Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 9. Oktober 2019 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die bei der beklagten Krankenkasse versicherte Klägerin ist mit ihrem Begehren auf Versorgung mit einer beidseitigen Mammareduktionsplastik (MRP) bei der Beklagten - nach körperlicher Untersuchung und Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) - und beim SG - nach Einholung eines Sachverständigengutachtens auf orthopädischem Gebiet - (Urteil vom 12.9.2018) erfolglos geblieben. Die Klägerin hat im Berufungsverfahren beantragt, ein Sachverständigengutachten zu im Einzelnen aufgeführten Fragen einzuholen (Schriftsatz vom 3.10.2019). Sie hat in ihrem in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Beweisantrag hierauf Bezug genommen. Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen und zur Begründung, auch unter Bezugnahme auf die Gründe des SG-Urteils, ua ausgeführt, soweit es um den Zusammenhang zwischen Brustgröße und Beschwerden im Bereich des Stütz- und Bewegungsapparats der Klägerin geht: Eine mittelbare Therapie durch einen chirurgischen Eingriff - hier die MRP - in ein funktionell intaktes Organ müsse wegen der mit dem Eingriff verbundenen Risiken stets die ultima ratio sein. Ob eine schwere Erkrankung vorliegen müsse und alle konservativen orthopädischen Behandlungsmethoden ausgeschöpft sein müssten, bleibe offen. Zumindest bei geringen Verspannungen - wie hier - seien die konservativen Maßnahmen zuvor maximal auszuschöpfen. Auch unter Berücksichtigung des klägerischen Beweisantrags habe kein Grund zu einer weiteren Sachverhaltsaufklärung bestanden. Insbesondere habe kein Arzt einen Kausalzusammenhang zwischen den Armbeschwerden und der Brustgröße angenommen. Bei der Klägerin bestehe eine muskuläre Dysbalance der Nacken- und Rückenmuskulatur mit Myogelosen. Die Beschwerden im Bereich von Schulter und Nacken seien vergleichsweise gering und die Dringlichkeit der chirurgischen Intervention deshalb niedrig. Es bestünden noch konservative Behandlungsmöglichkeiten. Der Senat gehe zwar davon aus, dass die Klägerin wegen ihrer starken Schmerzen vor allem im rechten Arm nicht die in der stationären Rehabilitation erlernten Übungen derzeit selbst ausführen könne. Dies schließe aber nicht die Möglichkeit anderer, dem Leistungsvermögen der Klägerin angepasster, konservativer Behandlungsmaßnahmen aus. Nur durch eine insoweit angepasste Therapie, die tatsächlich und langfristig in Eigenregie durchgeführt werde, lasse sich feststellen, ob eine MRP erforderlich sei. Unerheblich für den Anspruch auf Versorgung mit einer MRP sei deshalb, ob die Klägerin wegen ihrer Beschwerden, die durch die Brustgröße bedingt seien, arbeitsunfähig sei. Die unter Nr 2 gestellte Beweisfrage sei ein unzulässiger Ausforschungsantrag (Urteil vom 9.10.2019).
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.
II
Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des allein geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes des Verfahrensfehlers (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG).
1. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB BSG vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - SozR 1500 § 160a Nr 36 mwN; BSG vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 16 mwN). Daran fehlt es.
Die Rüge der Aufklärungspflicht (§ 103 SGG) erfordert, dass in der Beschwerdebegründung ein für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbarer, bis zuletzt aufrechterhaltener oder im Urteil wiedergegebener Beweisantrag bezeichnet wird, dem das LSG nicht gefolgt ist, dass die Rechtsauffassung des LSG wiedergegeben wird, auf deren Grundlage bestimmte Tatfragen klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, dass die von dem Beweisantrag betroffenen tatsächlichen Umstände aufgezeigt werden, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, dass das voraussichtliche Ergebnis der unterbliebenen Beweisaufnahme angegeben und dass erläutert wird, weshalb die Entscheidung des LSG auf der unterlassenen Beweiserhebung beruhen kann (stRspr; vgl zB BSG vom 16.5.2019 - B 13 R 222/18 B - juris RdNr 12 mwN). Für die Frage, ob ein hinreichender Grund für die unterlassene Beweiserhebung vorliegt, kommt es darauf an, ob das Gericht objektiv gehalten gewesen wäre, den Sachverhalt zu dem von dem betreffenden Beweisantrag erfassten Punkt weiter aufzuklären, ob es sich also zur beantragten Beweiserhebung hätte gedrängt fühlen müssen (stRspr; vgl zB BSG vom 7.4.2011 - B 9 SB 47/10 B - juris RdNr 4). Soweit der Sachverhalt nicht hinreichend geklärt ist, muss das Gericht von allen Ermittlungsmöglichkeiten, die vernünftigerweise zur Verfügung stehen, Gebrauch machen. Einen Beweisantrag darf es nur dann ablehnen, wenn es aus seiner rechtlichen Sicht auf die ungeklärte Tatsache nicht ankommt, wenn diese Tatsache als wahr unterstellt werden kann, wenn das Beweismittel völlig ungeeignet oder unerreichbar ist, wenn die behauptete Tatsache oder ihr Fehlen bereits erwiesen oder wenn die Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist (vgl BSG vom 6.2.2007 - B 8 KN 16/05 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 12 RdNr 10; BSG vom 7.4.2011 - B 9 SB 47/10 B - juris RdNr 4; BSG vom 7.8.2014 - B 13 R 420/13 B - juris RdNr 12). Der bloße Angriff auf die Beweiswürdigung des LSG kann dagegen nicht zur Zulassung der Revision führen, auch wenn er in die Gestalt einer Sachaufklärungsrüge gekleidet ist (vgl BSG vom 8.5.2017 - B 9 V 78/16 B - juris RdNr 12). § 160 Abs 2 Nr 3 SGG schließt dies - wie oben dargelegt - aus.
Die Klägerin rügt eine Verletzung der Aufklärungspflicht hinsichtlich der Fragen 2, 2a, 3, 3a, 3b und 7 ihres Beweisantrags. Sie legt jedoch nicht in der gebotenen Weise dar, dass die in den Fragen bezeichneten tatsächlichen Umstände dem LSG nach seiner Rechtsauffassung und den sich daraus als entscheidungserheblich ergebenden Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen. Im Ergebnis greift sie hinsichtlich aller Fragen letztlich die Beweiswürdigung des LSG an, was jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen kann.
a) Frage 2a des Beweisantrags lautet:
"Ist die Ulnarisreizung der Berufungsklägerin auf die bei der Berufungsklägerin vorliegende Makromastie zurückzuführen und mit einer beidseitigen Mammareduktion mit hoher Wahrscheinlichkeit zu beseitigen bzw. wesentlich zu lindern?"
Die Klägerin macht geltend, das LSG hätte den Beweisantrag nicht mit der Begründung ablehnen dürfen, dass es sich um einen Antrag ins Blaue hinein handele. Die Klägerin setzt sich zwar mit der Begründung des LSG auseinander, dass kein Arzt, auch nicht der MDK oder die gerichtliche Sachverständige Dr. S, einen Zusammenhang zwischen ihren Armbeschwerden und ihrer Brustgröße hergestellt habe, und es deshalb der Beweisfrage nicht nachgehen müsse. Sie legt aber nicht dar, weshalb angesichts dieser aus Sicht des LSG klaren Beweislage gegen einen Zusammenhang dennoch ein Gutachten einzuholen gewesen wäre. Indem sie andere Rückschlüsse aus dem Hinweis der gerichtlichen Sachverständigen Dr. S zieht, dass die Brustgröße zu einer Überlastung der Schulter und des Armes und daher zu zeitweisen Schwellungen des Armes führen könnten, ist dies nur ein Angriff auf die Beweiswürdigung des LSG, dass die Armbeschwerden nicht ihre Ursache in der Brustgröße hätten.
b) Die Frage 3 des Beweisantrags lautet:
"In welchem muskulösen Trainingszustand befindet sich die Berufungsklägerin?"
Soweit die Klägerin hier weiteren Aufklärungsbedarf sieht, wendet sie sich auch hier nur gegen die mit der Nichtzulassungsbeschwerde nicht überprüfbare Beweiswürdigung des LSG. Das LSG ist den Ausführungen der gerichtlichen Sachverständigen Dr. S insoweit gefolgt, als diese eine muskuläre Dysblance der Nacken- und Rückenmuskulatur mit Myogelosen festgestellt hat. Weshalb im Hinblick auf diese Frage gleichwohl weiterer Aufklärungsbedarf (zu "Kompensationsmöglichkeiten") bestehen soll, legt die Klägerin nicht dar.
c) Mit den Fragen 3a und 3b des Beweisantrags will die Klägerin im Kern geklärt wissen, dass in ihrem Fall erfolgversprechende konservative Behandlungsmethoden aktuell bis auf Weiteres und auch auf Dauer nicht zur Verfügung stehen. Die Fragen lauten:
"Welche Einschränkungen bestehen bei der Berufungsklägerin in Bezug auf die Durchführung konservativer, nichtoperativer Maßnahmen insbesondere auf Grund ihrer orthopädischen Erkrankungen?"
"Lassen sich die bei der Berufungsklägerin vorliegenden Beschwerden im Bereich des Haltungs- und Bewegungsapparates, die auf die Makromastie zurückzuführen sind, durch konservative, nichtoperative Maßnahmen - unter Berücksichtigung der bei der Klägerin bestehenden Einschränkungen diesbezüglich - dauerhaft beseitigen?"
Die Klägerin legt nicht dar, dass das LSG unter Zugrundelegung seiner Rechtsauffassung objektiv gehalten gewesen wäre, den Sachverhalt zu den von dem betreffenden Beweisantrag erfassten Punkten weiter aufzuklären, ob es sich also zur beantragten Beweiserhebung hätte gedrängt fühlen müssen. Dies gilt insbesondere, soweit sie geltend macht, das LSG habe sich auf das Gutachten des MDK nicht stützen dürfen, soweit dieses das Bestehen konservativer Behandlungsmethoden angegeben habe. Es stehe im Widerspruch zum Gutachten der gerichtlichen Sachverständigen Dr. S, die unter Benennung zahlreicher Studien darauf verwiesen habe, dass eine dauerhafte Beschwerdefreiheit nicht erzielt werden könne. Die Klägerin setzt sich mit der insoweit fallentscheidenden Rechtsauffassung des LSG nicht auseinander. Dieses sieht eine MRP nur als ultima ratio, als ein allerletztes Mittel für die "mittelbare" Behandlung der muskulären Dysblance der Nacken- und Rückenmuskulatur mit Myogelosen an, unter denen die Klägerin leide. Das LSG hat ausgeführt, zumindest sei ein dauerhafter Erfolg mit konservativen Behandlungsmaßnahmen noch nicht ausgeschlossen. Das Gegenteil könne erst die Zukunft erweisen. Denn die Eigenübungen müssten überprüft und den Möglichkeiten der Klägerin angepasst werden. Zudem bestünden noch Verbesserungsmöglichkeiten nach Behandlung der Beschwerden im Ellenbogen und in den Händen. Die Klägerin zeigt nicht auf, warum das LSG trotz dieser auf seine Rechtsauffassung gestützten zeitlichen Perspektive die aktuellen gesundheitlichen Einschränkungen der Klägerin, die ggf Eigenübungen einschränken oder gar ausschließen, hätte weiter aufklären müssen.
d) Frage 2 lautet:
"Sind etwaige Beschwerden/Erkrankungen/Diagnosen der Berufungsklägerin im Bereich des Haltungs- und Bewegungsapparates auf die bei der Berufungsklägerin vorliegende Makromastie zurückzuführen und mit einer beidseitigen Mammareduktion mit hoher Wahrscheinlichkeit zu beseitigen bzw. wesentlich zu lindern?"
Die Klägerin hat ihre Rüge damit begründet, dass sie entgegen der Auffassung des LSG nicht ins Blaue hinein nach weiteren, noch nicht benannten Krankheiten frage, sondern nach der Kausalität der Makromastie für die Beschwerden/Erkrankungen/Diagnosen im Bereich des Haltungs- und Bewegungsapparates. Das LSG hat - mit Ausnahme der Armbeschwerden (vgl dazu a) - den Anspruch auf Versorgung mit einer MRP nicht allein und nicht einmal vorrangig mit der fehlenden Kausalität der Brustgröße für die Beschwerden im Bereich des Stütz- und Bewegungsapparates abgelehnt. Es hat vielmehr, wie schon angesprochen, maßgeblich darauf abgestellt, dass die Beschwerden - im Vergleich zur Schwere des begehrten chirurgischen Eingriffs - insgesamt gering seien und dass alternative Behandlungsmethoden noch nicht erschöpft seien (vgl c). Die Klägerin legt nicht in der gebotenen Weise dar, warum das LSG sich trotz alternativer Begründungen zu weiterer Sachaufklärung zur Kausalität der Beschwerden hätte veranlasst sehen sollen, also weshalb die Entscheidung des LSG auf der unterlassenen Beweiserhebung beruhen kann.
Sofern die Frage 2 auch die schon von Frage 2a (vgl dazu a) bezeichnete Kausalität mit erfassen sollte, würde die Klägerin auch hier nur in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung des LSG angreifen.
e) Soweit die Klägerin schließlich mit ihrer Frage 7 nach der Kausalität zwischen Makromastie und Arbeitsunfähigkeit fragt, legt sie nicht dar, weshalb die Entscheidung des LSG unter Beachtung seiner Rechtsauffassung und der von ihm hierzu getroffenen Feststellungen auf der unterlassenen Beweiserhebung beruhen kann.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14375264 |