Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 8. Mai 1991 wird verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Der Kläger wurde mit Urteil des Landgerichts Berlin vom 14. Mai 1986 ua wegen Mißbrauchs einer Berufsbezeichnung und Vergehens nach §§ 1, 5 des Heilpraktikergesetzes (HeilprG), wegen Beihilfe zum tateinheitlich begangenen Betrug und Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 9 Monaten verurteilt. Durch Beschluß des Landgerichts Berlin vom 23. März 1988 wurde die Vollstreckung der Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt. Der Zulassungsausschuß entzog am 6. Juni 1988 die Kassenzulassung des Klägers. Den Widerspruch wies der Beklagte zurück. Mit seiner Klage und der Berufung hat der Kläger keinen Erfolg gehabt.
Die Nichtzulassungsbeschwerde, mit der der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache wegen mehrerer Rechtsfragen rügt, ist zu verwerfen, weil dieser Zulassungsgrund nicht ausreichend dargelegt ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫).
Wer die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache begehrt, muß in der Beschwerdebegründung schlüssig darlegen, daß sich die zu treffende Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) über den Einzelfall hinaus auswirken wird (Grundsätzlichkeit der Rechtssache), daß die umstrittene Rechtsfrage durch die Revisionsentscheidung in dieser Rechtssache geklärt werden kann (Klärungsfähigkeit der Rechtsfrage) und daß die aufgeworfene Rechtsfrage der Klärung bedarf (Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage). Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage nur dann, wenn sie im konkreten Fall entscheidungserheblich und damit bei Zulassung der Revision vom Revisionsgericht zu entscheiden ist. Deshalb muß die zu klärende Rechtsfrage nicht nur klar bezeichnet, sondern auch der Weg der Nachprüfung, insbesondere der Schritt dargetan werden, der die Entscheidung dieser als grundsätzlich bezeichneten Rechtsfrage durch das BSG notwendig macht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). An der Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage fehlt es ua, wenn sie bereits durch eine gefestigte Rechtsprechung klar entschieden ist, es sei denn, dieser Rechtsprechung würde in nicht geringfügigem Umfang mit nicht von vornherein abwegigen Einwendungen widersprochen (BSG SozR 1500 § 160a Nr 13). Bei allen in der Beschwerdebegründung aufgeworfenen Fragen ist mindestens eine dieser Voraussetzungen nicht erfüllt.
Für grundsätzlich bedeutsam hält es der Kläger, ob bei der Anwendung des § 21 der Zulassungsverordnung für Kassenärzte (ZO-Ä) zwischen geistigen und sonstigen Mängeln differenziert werden muß und unter welchen Voraussetzungen das Tatbestandsmerkmal „sonstige in der Person liegende schwerwiegende Mängel” erfüllt ist. Das Landessozialgericht (LSG) habe sich hinsichtlich der Art des ihm (Kläger) zur Last gelegten Mangels nicht festgelegt, weil es gemeint habe, daß es hierauf für die Entscheidung nicht ankomme. Diese Auffassung sei mit Wortlaut und Zweck der genannten Vorschrift nicht vereinbar, denn die Eignung eines Arztes für die (weitere) Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung lasse sich nur auf der Grundlage eines konkret bezeichneten Mangels beurteilen.
Mit diesen Ausführungen ist die Erheblichkeit der genannten Rechtsfragen nicht dargetan. Das LSG hat die von ihm angenommenen schwerwiegenden persönlichen Mängel des Klägers in Anlehnung an das gegen diesen ergangene strafgerichtliche Urteil dahin gekennzeichnet, daß sein Verhalten „eine schwerwiegende kriminelle Rücksichtslosigkeit und bedenkenlosen Eigennutz” offenbare, und gefolgert, daß es sich dabei um Eigenschaften handele, „die der Eignung als Kassenarzt offensichtlich diametral entgegenstehen” (Seite 20 des Urteils). Es hat damit unmißverständlich klargestellt, worin es den die Nichteignung begründenden Mangel gesehen hat. Bei dieser Sachlage hätte dargelegt werden müssen, wie der Mangel vom LSG genauer hätte bezeichnet werden und welche Folgerungen sich daraus für die Eignungsbeurteilung hätten ergeben sollen.
Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang geltend macht, das Gericht hätte den in Betracht kommenden Mangel schon während des Verfahrens benennen müssen, um ihm Gelegenheit zur Äußerung zu geben, rügt er sinngemäß eine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Indessen läßt sich seinem Vorbringen nicht entnehmen, inwiefern das angefochtene Urteil auf dem behaupteten Verfahrensfehler beruhen kann. Abgesehen davon, daß die für die Eignungsbeurteilung wesentlichen Tatsachen bereits Gegenstand des Verwaltungsverfahrens und des erstinstanzlichen Gerichtsverfahrens und den Beteiligten damit bekannt gewesen sind, hat der Kläger nicht, wie erforderlich, dargelegt, was er gegen den vom LSG angenommenen Mangel vorgetragen hätte, wenn er ihm rechtzeitig mitgeteilt worden wäre.
In der Beschwerdebegründung wird weiter vorgebracht, das LSG habe ohne eigene Beweiserhebung und Prüfung den Inhalt der vom Landgericht (im Strafurteil) getroffenen Feststellungen und Würdigungen übernommen. Eine solche Vorgehensweise sei nur zulässig, wenn sich das Gericht nicht nur die den Arzt belastenden, sondern auch die ihm günstigen Umstände, hier insbesondere die positive Prognose der Strafvollstreckungskammer, zu eigen mache. Diesen Ausführungen läßt sich nicht entnehmen, welche Rechtsfrage der Kläger für klärungsbedürftig hält. Falls er geltend machen wollte, das LSG habe seine Überzeugung vom Vorliegen schwerwiegender persönlicher Mängel nicht aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnen, so würde die darin liegende Rüge einer Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG keinen Grund für die Zulassung der Revision darstellen (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Das Vorbringen, es bestehe kein sachlicher Grund, die Prognose der Strafvollstreckungskammer nicht zu übernehmen, betrifft lediglich die Beweiswürdigung, also eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG, die nicht zum Gegenstand einer Nichtzulassungsbeschwerde gemacht werden kann. Verstöße gegen § 128 Abs 1 Satz 1 SGG können auch nicht als Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung geltend gemacht werden, um auf diese Weise eine Nachprüfung des Berufungsurteils hinsichtlich der Beweiswürdigung zu erreichen (BSG, Beschluß vom 5. Februar 1980 – 2 BU 31/79 = Meso B 320/35 –). Das LSG mag – wie der Kläger vorbringt – keinen einzigen Beweis erhoben haben. Damit hat es aber nicht unterlassen, sich ein eigenes Urteil zu bilden. Im Gegenteil hat das Berufungsgericht eingehend dargelegt, aus welchen Gründen es einerseits die Feststellungen des Landgerichts übernommen und andererseits trotz der für den Kläger günstigen Prognose der Strafvollstreckungskammer die Eignung für die Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung als nicht gegeben erachtet hat.
Die unter Punkt IV der Beschwerdebegründung aufgeworfene Frage, ob und inwieweit § 21 ZO-Ä eine Prognose über das Fortbestehen und die voraussichtliche Dauer der Ungeeignetheit des Arztes erfordert, könnte nur dann entscheidungserheblich und damit klärungsfähig sein, wenn das LSG die Notwendigkeit einer solchen vorausschauenden Beurteilung verneint hätte. Davon kann jedoch keine Rede sein, denn es hat seine Entscheidung nicht etwa allein mit den in der Vergangenheit liegenden strafrechtlichen Verfehlungen des Klägers begründet, sondern ausgeführt, angesichts der Qualität dieser Verfehlungen könne vernünftigerweise nicht in Abrede gestellt werden, daß damit das besondere Vertrauensverhältnis zu der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) und den Krankenkassen nachhaltig gestört und diesen deshalb trotz des eingetretenen Zeitablaufs eine Zusammenarbeit mit dem Kläger objektiv nicht zumutbar sei. Diese Feststellung weist über den Zeitpunkt ihres Ausspruchs hinaus in die Zukunft. Wenn den Beigeladenen eine Zusammenarbeit mit dem Kläger nicht mehr zuzumuten ist, dann gilt dies bis auf weiteres. Im übrigen fehlt es insoweit auch an der Darlegung der Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage. Der Begriff der Ungeeignetheit im Sinne der Vorschriften über die Entziehung der kassenärztlichen Zulassung ist durch die Rechtsprechung des Senats geklärt (vgl BSGE 33, 161, 162 ff; BSGE 43, 250, 252 ff = SozR 2200 § 368a Nr 3 S 3 ff; BSGE 60, 76, 77 f = SozR 2200 § 368a Nr 15 S 55 mwN). Mit dieser Rechtsprechung hätte sich der Kläger zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung zumindest auseinandersetzen müssen.
Grundsätzliche Bedeutung soll der Rechtssache ferner im Hinblick auf die Frage zukommen, wieweit die Urteilsausführungen zur Prognose im Rahmen des § 21 ZO-Ä über die Geeignetheit des Kassenarztes für die Ausübung der Kassenpraxis begründet werden müssen. Der Kläger will offenbar geltend machen, das LSG sei zu diesem Punkt eine Begründung schuldig geblieben und habe damit gegen § 136 Abs 1 Nr 6 SGG verstoßen. Zu dieser Vorschrift besteht indessen eine gefestigte Rechtsprechung des BSG. Danach fehlen Entscheidungsgründe nur dann, wenn das Gericht zu einem entscheidungserheblichen Streitpunkt überhaupt nicht Stellung genommen bzw die insoweit den Urteilsausspruch tragenden tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen nicht mitgeteilt hat (BSG SozR 1500 § 136 Nr 10 mwN). Inwieweit im Hinblick auf diese Klarstellung im vorliegenden Fall über klärungsbedürftige Rechtsfragen zu entscheiden wäre, ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen. Der Kläger legt zwar ausführlich dar, warum das LSG nach seiner Auffassung zu einer anderen Prognose hätte kommen müssen. Daß es auf die Tatsache der Strafaussetzung zur Bewährung und die Begründung der Strafvollstreckungskammer nicht eingegangen wäre, hat er jedoch selbst nicht behauptet.
Der Beschwerdebegründung mag in diesem Zusammenhang die Rüge eines Verfahrensmangels zu entnehmen sein. Der Kläger hat den Verfahrensmangel aber jedenfalls nicht „bezeichnet” (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Im einzelnen bringt er vor, die Vernachlässigung der Prognose wäre allenfalls gerechtfertigt, wenn außer einer angeblichen Neigung zu Straftaten weitere, gegenwärtig andauernde nachteilige Umstände in seiner (des Klägers) Persönlichkeit vorlägen; damit hätte sich das Berufungsgericht ggf auch auseinandersetzen müssen. Wenn das LSG ihn einerseits für die Arbeit in bestimmten Institutionen außerhalb der kassenärztlichen Versorgung für geeignet halte, so hätte es andererseits darlegen müssen, warum er als Kassenarzt ungeeignet sei. Entscheidungsgründe fehlen indessen nicht schon dann, wenn sich das Gericht nicht mit allen denkbaren Rechtsansichten und möglichen Elementen der Begründung auseinandergesetzt hat. Soweit die Ausführungen in der Beschwerdebegründung zu V 1 und insbesondere zu V 2 darauf hinauslaufen, daß die Entscheidung des LSG falsch sei, ergeben sie keinen Grund für die Zulassung der Revision. Daran ändert es nichts, wenn der Kläger darlegt, das LSG hätte auf die Zweifel und Unrichtigkeiten, die er vorträgt, eingehen müssen.
Zur analogen Anwendung des § 48 Bundesbeamtengesetz (BBG) im Kassenarztrecht fehlt es an einer ausreichenden Darlegung der Entscheidungserheblichkeit dieser Frage. Der Kläger hat diesen Punkt zwar angesprochen und darauf hingewiesen, daß es im Urteil heiße, eine Heranziehung des Rechtsgedankens aus § 48 BBG erscheine nicht ausgeschlossen. Wie er aber selbst einräumt, besteht die Hauptbegründung des LSG darin, daß, „auch wenn man dem nicht folgen wollte”, der Inhalt der vom Landgericht Berlin getroffenen Feststellungen und Würdigungen jedenfalls schwerwiegende persönliche Mängel des Klägers ergebe. Grundsätzliche Bedeutung kann eine Rechtssache wegen einer Hilfsbegründung nur gewinnen, wenn auch die Hauptbegründung mit durchgreifenden, die Zulassung der Revision begründenden Rügen angegriffen wird. Das ist nach den vorstehenden Ausführungen nicht der Fall. Hinzu kommt vorliegend, daß das Urteil des LSG auch nicht hilfsweise auf den Rechtsgedanken des § 48 BBG gestützt ist. Das LSG begründet nur, daß dieser Gedanke möglicherweise herangezogen werden könne.
Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen