Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 8. Juni 2017 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1314,22 Euro festgesetzt.
Gründe
I
Die Klägerin, Trägerin eines für die Behandlung Versicherter zugelassenen Krankenhauses, behandelte den bei der beklagten Krankenkasse versicherten B. F. (im Folgenden: Versicherter) vollstationär in der Zeit vom 26.4. bis zum 8.5.2013. Sie kodierte ua die Prozeduren nach OPS 5-794.4f (Offene Reposition einer Mehrfragment-Fraktur im Gelenkbereich eines langen Röhrenknochens, durch dynamische Kompressionsschraube: Femur proximal) und OPS 5-794.2f (Offene Reposition einer Mehrfragment-Fraktur im Gelenkbereich eines langen Röhrenknochens, durch Platte: Femur proximal) nach dem 2013 geltenden OPS und berechnete hierfür ausgehend von der Fallpauschale (Diagnosis Related Group 2013 ≪DRG≫) I08E (Andere Eingriffe an Hüftgelenk und Femur mit komplexem Eingriff oder äußerst schweren CC, ohne Osteotomie oder Muskel- / Gelenkplastik, oder ohne kompl. Eingr., ohne äuß. schw. CC, mit Osteotomie oder Muskel- / Gelenkplastik, oh. best. Beckenrepositionen) 6419,49 Euro (Rechnung vom 15.5.2013). Die Beklagte zahlte den Rechnungsbetrag zunächst, rechnete jedoch später in Höhe von 1314,22 Euro gegen einen unstreitigen Vergütungsanspruch wegen der Behandlung einer anderen Versicherten auf: Die offene Reposition einer subtrochantären Mehrfragment-Fraktur sei bereits durch OPS 5-794.4f abgebildet. Das zusätzliche Osteosyntheseverfahren durch Implantation der Abstützplatte sei durch den Zusatzkode OPS 5-786.2 zu kodieren; die Kodierung einer zweiten offenen Reposition sei nicht zulässig. Zu vergüten sei daher DRG I08F (Andere Eingriffe an Hüftgelenk und Femur ohne komplexen Mehrfacheingriff, ohne sehr komplexe Diagnosen, ohne komplexen Eingriff, ohne äußerst schwere CC, ohne Osteotomie oder Muskel- / Gelenkplastik). Das SG hat die Beklagte zur Zahlung des restlichen Rechnungsbetrags von 1314,22 Euro nebst Zinsen verurteilt (Gerichtsbescheid vom 5.11.2015). Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen: Die Klägerin dürfe OPS 5-794.2f und OPS 5-794.4f zugleich kodieren, sodass die DRG I08E angesteuert werde. Nach den Hinweisen zu den OPS-Kodes 5-79 (Reposition von Frakturen und Luxationen) sei die Durchführung einer zweiten Osteosynthese gesondert zu kodieren (Urteil vom 8.6.2017).
Die Beklagte wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.
II
Die Beschwerde der Beklagten ist unbegründet. Die grundsätzliche Bedeutung der von der Klägerin gestellten Rechtsfrage (Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) liegt nicht vor.
1. Die Beschwerde, mit der die Klägerin allein die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) ist zulässig. Ihr Vortrag genügt noch den Anforderungen an die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung. Die Beschwerde ist aber nicht begründet. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Hieran fehlt es.
Die Beklagte formuliert als Rechtsfragen:
"1. Sind mehrere OPS-Kodes, von denen jeder einzelne sowohl die Reposition einer Fraktur als auch ein verwendetes Osteosyntheseverfahren abbildet, auch dann nebeneinander zu verwenden, wenn tatsächlich nur eine Reposition durchgeführt und die Fraktur mit verschiedenen Osteosyntheseverfahren versorgt wurde? Darf also ein OPS-Kode verschlüsselt werden, der nicht erbracht wurde? Darf bei Verneinen einer Abrechnungsmöglichkeit über einen OPS anstatt dessen ein ungeeigneter OPS verwendet werden, der die Subsumtion des Sachverhalts noch weniger trifft? Es gibt hierzu anderslautende Entscheidungen in der Sozialgerichtsbarkeit.
2. Führen Exklusiva bei Prozeduren (OPS) im Gegensatz zu Diagnosen (ICD) generell zu einem Ausschluss bzw. führen Exklusiva sowohl bei Prozeduren als auch bei Diagnosen generell zu einem Ausschluss? Sind Ausschlussbemerkungen vorrangig gegenüber Zusatzkodes zu verwenden?"
Die aufgeworfenen Rechtsfragen haben keine grundsätzliche Bedeutung; sie bedürfen keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Das Bedürfnis für die Klärung einer Rechtsfrage in einem Revisionsverfahren fehlt, wenn das BSG die Rechtsfrage zwar nicht unter den dort aufgeworfenen Aspekten ausdrücklich behandelt hat, aber deren Beantwortung einerseits nach der klaren Rechtslage nicht ernsthaft in Zweifel steht (vgl auch BSG Beschluss vom 16.4.2012 - B 1 KR 25/11 B - Juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 19.12.2017 - B 1 KR 17/17 B - Juris RdNr 6) und verbleibende Restzweifel andererseits aufgrund der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rspr im Ergebnis jedenfalls bereits ausgeräumt sind, sodass eine weitere Klärung oder Fortentwicklung des Rechts nicht mehr zu erwarten ist (vgl BSG Beschluss vom 28.3.2017 - B 1 KR 66/16 B - Juris RdNr 7). So liegt der Fall hier. Es steht außer Zweifel, dass bei der Reposition einer Fraktur durch Materialkombinationen, dh die Verwendung mehrerer Osteosynthesematerialien, seit der Version 2010 des OPS die den verwendeten Osteosyntheseverfahren zugeordneten Prozeduren aus dem OPS-Abschnitt 5-79 im Kapitel 5 "Operationen" nebeneinander zu kodieren sind. Die Klägerin durfte OPS 5-794.4f und OPS 5-794.2f kodieren. Die Kodierung eines Zusatzkodes aus dem Abschnitt 5-786 kommt bei der Osteosynthese einer Fraktur hingegen nicht in Betracht.
Nach der Rspr des erkennenden Senats (BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 27; BSG SozR 4-2500 § 301 Nr 1 RdNr 14; BSG SozR 4-5562 § 9 Nr 4 RdNr 13; zur Auslegung von medizinischen Begriffen im OPS vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 32 RdNr 12 ff; stRspr) sind die Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) und die FPV-Abrechnungsbestimmungen (zur normativen Wirkung der Fallpauschalenvereinbarung ≪FPV≫ und der DKR BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 17) einschließlich des ICD-10-GM und des OPS wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestands innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems stets eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht.
Nach diesen Auslegungsmaßstäben wirft die Beantwortung der von der Klägerin gestellten Rechtsfragen keine ernsthaften, noch in einem Revisionsverfahren zu klärenden Zweifel auf. Der Wortlaut gibt die mehrfache Kodierung von Prozeduren aus dem OPS-Abschnitt 5-79 vor, wie das LSG überzeugend ausgeführt hat. Die Hinweise zum OPS 5-79 bestimmen ausdrücklich, dass "die Durchführung einer zweiten Osteosynthese, z.B. bei einer Zwei-Etagen-Fraktur, (…) gesondert zu kodieren" ist. Auch der Hinweis - etwa zu OPS 5-794.8 - sieht vor, dass "bei Kombinationen von Osteosynthesematerialien während eines Eingriffs alle Komponenten einzeln zu kodieren" sind. Der Begriff "Komponente" bezieht sich erkennbar nicht auf das Verhältnis zwischen einer Reposition und dem verwendeten Osteosynthesematerial, sondern auf das Verhältnis mehrerer verwendeter Osteosynthesematerialien. Er steht einer mehrfachen Kodierung von Prozeduren aus dem OPS-Abschnitt 5-79 nicht entgegen. Eine andere Kodierung als OPS 5-794.2f neben OPS 5-794.4f ist ausgeschlossen. Der OPS-Abschnitt 5-79 sieht eine isolierte Kodierung einzelner Komponenten von Osteosynthesematerial für das GKV-System nicht vor. Die zwingende Ausschlussregelung bei den OPS-Kodes 5-786 verbietet nach ihrem klaren Wortlaut strikt, die Zusatzkodes bei der "Osteosynthese einer Fraktur (5-79 ff.)" zu kodieren. Wollte man keine mehrfache Kodierung von Prozeduren aus dem OPS-Abschnitt 5-79 zulassen, liefe die ausdrückliche Zulassung der Kodierung aller Komponenten bei Kombinationen von Osteosynthesematerialien leer. Der Grundsatz der monokausalen Kodierung (vgl zB P003 der DKR 2013) tritt zurück, da die Hinweise zum OPS 5-79 - wie dargelegt - eine ausdrückliche, in den DKR nicht abbedungene Regelung zur mehrfachen Kodierung enthalten.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO, diejenige über den Streitwert auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG.
Fundstellen
Dokument-Index HI11903115 |