Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 29. November 2022 wird als unzulässig verworfen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
In der Hauptsache begehrt der Kläger die Anerkennung der Berufskrankheiten Nr 4301 und Nr 4302 der Anl 1 zur Berufskrankheiten - Verordnung.
Die Beklagte hat die Anerkennung abgelehnt, weil die Ermittlungen des Präventionsdienstes Einwirkungen durch chemisch-irritative oder toxische Stoffe am Arbeitsplatz nicht bestätigt hätten. Das SG hat die Klage abgewiesen, weil nach arbeitsmedizinischer Begutachtung eine obstruktive Atemwegserkrankung nicht festzustellen sei (Urteil vom 3.11.2020). Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen, nachdem das im Berufungsverfahren auf Antrag des Klägers eingeholte pneumologische Gutachten zu dem Ergebnis kam, eine chronisch-obstruktive Atemwegserkrankung sei nicht zu sichern (Urteil vom 29.11.2022).
Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG und macht Verfahrensmängel geltend.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels nicht ordnungsgemäß bezeichnet worden ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels zunächst die diesen vermeintlich begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Diese Anforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung des Klägers nicht.
1. Der Kläger macht geltend, das LSG habe seinem Antrag auf ergänzende Ermittlungen nachkommen müssen und wenigstens die eingeholten Gutachten durch Vernehmung der Gutachter in der mündlichen Verhandlung hinterfragen müssen. Damit rügt er sinngemäß eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 118 SGG iVm § 411 Abs 3 ZPO, § 103 SGG). Sein Vortrag hierzu erfüllt indes nicht die Darlegungsanforderungen. Die Ladung des Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung seines Gutachtens steht ebenso wie die Anordnung zur schriftlichen Erläuterung oder Ergänzung im Ermessen des Gerichts (§ 411 Abs 3 Satz 1 und 2 ZPO). Der Ermessensfreiraum verdichtet sich nur dann zu einer Verpflichtung des Gerichts zur Ladung des gerichtlichen Sachverständigen oder zur Anordnung einer schriftlichen Ergänzung, wenn noch Ermittlungsbedarf besteht, dh wenn sich das Gericht hätte gedrängt fühlen müssen, hinsichtlich der vom Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten behandelten Beweisthemen noch weitere Sachaufklärung zu betreiben (vgl BSG Beschluss vom 18.6.2018 - B 9 V 1/18 B - juris RdNr 16 mwN; BSG Urteil vom 12.4.2000 - B 9 SB 2/99 R - juris RdNr 15 mwN). Die Beschwerdebegründung trägt indes nichts dazu vor, aus welchen Gründen diesbezüglich noch Fragen offengeblieben sein könnten, warum sich also das LSG von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt zu einer Befragung hätte gedrängt fühlen müssen und daher von einer Befragung nur noch ermessenswidrig habe absehen können. Nicht maßgeblich ist, ob der Kläger aus seiner Sicht weiteren Aufklärungsbedarf annimmt. Auf einen übergangenen weiteren Antrag nach § 109 SGG kann er sich im Übrigen ebenso wenig stützen wie auf Mängel der Beweiswürdigung (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG).
2. Die Beschwerdebegründung zeigt auch nicht auf, dass das LSG das rechtliche Gehör des Klägers dadurch verletzt hat (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG), dass es einem Antrag auf Vernehmung der Gutachter in der mündlichen Verhandlung nicht gefolgt ist. Verfahrensbeteiligte haben grundsätzlich das Recht, einem Sachverständigen, der ein Gutachten erstattet hat, diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die sie zur Aufklärung der Sache für dienlich erachten (§ 116 Satz 2, § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 397, 402, 411 Abs 4 ZPO). Dies gilt grundsätzlich für solche Gutachten, die im selben Rechtszug erstattet worden sind (stRspr; zB BSG Beschluss vom 4.5.2022 - B 9 V 30/21 B - juris RdNr 12), und zwar auch dann, wenn der Sachverständige ein Gutachten auf Antrag eines Beteiligten gemäß § 109 SGG erstellt hat.
Das Fragerecht soll dem Antragsteller erlauben, im Rahmen des Beweisthemas aus seiner Sicht unverständliche, unvollständige oder widersprüchliche Ausführungen eines Sachverständigen zu hinterfragen, um auf das Verfahren Einfluss nehmen und die Grundlagen der gerichtlichen Entscheidung verstehen zu können. Es ist Ausfluss des rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) und besteht unabhängig von dem - zuvor dargestellten - pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, bei einem erläuterungsbedürftigen schriftlichen Gutachten nach § 411 Abs 3 ZPO das Erscheinen des Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens oder eine schriftliche Erläuterung oder Ergänzung anzuordnen. Insofern steht beim Fragerecht nach § 116 Satz 2 SGG ein anderes Ziel im Vordergrund als bei der Rückfrage an den Sachverständigen nach § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 411 Abs 3 ZPO, die in erster Linie der Sachaufklärung (§ 103 SGG) dient (BSG Beschluss vom 27.11.2007 - B 5a/5 R 60/07 B - SozR 4-1500 § 116 Nr 1 RdNr 11 mwN). Um die Verletzung des Fragerechts ordnungsgemäß zu rügen, muss ein Beteiligter darlegen, dass er die nach seiner Ansicht erläuterungsbedürftigen Punkte dem Gericht rechtzeitig (§ 411 Abs 4 ZPO) schriftlich mitgeteilt hat, dass die aufgeworfenen Fragen objektiv sachdienlich sind und dass er das Begehren bis zuletzt aufrechterhalten hat. Die erläuterungsbedürftigen Punkte, zB Lücken oder Widersprüche, müssen hinreichend konkret bezeichnet werden (stRspr; zB BSG Beschluss vom 14.12.2022 - B 2 U 1/22 B - juris RdNr 10 mwN). Die Beschwerdebegründung lässt schon nicht erkennen, welche konkreten Fragen an welchen Gutachter der Kläger bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung aufrechterhalten hat.
3. Sollte der Kläger sinngemäß zudem eine Verletzung des § 192 SGG rügen, bezeichnet er damit keinen Verfahrensmangel, der mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht werden kann, sondern die Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung in der Sache. Hierauf kann ausweislich der in § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG abschließend aufgeführten Revisionszulassungsgründe eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden (vgl BSG Beschluss vom 10.1.2018 - B 5 R 301/17 B - juris RdNr 21; BSG SozR Nr 2 zu § 192 SGG; BSG Beschluss vom 23.10.2003 - B 11 AL 199/03 B - juris).
4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
5. Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI15825264 |