Verfahrensgang
SG Nordhausen (Entscheidung vom 20.07.2022; Aktenzeichen S 6 KR 519/21) |
Thüringer LSG (Urteil vom 14.12.2023; Aktenzeichen L 2 KR 690/22) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 14. Dezember 2023 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten über die Beitragspflicht auf eine Kapitalleistung aus einer Direktversicherung ab dem 1.1.2020.
Die Klägerin war bis 31.1.2020 als Bezieherin von Arbeitslosengeld und vom 1.2.2020 bis zum 10.6.2020 als Arbeitnehmerin sowie ab 11.6.2020 als Bezieherin einer Rente der gesetzlichen Rentenversicherung bei der beklagten Krankenkasse in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und bei der beklagten Pflegekasse in der sozialen Pflegeversicherung (sPV) pflichtversichert. Im Vorgriff auf den später nicht zustande gekommenen Arbeitsvertrag schloss ihr mit einem Notariat selbstständig tätiger Ehemann als Arbeitgeber und Versicherungsnehmer für sie als versicherte Person und Arbeitnehmerin eine "Kapitalversicherung mit Überschussbeteiligung im Rahmen einer betrieblichen Direktversicherung" ab. Ihr Ehemann zahlte die Beiträge aus einem seiner Betriebskonten, das er auch privat nutzte. Er blieb Versicherungsnehmer.
Am 1.12.2019 zahlte die Versicherung der Klägerin eine Kapitalleistung von 41 869,22 Euro aus. Die Beklagten setzten auf 1/120tel dieses Betrags Beiträge zur GKV unter Berücksichtigung des gesetzlichen Freibetrags und zur sPV ab 1.1.2020 fest(Bescheide vom 19.12.2019, 28.1.2020, 13.2.2020, 2.10.2020, Überprüfungsbescheid vom 10.12.2020, Bescheid vom 12.1.2021, Widerspruchsbescheid vom 23.3.2021) . Betreffend die "nachgehenden Beitragsmahnungs- und Forderungsbescheide ab Januar 2020" hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem SG ein von der Klägerin angenommenes Anerkenntnis dahingehend abgegeben, diese "im Falle einer gerichtlichen Abänderung der [angefochtenen] Bescheide entsprechend abzuändern".
Klage(SG-Urteil vom 20.7.2022) und Berufung sind erfolglos geblieben. Beim LSG hat die Klägerin auf Hinweis des Vorsitzenden die Feststellung beantragt, dass ab 1.1.2020 keine Beiträge zur GKV und sPV auf die Kapitalleistung der Versicherung zu leisten seien. Das LSG hat die geänderte Klage für zulässig aber unbegründet gehalten, weil die Klägerin Beiträge zu entrichten habe. Die Voraussetzungen eines beitragspflichtigen Versorgungsbezugs nach § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5, Satz 3, § 232a Abs 3 bzw § 237 Satz 1 Nr 2 und Satz 4 SGB V seien erfüllt. Es sei typisierend von einem Zusammenhang mit dem Erwerbsleben auszugehen, wenn eine Versicherung institutionell den Versorgungsbezügen zuzurechnen sei. Das sei etwa bei Bezügen einer bestimmten Institution oder aus vergleichbaren Sicherungssystemen der Fall. Für die hier abgeschlossene Direktversicherung stehe ausschließlich der Durchführungsweg der betrieblichen Altersversorgung zur Verfügung. Die Klägerin habe sich der hiermit verbundenen Vorteile bedient und müsse sich deshalb auch an den beitragsrechtlichen Folgen festhalten lassen(Urteil vom 14.12.2023) .
Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen(§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm§ 169 Satz 2 und 3 SGG ) . Die Klägerin hat die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache(§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) , der Divergenz(§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) und eines Verfahrensmangels(§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG ) nicht hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist(stRspr; vgl nurBSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17;BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6 mwN) . Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll(vglBSG Beschluss vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31 S 48;BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6 ) . Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Die Klägerin wirft die Frage auf,
"ob eine kapitalbildende Lebensversicherung als Rente der betrieblichen Altersvorsorge mit den entsprechenden Sach- und Rechtsfolgen einzuordnen ist, obgleich zu keinem Zeitpunkt ein Arbeitsverhältnis zwischen ihr und dem damals in Erwägung gezogenen Arbeitgeber geschlossen wurde und keinerlei Beiträge im Sinn einer betrieblichen Altersvorsorge in die Versicherung eingeflossen sind."
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin damit eine abstrakte Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts(§ 162 SGG ) mit höherrangigem Recht formuliert hat. Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann(BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - juris RdNr 11 mwN). Jedenfalls ist die Klärungsbedürftigkeit der formulierten Frage nicht hinreichend dargetan. Dazu ist in der Beschwerdebegründung darzulegen, inwieweit sich weder aus den gesetzlichen Bestimmungen noch aus der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG hinreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage ergeben. Auch wenn eine Rechtsfrage noch nicht ausdrücklich höchstrichterlich entschieden worden ist, so ist sie als geklärt anzusehen, wenn schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte auch zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben(vglBSG Beschluss vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17 sowieBSG Beschluss vom 31.3.1993 - 13 BJ 215/92 - SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6) .
Eine hinreichende Auseinandersetzung mit der umfangreichen Rechtsprechung des BSG zur Beitragspflicht auf Kapitalleistungen aus einer Direktversicherung auch bei späterer Gewerbeabmeldung des Arbeitgebers als Versicherungsnehmer und damit bei nicht (mehr) bestehendem Beschäftigungsverhältnis(BSG Urteil vom 26.2.2019 - B 12 KR 13/18 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 25; zuletztBSG Urteil vom 13.12.2022 - B 12 KR 10/20 R - juris RdNr 17 mwN, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) fehlt. Die Ausführungen der Klägerin zur grundsätzlichen Bedeutung beschränken sich auf Angaben zum Sachverhalt und die Rüge, das LSG habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass kein Arbeitsverhältnis zustande gekommen sei. Die Klägerin meint, die wesentliche Voraussetzung für die Direktversicherung, nämlich ein Arbeitsverhältnis, fehle. Die Behauptung, die Entscheidung des Berufungsgerichts sei inhaltlich unrichtig, kann jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen(vglBSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18) .
Selbst wenn die Ausführungen der Klägerin zur Divergenz und zum geltend gemachten Verfahrensmangel als weitere Begründung für die grundsätzliche Bedeutung herangezogen würden, legt die Beschwerde nicht hinreichend dar, inwiefern die aufgeworfene Frage nicht bereits anhand der von ihr selbst zitierten Entscheidung des BSG(Urteil vom 30.3.2011 - B 12 KR 16/10 R - BSGE 108, 63 = SozR 4-2500 § 229 Nr 12, RdNr 17, 19, 20) beantwortet werden kann. Dort hat der Senat ausgeführt, dass Renten aus Direktversicherungen zu den Versorgungsbezügen nach§ 229 Abs 1 Nr 5 SGB V gehörten und es für die Annahme einer Direktversicherung genüge, wenn eine Lebensversicherung auf das Leben des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber abgeschlossen werde und der Arbeitnehmer hinsichtlich der Leistung des Versicherers ganz oder teilweise bezugsberechtigt sei. Der hinreichende Zusammenhang zwischen dem Erwerb der Leistungen und der Berufstätigkeit des Arbeitnehmers sei typisierend bei einer für die betriebliche Altersversorgung typischen Direktversicherung gegeben. Ihr Zustandekommen setze gesetzlich nicht zwingend das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses zwischen Versicherungsnehmer und Versicherter voraus. Inwieweit sich die aufgeworfene Frage nicht anhand dieser Rechtsprechung beantworten lässt, geht aus der Beschwerdebegründung auch unter Berücksichtigung des vom Prozessbevollmächtigten lediglich zitierten Vortrags der vor dem BSG nicht postulationsfähigen(§ 73 Abs 4 SGG ) Klägerin nicht hinreichend deutlich hervor. Mit ihrem Hinweis, das BSG habe in der zitierten Entscheidung klargestellt, dass ein Arbeitsverhältnis vorliegen müsse, um eine Direktversicherung begründen zu können, wird nur die Subsumtion des hier vorliegenden Sachverhalts unter das Gesetz in der Auslegung des BSG durch das LSG beanstandet.
2. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat(vglBSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 undBSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN) .
Die Klägerin entnimmt der in Bezug genommenen Entscheidung des BSG vom 30.3.2011( B 12 KR 16/10 R , aaO)keinen abstrakten Rechtssatz, sondern leitet daraus einen Unterschied im Einzelfall ab. Zur Begründung einer behaupteten Divergenz sind aber von der Rechtsprechung der genannten Obergerichte abweichende abstrakte rechtliche Maßstäbe des LSG zu bezeichnen. Die Klägerin führt demgegenüber in der Beschwerdebegründung selbst aus, dass das LSG die in der Rechtsprechung des BSG entwickelten abstrakten Kriterien übernommen und geprüft habe, aber der zugrunde liegende Sachverhalt hier ein anderer sei. Hierdurch wird lediglich ein vermeintlicher Rechtsanwendungsfehler, nicht aber eine divergierende abstrakte Rechtsauffassung dargelegt.
3. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne(§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG ) , müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels(§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG ) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht.
Die Klägerin macht einen Verstoß gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs(Art 103 GG ,§§ 62 ,128 Abs 2 SGG ) geltend, indem sie behauptet, das LSG habe ihre Ausführungen im Schriftsatz vom 30.10.2023 nicht beachtet. Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet das Gericht nur dazu, die Darlegungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Prozessgericht muss jedoch nicht jedes Vorbringen der Beteiligten ausdrücklich bescheiden.Art 103 Abs 1 GG schützt auch nicht davor, dass ein Gericht die Rechtsansicht eines Beteiligten nicht teilt(vglBSG Beschluss vom 27.3.2014 - B 9 V 69/13 B - juris RdNr 15 mwN) . Daher muss eine Beschwerdebegründung "besondere Umstände" aufzeigen, aus denen sich klar ergibt, dass das Gericht seinen Pflichten nicht nachgekommen ist(vgl BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 25.3.2010 - 1 BvR 2446/09 - juris RdNr 11 mwN;BVerfG Urteil vom 8.7.1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205, 216 = juris RdNr 44). Besondere Umstände liegen etwa vor, wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags eines Beteiligten zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, nicht eingeht, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war(BSG Beschluss vom 14.3.2024 - B 7 AS 57/23 B - juris RdNr 5 ) . Soweit die Klägerin ausführt, das LSG habe nicht hinreichend beachtet, dass zwischen ihr und ihrem Ehemann zu keinem Zeitpunkt ein Arbeitsverhältnis bestanden habe und bei "einer entsprechenden Rechtsprechung enteignungsgleiche Regularien geschaffen würden", beanstandet sie, dass das LSG ihrer Rechtsansicht, das fehlende Arbeitsverhältnis sei für die Entscheidung relevant gewesen, nicht gefolgt sei. Sie legt aber nicht dar, dass es nach seiner materiellen Rechtsansicht diesen Vortrag als entscheidungserheblich hätte ansehen müssen oder das LSG die von ihr vorgetragenen Tatsachen nicht zur Kenntnis genommen hätte.
4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen(§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ) .
5. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des§ 193 SGG .
Fundstellen
Dokument-Index HI16612118 |