Entscheidungsstichwort (Thema)

Revisionsnichtzulassungsbeschwerde. Sozialgerichtliches Verfahren. Verletzung rechtlichen Gehörs. Gründe für die Aufhebung eines Sitzungstermins wegen urlaubsbedingter Verhinderung eines Prozessbevollmächtigten. Unentschuldigtes Fehlen in mündlicher Verhandlung. Keine Aufrechterhaltung eines Beweisantrags

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör liegt u.a. dann vor, wenn das Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in seine Erwägungen einzubeziehen, nicht nachgekommen ist (vgl. BVerfGE 25, 137, 140) oder sein Urteil auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützt, zu denen sich die Beteiligten nicht haben äußern können (vgl. BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 12). Dementsprechend sind insbesondere Überraschungsentscheidungen verboten.

2. Erhebliche Gründe zur Aufhebung eines Verhandlungstermins sind bei einer vorhersehbar urlaubsbedingten Abwesenheit eines Prozessbevollmächtigen grundsätzlich nicht gegeben (BSG, Urteil v. 29.03.1984, B 2 RU 71/82). Denn ein Beteiligter muss sich darauf verweisen lassen, einen anderen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung des angesetzten Termins zu beauftragen, wenn der bisher beauftragte Rechtsanwalt hierzu nicht in der Lage ist (BVerfGE 14, 195, 196; BSG aaO; BSG SozR 1750 § 227 Nr 2). Unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs ist ein Gericht nur verpflichtet, einen anberaumten Termin wegen Verhinderung eines Prozessbevollmächtigen aufzuheben, wenn eine anderweitige Vertretung nicht möglich erscheint, der Beteiligte also andernfalls das rechtliche Gehör in der mündlichen Verhandlung nicht finden könnte.

3. Eine Vertretung durch einen sozietätsangehörigen anderen Rechtsanwalt ist insbesondere dann zuzumuten, wenn keine Gründe vorliegen, die eine persönliche Wahrnehmung gerade dieses Termins durch den sachbearbeitenden Prozessbevollmächtigten erforderlich gemacht hätten.

4. Wird ein Beweisantrag in einem vorbereitenden Schriftsatz gestellt, so ist er dann nicht i.S.v. § 160 Abs. 2 Nr. 3 SGG übergangen worden, wenn aus den näheren Umständen zu schließen ist, dass er in der maßgeblichen mündlichen Verhandlung nicht mehr weiterverfolgt würde. Bei einem unentschuldigten Ausbleiben eines rechtskundig vertretenen Beteiligten in der abschließenden mündlichen Verhandlung darf das Tatsachengericht grundsätzlich davon ausgehen, dass ein zuvor angekündigter Beweisantrag als nicht mehr aufrechterhalten betrachtet werden kann, wenn der Beteiligte nicht unmittelbar vor dem Termin hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht hat, dass im Fall seines Ausbleibens über den schriftsätzlich gestellten Beweisantrag entschieden werden soll (vgl. BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 35; BSG SGB 2000, 269).

 

Normenkette

SGG §§ 62, 103, 128, 160 Abs 2. Nr. 3, § 202; ZPO § 227 Abs. 1 S. 1; GG Art. 103 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 20.08.2002; Aktenzeichen L 10 RI 269/01)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 20. August 2002 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Gründe

Mit Urteil vom 20. August 2002 hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) einen Anspruch der Klägerin auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit im Wesentlichen mit folgender Begründung verneint: Trotz des von der Klägerin gestellten Antrags auf Verlegung des Termins habe verhandelt und entschieden werden können. Der am Sitzungstag geplante Erholungsurlaub der sachbearbeitenden Rechtsanwältin H. … sei kein erheblicher Grund für eine Terminsverlegung. Auch wenn sich die ebenfalls sozietätsangehörige Rechtsanwältin R. … als Fachanwältin für Familienrecht die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung nicht zutraue, sei dies ebenfalls kein solcher Grund, zumal die Prozessvollmacht der Klägerin auf beide Rechtsanwältinnen laute. Bei einem Urlaub von mehr als einer Woche müsse eine Vertretung sichergestellt werden, wenn eine ordnungsgemäße Wahrnehmung der Gerichtstermine durch die verbleibenden Sozietätsangehörigen nicht gewährleitstet sei. Die nachträglich vorgetragenen Umstände zu einer Verhinderung von Rechtsanwältin R. … seien gleichfalls keine erheblichen Gründe. Soweit darin dargelegt worden sei, dass diese zur anberaumten Terminstunde bereits einen nicht verlegbaren Arzttermin vereinbart habe, habe der Senat eine Verlegung auf eine andere Terminstunde am selben Sitzungstag angeboten. Wenn diese an der Wahrnehmung auch dieser Terminstunde gehindert gewesen sei, weil sie im späteren Verlauf des Terminstages die Betreuung ihres Kleinkindes habe sicherstellen müssen, bleibe dahingestellt, ob hierin überhaupt eine maßgebliche Verhinderung liegen könne. Jedenfalls habe bereits von Anfang an festgestanden, dass auch die weitere sozietätsangehörige Rechtsanwältin am Sitzungstage weder vormittags noch nachmittags zur Wahrnehmung von Gerichtsterminen in der Lage sein würde. Die mitgeteilten Hinderungsgründe seien somit weder überraschend eingetreten noch seien sie durch eine von den Prozessbevollmächtigen nicht zu beeinflussende Kollision mit anderen Gerichtsterminen bedingt. Somit hätte rechtzeitig Vorsorge für eine Vertretung beider Sozietätsangehörigen getroffen werden müssen. Der dem Rechtsstreit zugrundeliegende Sachverhalt lasse keine Umstände erkennen, die eine persönliche Vertretung der Klägerin nur durch die sachbearbeitende Rechtsanwältin erforderlich gemacht hätte.

Die Klägerin sei weder erwerbs- noch berufsunfähig. Das Sozialgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass sie noch in der Lage sei, bei Beachtung qualitativer Einschränkungen vollschichtig leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten. Mit ihrer zuletzt seit Dezember 1988 ausgeübten Tätigkeit als Altenpflegehelferin sei sie der Gruppe der Angelernten des unteren Bereichs zuzurechnen. Sie sei daher auf sämtliche ungelernten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts verweisbar.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin beim Bundessozialgericht (BSG) Beschwerde eingelegt. Sie beruft sich auf das Vorliegen von Verfahrensfehlern.

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, da keiner der in § 160 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) abschließend aufgeführten Zulassungsgründe ordnungsgemäß dargetan worden ist (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG).

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) wie bei einer Verfahrensrüge innerhalb einer zugelassenen Revision zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 34, 36). Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 36; BVerwGE 13, 338, 339; Bundesverwaltungsgericht ≪BVerwG≫ NJW 1976, 1705; BVerfG NVwZ 1982, 433, 434; BGH NJW 1987, 2442, 2443). Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

Die von der Klägerin geltend gemachte Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (vgl §§ 62, 128 SGG, Art 103 Abs 1 des Grundgesetzes) liegt ua dann vor, wenn das Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in seine Erwägungen einzubeziehen, nicht nachgekommen ist (vgl BVerfGE 25, 137, 140) oder sein Urteil auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützt, zu denen sich die Beteiligten nicht haben äußern können (vgl BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 12). Dementsprechend sind insbesondere Überraschungsentscheidungen verboten (vgl dazu Meyer-Ladewig, SGG mErl, 7. Aufl, § 62 RdNr 8a mwN). Zur Begründung eines entsprechenden Revisionszulassungsgrundes ist nicht nur der Gehörverstoß selbst zu bezeichnen, sondern auch darzutun, welches Vorbringen dadurch verhindert worden ist und inwiefern die angefochtene Entscheidung darauf beruhen kann (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 36). Darüber hinaus ist für den Erfolg einer entsprechenden Rüge Voraussetzung, dass der Beschwerdeführer darlegt, seinerseits alles getan zu haben, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen (vgl Meyer-Ladewig, aaO, § 62 RdNr 11c). Diese Begründungserfordernisse hat die Klägerin nicht erfüllt.

Soweit die Klägerin als Verfahrensmangel die Verletzung rechtlichen Gehörs darin sieht, dass das LSG trotz ihres Terminsverlegungsantrages wegen der urlaubsbedingten Verhinderung ihrer sachbearbeitenden Prozessbevollmächtigten H. … und der Verhinderung der weiteren sozietätsangehörigen Rechtsanwältin R. … die anberaumte mündliche Verhandlung durchgeführt habe, ist ein Verfahrensmangel nicht substantiiert dargetan. Nach dem gemäß § 202 SGG auch im Verfahren der Sozialgerichte anwendbaren § 227 Abs 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Termin aus erheblichen Gründen aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden. Erhebliche Gründe sind bei einer vorhersehbar urlaubsbedingten Abwesenheit eines Prozessbevollmächtigen grundsätzlich nicht gegeben (BSG, Urteil vom 29. März 1984 – 2 RU 71/82 –, insoweit nicht in SozR 2200 § 596 Nr 8 abgedruckt). Denn ein Beteiligter muss sich darauf verweisen lassen, einen anderen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung des angesetzten Termins zu beauftragen, wenn der bisher beauftragte Rechtsanwalt hierzu nicht in der Lage ist (BVerfGE 14, 195, 196; BSG aaO; BSG SozR 1750 § 227 Nr 2; BSG, Beschluss vom 15. Dezember 1995 – 11 BAr 175/95). Unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs ist ein Gericht nur verpflichtet, einen anberaumten Termin wegen Verhinderung eines Prozessbevollmächtigen aufzuheben, wenn eine anderweitige Vertretung nicht möglich erscheint, der Beteiligte also andernfalls das rechtliche Gehör in der mündlichen Verhandlung nicht finden könnte. Die Rechtsprechung hat daher auch in den Fällen, in denen der Prozessbevollmächtigte unvermeidbar verhindert war, einen Verhandlungstermin wahrzunehmen, entscheidend darauf abgestellt, ob beim Eintritt des Verhinderungsgrundes genügend Zeit verblieb, einen anderen Rechtsanwalt zu finden (BSG, Beschluss vom 15. Dezember 1995 – 11 BAr 175/95). Die Beschwerdeführerin hätte nur dann einen in der Verhinderung der sachbearbeitenden Prozessbevollmächtigten der Klägerin bestehenden erheblichen Grund iS des § 227 ZPO dargetan, wenn sie aufgezeigt hätte, warum es nicht möglich gewesen ist, anderweit für eine Wahrnehmung des Termins vor dem LSG am 20. August 2002 zu sorgen, nachdem den Prozessbevollmächtigten bereits aufgrund der am 10. Juli 2002 abgesandten Vorankündigung und jedenfalls seit Empfang der Terminsmitteilung am 29. Juli 2002 die Terminsverhinderung bekannt war. Dies ist nicht geschehen.

Die Klägerin hat insbesondere keinen Sachverhalt vorgetragen, wonach es auf die Vertretung durch ihre sozietätsangehörigen Rechtsanwältin R. … angekommen wäre. Das wäre uU bei einer Terminskollision der Fall gewesen (vgl BSG SozR 3-1750 § 227 Nr 1; BVerwG NJW 95, 1231; Meyer-Ladewig, aaO, § 110 RdNr 5), um die es nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin jedoch nicht ging. Zu Unrecht beruft sich die Klägerin auch auf die Entscheidung des BSG vom 10. August 1995 – 11 RAr 51/95 (SozR 3-1750 § 227 Nr 1 = Breithaupt 1996, 355). Dort lag die Verletzung rechtlichen Gehörs zum einen – anders als im vorliegenden Fall – wegen Vorliegens erheblicher Gründe aufgrund einer so genannten Terminskollision vor, und zum anderen fehlte es – ebenfalls anders als hier – an einer Bescheidung des Verlegungsantrages.

In der Beschwerdebegründung sind ferner keine Gründe vorgetragen worden, die eine persönliche Wahrnehmung gerade dieses Termins durch die sachbearbeitende Prozessbevollmächtigte der Klägerin erforderlich gemacht hätten. Insbesondere hat die Klägerin keinen Sachverhalt vorgetragen, wonach es auf die Vertretung durch einen Fachanwalt für Sozialrecht angekommen wäre. Im Übrigen hat sie keine Hinderungsgründe mitgeteilt, die es ihr unmöglich gemacht hätten, sich durch einen anderen Fachanwalt für Sozialrecht vertreten zu lassen (vgl dazu BSG, Beschluss vom 25. Februar 1993 – 2 BU 4/93).

Im Übrigen hat sich die Klägerin nicht darauf berufen, sie habe wegen der Kürze der Frist keinen anderen Anwalt beauftragen können. Sie trägt selbst vor, dass die Verhinderungsgründe nicht unerwartet eingetreten seien, sondern dass der Urlaub der sachbearbeitenden Rechtsanwältin lange geplant gewesen sei. Auch nach ihrem eigenen Vortrag, wonach der Vorsitzende bereits am 16. August 2002 die Ablehnung der Terminsverlegung wegen Urlaubs der sachbearbeitenden Rechtsanwältin bzw mangelnder Spezialkenntnisse der Rechtanwältin R. … mitgeteilt habe, war es ihr möglich, rechtzeitig einen Unterbevollmächtigten zu beauftragen (vgl dazu BSGE 1, 280) und diesen noch zu instruieren (vgl BSG SozR 2200 § 596 Nr 8). Ferner trägt sie keinen Sachverhalt vor, dass sie nach der Ablehnungsentscheidung – aufgrund ihrer im Berufungsverfahren nachträglich geltend gemachten Hinderungsgründe – mit einer Änderung der Entscheidung des Vorsitzenden hätte rechnen können (vgl dazu BSG vom 28. Juli 1967 – 2 RU 2/64). Sie räumt selbst ein, dass der Vorsitzende nur eine Verlegung der Terminstunde angeboten und im Falle, dass eine Wahrnehmung auch in einem solchen Fall nicht möglich sei, die Vertretung durch einen anderen Rechtsanwalt verlangt habe. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der geltend gemachten Verhinderungsgründe der Rechtsanwältin R. … (wegen eines Arztbesuches bzw wegen Kinderbetreuung), da auch diese Gründe nicht nachträglich plötzlich eingetreten sind, zumal sie selbst vorträgt, dass der Arztbesuch seitens Rechtsanwältin R. … lange vorher vereinbart worden und diese wegen Betreuung ihres Kindes aufgrund der Schließung des Kindergartens regelmäßig ab 13.30 Uhr verhindert gewesen sei (vgl dazu BSG, Beschluss vom 18. Juli 1987 – 2 RU 2/84). Demzufolge war es nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin nicht so, dass ihr im Zeitpunkt der Mitteilung des Vorsitzenden am 19. August 2002 – dass daran festgehalten werde, dass nur die Terminstunde auf 14.00 Uhr verschoben werden könne – nicht genügend Zeit zur Beauftragung eines anderweitig bereiten Vertreters geblieben wäre. Zu Unrecht beruft sich die Klägerin auch auf die Entscheidung des BVerwG vom 9. Dezember 1983 – 4 C 44/83 (Buchholz 310 § 108 Nr 141 = NJW 1984, 882), da dort der sachbearbeitende Rechtsanwalt einer prozessbevollmächtigten Rechtsanwaltssozietät erst zwei Tage vor dem Termin plötzlich erkrankt war, während hier die Verhinderung bereits seit Erhalt der Terminsmitteilung feststand.

Bei der von der Klägerin des Weiteren gerügten Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) ist der Darlegungspflicht (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) nur genügt, wenn die Beschwerdebegründung hierzu jeweils folgende Punkte enthält: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund deren bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3) Darlegung der von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (5) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 5, 35, 45 und § 160a Nr 24, 34). Diesen Erfordernissen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

Offen bleiben kann, ob die Klägerin mit dem ggf im Schriftsatz vom 13. August 2002 gestellten Antrag auf persönliche Anhörung des Sachverständigen Prof. Dr. W. … einen prozessordnungsgerecht gestellten Beweisantrag bezeichnet hat. Denn jedenfalls ist dem Beschwerdevorbringen nicht zu entnehmen, dass die auch im Berufungsverfahren rechtskundig vertretenen Klägerin diesen Antrag in der mündlichen Verhandlung am 20. August 2002 aufrecht erhalten hätte (vgl dazu BSG SozR 1500 § 160 Nr 12). Wird ein Beweisantrag in einem vorbereitenden Schriftsatz gestellt, so ist er dann nicht iS des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 3 SGG übergangen worden, wenn aus den näheren Umständen zu schließen ist, dass er in der maßgeblichen mündlichen Verhandlung nicht mehr weiterverfolgt wurde. Bei einem unentschuldigten Ausbleiben eines rechtskundig vertretenen Beteiligten in der abschließenden mündlichen Verhandlung darf das Tatsachengericht grundsätzlich davon ausgehen, dass ein zuvor angekündigter Beweisantrag als nicht mehr aufrechterhalten betrachtet werden kann, wenn der Beteiligte nicht unmittelbar vor dem Termin hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht hat, dass im Falle seines Ausbleibens über den schriftsätzlich gestellten Beweisantrag entschieden werden soll (vgl Senatsbeschluss vom 5. März 2002 – B 13 RJ 193/01 B – SozR 3-1500 § 160 Nr 35; BSG SGb 2000, 269). So verhält es sich hier.

Die Klägerin trägt lediglich vor, sie habe im vorbereitenden Schriftsatz vom 13. August 2002 einen Beweisantrag gestellt. Dass sie unmittelbar vor dem Termin am 20. August 2002 – insbesondere nach der Entscheidung des Vorsitzenden vom 15. August 2002, dem Verlegungsantrag nicht stattzugeben, und der Entscheidung vom 19. August 2002, hieran festzuhalten, – zum Ausdruck gebracht habe, dass im Falle ihres Ausbleibens über den ggf schriftsätzlich gestellten Beweisantrag entschieden werden solle, wird nicht behauptet. Hierzu hätte aber besondere Veranlassung bestanden, da ein solcher Beweisantrag weder in der Sitzungsniederschrift vom 20. August 2002 noch in der angegriffenen Berufungsentscheidung zu finden ist.

Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 iVm § 169 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1176644

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