen.

Hinsichtlich des Rentenanspruchs des Klägers für die Zeit vor April 1982 ist die Beschwerde, die sich ohne zeitliche Begrenzung gegen das LSG-Urteil richtet und davon ausgeht, die Klage hätte abgewiesen werden müssen, unzulässig. Denn die Beklagte trägt nichts vor, was gegen die Zuerkennung der Rente für diese Zeit sprechen könnte. Es fehlt also insoweit an einer "Darlegung" iS des § 160a Abs 2 SGG. Demgemäß war die Beschwerde insoweit zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1665289

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