Verfahrensgang

BSG (Beschluss vom 11.04.2016; Aktenzeichen B 12 KR 68/15 B)

SG Hildesheim (Aktenzeichen S 20 KR 7/09)

LSG Niedersachsen-Bremen (Aktenzeichen L 4 KR 380/13)

 

Tenor

Die Anhörungsrüge der Klägerin gegen den Beschluss des Bundessozialgerichts vom 11. April 2016 - B 12 KR 68/15 B - wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Durch Beschluss vom 11.4.2016 - B 12 KR 68/15 B - hat der Senat die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen vom 11.6.2015 als unzulässig verworfen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat der Senat darauf hingewiesen, dass die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, der Divergenz und des Verfahrensmangels nicht hinreichend dargelegt oder bezeichnet worden seien. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Anhörungsrüge vom 17.5.2016.

Die Anhörungsrüge ist unzulässig. Sie ist daher zu verwerfen (§ 178a Abs 4 S 1 SGG).

Gemäß § 178a Abs 1 S 1 SGG ist das Verfahren auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten fortzuführen, wenn ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist (Nr 1) und das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat (Nr 2). Das Vorliegen der in Nr 2 genannten Voraussetzungen ist mit der Rüge darzulegen (§ 178a Abs 2 S 5 SGG). Diesem Darlegungserfordernis ist nur dann genügt, wenn Umstände aufgezeigt werden, aus denen sich eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ergeben kann (BSG vom 7.4.2005 - B 7a AL 38/05 B - SozR 4-1500 § 178a Nr 2 RdNr 8).

Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, §§ 62, 128 Abs 2 SGG) soll verhindern, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten, und sicherstellen, dass ihr Vorbringen vom Gericht zur Kenntnis genommen und in seine Erwägungen mit einbezogen wird (BSG vom 8.11.2006 - B 2 U 5/06 C - SozR 4-1500 § 178a Nr 6 RdNr 4 mwN). Dieses Gebot verpflichtet die Gerichte allerdings nicht, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen (BVerfG ≪Kammer≫ vom 4.9.2008 - 2 BvR 2162/07 ua - BVerfGK 14, 238, 241 f unter Hinweis auf BVerfG vom 12.4.1983 - 2 BvR 678/81 - BVerfGE 64, 1, 12 und BVerfG vom 7.7.1992 - 1 BvL 51/86 - BVerfGE 87, 1, 33 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 4). Auch haben sie nicht jedes Vorbringen eines Beteiligten ausdrücklich zu bescheiden, sondern nur das Wesentliche der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung dienende Vorbringen in den Entscheidungsgründen zu würdigen (stRspr des BVerfG, zB BVerfG ≪Kammer≫ vom 20.2.2008 - 1 BvR 2722/06 ua - BVerfGK 13, 303, 304 f unter Hinweis auf BVerfG vom 1.2.1978 - 1 BvR 426/77 - BVerfGE 47, 182, 189). Für eine zulässige Anhörungsrüge bedarf es daher nach § 178a Abs 2 S 5 SGG einer in sich schlüssigen Darstellung, dass trotz der genannten Grenzen des Prozessgrundrechts eine Verletzung des rechtlichen Gehörs in entscheidungserheblicher Weise vorliegt (BSG vom 7.1.2016 - B 9 V 4/15 C - Juris RdNr 8 mwN). Daran fehlt es hier.

1. Die Klägerin beanstandet zunächst, dass der Senat - ebenso wie das LSG - zu Unrecht von einem Unterlassungsbegehren lediglich in Bezug auf die Versendung unverschlüsselter E-Mails ausgegangen sei. Stattdessen habe sie in allen drei Instanzen die Unterlassung für alle Übertragungsarten im Internet gefordert. Es kann dahingestellt bleiben, unter welchen Voraussetzungen das (vermeintliche) Übergehen eines erhobenen Anspruchs überhaupt geeignet ist, als Verfahrensfehler die Zulassung der Revision zu rechtfertigen, und eine damit begründete Nichtzulassungsbeschwerde durch den spezielleren Antrag auf Urteilsergänzung verdrängt wird (vgl BSG vom 2.4.2014 - B 3 KR 3/14 B - SozR 4-1500 § 140 Nr 2; BSG vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4). Jedenfalls ist der Anhörungsrüge nicht zu entnehmen, dass mit der Nichtzulassungsbeschwerde ein solcher Verfahrensfehler geltend gemacht worden wäre. Soweit die Klägerin auf "S. 2, Abs. 1 der NZB" hinweist, wird lediglich auf die mit der Nichtzulassungsbeschwerde beschriebene "Ausgangslage" verwiesen.

2. Eine entscheidungserhebliche Gehörsverletzung ist auch nicht insoweit dargetan, als der Senat die Begründungsanforderungen an die Rüge der Nichtvorlage an den EuGH als nicht erfüllt angesehen hat. Dass mit der Nichtzulassungsbeschwerde eine "konkrete (Gesetzes)Vorschrift des nationalen Rechts" genannt worden wäre, deren Vereinbarkeit mit europäischem Recht hätte geklärt werden müssen, hat die Klägerin nicht aufgezeigt. Insoweit genügt es nicht, auf die Erörterungen zur "Wiederholungsgefahr" als Zulässigkeitsvoraussetzung auf "S. 9, Abs. 1" der Nichtzulassungsbeschwerde und den sich aus "(NZB S. 7-9)" ergebenden "Zusammenhang" des Beschwerdevorbringens zu verweisen. Inwieweit vor diesem Hintergrund die Außerachtlassung der (vermeintlichen) Ausführungen zum Beruhen der Entscheidung des LSG auf einer Verletzung europäischen Rechts einen entscheidungserheblichen Gehörsverstoß begründen soll, zeigt die Klägerin ebenfalls nicht auf. Soweit sie in diesem Zusammenhang eine Vorlage an den EuGH durch den Senat selbst erörtert, wird übersehen, dass im Rahmen einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision allein über das Vorliegen eines Zulassungsgrundes iS des § 160 Abs 2 SGG und dessen ordnungsgemäße Begründung iS des § 160a Abs 2 S 3 SGG zu befinden ist.

3. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör hat die Klägerin auch nicht in Bezug auf das Beschwerdevorbringen zur geltend gemachten Divergenz dargelegt. Nach der Begründung des angegriffenen Beschlusses des Senats (RdNr 12) hat die Klägerin nicht erläutert, "warum hier gerade eine Nichtübereinstimmung abstrakter Aussagen (im Grundsätzlichen) vorliegen soll und nicht nur eine Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall". Mit diesem Begründungsdefizit setzt sich die Klägerin in ihrer Anhörungsrüge nicht auseinander. Sie behauptet lediglich, dass "Darlegungen zur systematischen Anwendung übersehen" worden seien.

4. Schließlich ist mit dem Einwand, der Senat habe im Zusammenhang mit dem gerügten Verstoß gegen die richterliche Amtsermittlungspflicht die "Ausführungen zur Wiederholungsgefahr" übergangen und die "Erfordernisse der ZPO" an den Beweisantrag seien erfüllt, ein entscheidungserheblicher Gehörsverstoß nicht aufgezeigt worden. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass bereits nach dem nicht berücksichtigten Beschwerdevorbringen bis zuletzt ein prozessordnungsgemäßer Beweisantrag gestellt worden wäre und sich das LSG von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus hätte gedrängt fühlen müssen, den beantragten Beweis zu erheben.

5. Soweit die Klägerin im Übrigen einen Gehörsverstoß durch das LSG behauptet, wird nicht eine unzureichende Berücksichtigung ihres Beschwerdevorbringens durch den Senat, sondern - erneut - ein der Entscheidung des Berufungsgerichts zugrunde liegender Verfahrensfehler geltend gemacht. Die Anhörungsrüge dient aber nicht der Fortführung des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, sondern der Überprüfung eines speziellen Verfahrensverstoßes gegen ein verfassungsrechtlich abgesichertes Recht der Beteiligten (BSG vom 8.11.2006 - B 2 U 5/06 C - SozR 4-1500 § 178a Nr 6 RdNr 5). Auch war der Senat nicht verpflichtet, vor seiner Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde auf die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gesichtspunkte hinzuweisen (vgl BSG vom 21.6.2000 - B 5 RJ 24/00 B - SozR 3-1500 § 112 Nr 2 S 3 mwN).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI10448782

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