Verfahrensgang
Tenor
Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 21. März 2018 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt J. aus S. beizuordnen, wird abgelehnt.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten Urteil wird als unzulässig verworfen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1900 Euro festgesetzt.
Gründe
I
Die Klägerin begehrt in der Hauptsache eine Entschädigung in Höhe von 1900 Euro wegen überlanger Dauer des Verfahrens beim SG für das Saarland unter dem Az S 12 AS 545/12. Diesen Anspruch hat das LSG (Entschädigungsgericht) verneint. Eine unangemessene Dauer des Ausgangsverfahrens liege nicht vor (Urteil vom 21.3.2018).
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Zugleich hat sie für dieses Verfahren einen Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung von Rechtsanwalt J. aus S. gestellt. Sie macht als Zulassungsgründe die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Divergenz und Verfahrensmängel geltend.
II
Der Antrag der Klägerin auf PKH ist abzulehnen.
Gemäß § 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 Abs 1 S 1 ZPO kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Dies ist hier nicht der Fall. Aus diesem Grund kommt auch die Beiordnung ihres vorgenannten Prozessbevollmächtigten nicht in Betracht (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).
Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Begründung vom 29.6.2018 genügt nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht in der hierfür erforderlichen Weise dargetan worden sind (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG). Der Beschwerdeantrag der Klägerin im Schriftsatz vom 11.9.2018 war nicht mehr zu berücksichtigen, weil er außerhalb der bis zum 29.6.2018 verlängerten Beschwerdebegründungsfrist lag (§ 160a Abs 2 S 1 und 2 SGG).
1. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss daher, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG Beschluss vom 2.5.2017 - B 5 R 401/16 B - Juris RdNr 6 mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Die Klägerin hält die Fragen für grundsätzlich bedeutsam:
"ob ein Gericht mit erkennbar nicht sachdienlichen Verfahrenshandlungen die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen überlanger Verfahrensdauer verhindern und so die Bemühungen der Parteien, das Verfahren zu beschleunigen, nachhaltig unterlaufen kann, ohne dass dies zu einem Entschädigungsanspruch wegen überlanger Verfahrensdauer führt",
"wie die Zeiten der Verzögerung innerhalb des PKH-Verfahrens in den Zeiträumen 06.08.2012 bis 17.09.2012 und 18.04.2013 und 13.08.2013 zu bewerten sind und ob diese als Zeiten der Verzögerung zu werten sind oder nicht zu werten sind",
"ob Verzögerungen im Verfahren um die Bewilligung von PKH während der Dauer eines gleichzeitig rechtshängig gewordenen Hauptverfahrens zu berücksichtigen sind, im Rahmen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG und im Rahmen der Einzelfallumstände zu bewerten sei, wenn ein Gericht wegen eines PKH-Verfahrens die Hauptsache nicht so zügig bearbeitet, wie dies gegebenenfalls erforderlich wäre".
Mit den ersten beiden Fragen hat die Klägerin bereits keine Rechtsfragen iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG bezeichnet. Es handelt sich nicht um abstrakt-generell formulierte Fragestellungen, sondern im Kern um Fragen bezogen auf ihren Einzelfall. Die klare Formulierung einer abstraktgenerellen, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage zum Inhalt oder Anwendungsbereich einer konkreten revisiblen Norm (vgl § 162 SGG) ist jedoch unverzichtbar, damit das BSG an ihr die weiteren Voraussetzungen für eine Grundsatzrüge prüfen kann (stRspr, zB BSG Beschluss vom 16.3.2017 - B 13 R 390/16 B - Juris RdNr 7).
Bei der ersten Frage, wonach angeblich "erkennbar nicht sachdienliche Verfahrenshandlungen" des Ausgangsgerichts "die Bemühungen der Parteien, das Verfahren zu beschleunigen", "nachhaltig unterlaufen" und so die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs wegen überlanger Verfahrensdauer verhindert hätten, handelt es sich schon deshalb nicht um die Formulierung einer Rechtsfrage, weil - worauf der Beklagte in seiner Beschwerdeerwiderung zu Recht hinweist - die Einzelelemente der Fragestellung von der Klägerin so gefasst sind, dass sie jeweils eine aus ihrer subjektiven Sicht angeblich vorliegende Fallkonstellation betreffen. Ob diese subjektiv geprägt formulierten Einzelelemente mit den für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des Entschädigungsgerichts (vgl § 163 SGG) übereinstimmen, erschließt sich aus dem weiteren Beschwerdevorbringen nicht. Es gehört nicht zu den Aufgaben des BSG, den weiteren Vortrag der Klägerin darauf zu analysieren, ob sich aus ihm eventuell doch noch eine Rechtsfrage iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG entnehmen und formulieren ließe (vgl stRspr, zB BSG Beschluss 29.9.2017 - B 13 R 365/15 B - Juris RdNr 7 mwN). Unabhängig davon mangelt es an weiteren notwendigen Darlegungen zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit der von der Klägerin bezeichneten Fragestellung.
Die zweite Frage betrifft ersichtlich Zeiträume des Ausgangsverfahrens und beschränkt sich somit ebenfalls auf den Einzelfall der Klägerin.
Im Kern rügt die Klägerin mit diesen beiden Fragestellungen und ihrem diesbezüglichen Vortrag lediglich die aus ihrer Sicht fehlerhafte Rechtsanwendung des Entschädigungsgerichts. Dies reicht jedoch für eine Grundsatzrüge nicht aus. Vielmehr geht das diesbezügliche Vorbringen der Klägerin über eine im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren unbeachtliche Subsumtionsrüge nicht hinaus. Eine Nichtzulassungsbeschwerde bietet keinen Rechtsschutz gegen eine aus Sicht eines Beteiligten "unrichtige" Rechtsanwendung (vgl stRspr, zB BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 6.5.2010 - 1 BvR 96/10 - SozR 4-1500 § 178a Nr 11 RdNr 28, BSG Beschluss vom 14.2.2007 - B 13 R 477/06 B - Juris RdNr 15).
Selbst wenn man der dritten Frage die Qualität einer Rechtsfrage iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG zubilligen wollte, hat die Klägerin deren Klärungsbedürftigkeit nicht dargelegt. Vielmehr weist sie selbst auf das Urteil des Senats vom 7.9.2017 (B 10 ÜG 3/16 R - SozR 4-1720 § 198 Nr 14 RdNr 29) hin. Dort hat der Senat entschieden, dass ein PKH-Verfahren, welches - wie hier - gleichzeitig neben einem rechtshängigen Hauptsacheverfahren geführt wird, nicht zu einem weiteren - eigenständigen - Entschädigungsanspruch führt. Ob Verzögerungen im Verfahren um die Bewilligung von PKH während der Dauer eines gleichzeitig rechtshängig gewordenen Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen sind, ist im Rahmen des § 198 Abs 1 S 2 SGG bei den Umständen des Einzelfalls zu bewerten, wenn ein Gericht wegen eines PKH-Verfahrens die Hauptsache nicht so zügig bearbeitet wie dies gegebenenfalls erforderlich wäre (aaO RdNr 29; vgl bereits Senatsbeschluss vom 25.10.2016 - B 10 ÜG 23/16 B - Juris RdNr 6). Aus welchem Grund die von der Klägerin formulierte Frage noch oder bereits erneut klärungsbedürftig sein solle, zeigt sie nicht substantiiert auf.
2. Die Klägerin hat auch eine Divergenz iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG nicht dargetan. Zur formgerechten Bezeichnung einer Rechtsprechungsabweichung ist es gemäß § 160a Abs 2 S 3 iVm § 160 Abs 2 Nr 2 SGG erforderlich, in der Beschwerdebegründung entscheidungstragende Rechtssätze aus dem Urteil der Vorinstanz sowie aus einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG einander gegenüberzustellen; zudem ist näher zu begründen, weshalb diese nicht miteinander vereinbar sind und inwiefern die Entscheidung des LSG auf der Abweichung beruht (stRspr, vgl zB BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 17).
Diese Darlegungsanforderungen erfüllt die Klägerin nicht. Sie hat bereits keinen abstrakten Rechtssatz aus der angefochtenen Entscheidung des Entschädigungsgerichts benannt und diesem einen abstrakten Rechtssatz aus einer Entscheidung des BSG oder eines der anderen oben genannten Gerichte gegenübergestellt. Die von der Klägerin behauptete Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung - aufgrund der (vermeintlichen) Nichtbeachtung von höchstrichterlicher Rechtsprechung oder fehlerhaften Anwendung dortiger Maßstäbe (hier des Prüfungsschemas des BSG zur Überprüfung der unangemessenen Dauer eines Gerichtsverfahrens ≪Senatsurteil vom 3.9.2014 - B 10 ÜG 2/13 R - BSGE 117, 21 = SozR 4-1720 § 198 Nr 3, RdNr 23 ff≫) - reicht nicht für die Zulassung der Revision wegen Divergenz (vgl stRspr, zB BSG Beschluss vom 31.7.2007 - B 13 R 204/07 B - Juris RdNr 10).
3. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel im Sinne von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen für die Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
Sofern die Klägerin rügt, das Entschädigungsgericht hätte den Sachverhalt weiter aufklären müssen, und damit eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) gelten machen will, erfüllt ihr Vortrag die Darlegungsanforderungen an eine Sachaufklärungsrüge bereits im Ansatz nicht. Sie bezeichnet schon keinen Beweisantrag, den sie bis zuletzt aufrechterhalten hat. Eine Verletzung des § 103 SGG kann aber gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG von vornherein nur dann gerügt werden, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht (zu den weiteren Darlegungsanforderungen an eine Sachaufklärungsrüge s Beschluss vom 21.12.2017 - B 9 SB 70/17 B - Juris RdNr 3).
Schließlich hat die Klägerin auch einen Gehörsverstoß (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG) nicht hinreichend dargetan. Sofern sie eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör darin sieht, dass das Entschädigungsgericht ihren Vortrag zur verzögerungsrechtlichen Relevanz des PKH-Verfahrens "nicht gewürdigt" habe, reicht ihr diesbezügliches Vorbringen für den geltend gemachten Verfahrensverstoß nicht aus. Denn der Anspruch auf rechtliches Gehör gewährleistet nur, dass die Klägerin mit ihrem Vortrag "gehört", nicht jedoch "erhört" wird. Die Gerichte werden durch Art 103 Abs 1 GG nicht dazu verpflichtet, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen (BSG Beschluss vom 18.12.2012 - B 13 R 305/11 B - Juris RdNr 8 mwN).
Sofern die Klägerin meint, dass angefochtene Urteil des Entschädigungsgerichts sei nicht bzw nicht ausreichend begründet und damit möglicherweise einen Verstoß gegen § 136 Abs 1 Nr 6 SGG bzw § 202 S 1 SGG iVm § 547 Nr 6 ZPO rügen will, hat sie einen solchen Verfahrensmangel nicht ansatzweise dargetan. Die Klägerin setzt sich nicht damit auseinander, dass einem Urteil Entscheidungsgründe nicht schon dann fehlen, wenn die angeführten Gründe aus Sicht der Klägerin vermeintlich sachlich unvollständig, unzureichend, unrichtig oder sonst rechtsfehlerhaft sind. Nicht mit Entscheidungsgründen versehen ist ein Urteil erst dann, wenn die angeführten Gründe objektiv unverständlich oder verworren sind oder nur nichtssagende Redensarten enthalten oder zu einer von einem Beteiligten aufgeworfenen, eingehend begründeten und - nach der Auffassung des Gerichts - für die Entscheidung erheblichen Rechtsfrage nur ausgeführt wird, dass die Auffassung nicht zutreffe (vgl stRspr, zB BSG Beschluss vom 19.12.2017 - B 1 KR 17/17 B - Juris RdNr 13 mwN). Dies legt die Klägerin nicht dar. Sie greift mit dieser Rüge im Kern nicht das Fehlen von Entscheidungsgründen an, sondern die Überzeugungskraft der rechtlichen Ausführungen des Entschädigungsgerichts und damit die Richtigkeit der Entscheidung. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf seine sachliche "Richtigkeit" ist aber - wie bereits ausgeführt - nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
4. Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
5. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO.
6. Die Streitwertentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 47 Abs 1 S 1 und Abs 3, § 52 Abs 3 S 1 GKG. Der Streitwert entspricht der von der Klägerin beim Entschädigungsgericht geltend gemachten Entschädigungsforderung.
Fundstellen
Dokument-Index HI12151509 |