Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage
Orientierungssatz
Zur grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage, ob das Ausgasen giftiger Bestandteile aus Baustoffen in die Innenluft von Räumen als schädigungsunabhängiger Faktor aus einem nicht versicherten Bereich angesehen werden kann, wenn diese Baustoffe im Rahmen versicherter Tätigkeit beim Bau eines Einfamilienhauses (§ 539 Abs 1 Nr 14 RVO) eingebracht wurden, und Erkrankungen manifest werden lassen, aufrechterhalten oder befördern.
Normenkette
SGG § 160 Abs 2 Nr 1, § 160a Abs 2 S 3; RVO § 539 Abs 1 Nr 15
Verfahrensgang
Gründe
Der Kläger ist mit seinem Begehren, ihm wegen einer Berufskrankheit nach PCP- sowie Lindan-Intoxikation - zugezogen beim Ausbau eines Kellerraumes als Selbsthilfetätigkeit iS des § 539 Abs 1 Nr 15 der Reichsversicherungsordnung (RVO) - Verletztenrente zu gewähren, ohne Erfolg geblieben (Bescheid vom 21. Juli 1981; Urteile des Sozialgerichts Stuttgart vom 23. Februar 1983 und des Landessozialgerichts -LSG- Baden-Württemberg vom 16. März 1989). Das LSG ist aufgrund der Beweisaufnahme zu dem Ergebnis gelangt, daß der Kläger die in seinem Keller eingebauten Bretter erst nach im Freien erfolgter Imprägnierung mit Xyladecor in getrocknetem Zustand an den Wänden und der Decke des Kellerraums angebracht habe; insoweit habe beim Kläger in der Zeit von September bis Dezember 1970 im wesentlichen nur ein inhalativer Kontakt mit diesem Holzschutzmittel und den darin enthaltenen Substanzen über die Raumluft, nicht aber ein intensiver Hautkontakt bestanden. Aufgrund dieses Inhalationskontaktes mit diesen Substanzen über die Raumluft des Kellerraums bis Dezember 1970 sei es nicht zu einer chronischen Intoxikation gekommen.
Seine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision durch das LSG ist unzulässig. Die dazu gegebene Begründung entspricht nicht der in § 160 Abs 2 und § 160a Abs 2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) festgelegten gesetzlichen Form. Der Beschwerdeführer weist zwar auf Zulassungsgründe hin, die in § 160 Abs 2 SGG aufgeführt sind. Er macht geltend, die Sache habe grundsätzliche Bedeutung. Außerdem weiche das Urteil von Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) ab und beruhe auf Verfahrensfehlern. Damit sind aber die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht so bezeichnet, wie dies § 160a Abs 2 Satz 2 SGG verlangt. Nach der ständigen Rechtsprechung verlangt diese Vorschrift, daß die Zulassungsgründe schlüssig dargetan werden (BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 44; BSG SozR 1500 § 160a Nrn 34, 47, 54 und 58). Daran fehlt es der Beschwerde.
1. Nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. In der Beschwerdebegründung muß nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt werden. Grundsätzliche Bedeutung hat das angestrebte Revisionsverfahren nur, wenn der Rechtsstreit sich in seiner Bedeutung nicht in diesem Einzelfall erschöpft, sondern dazu dienen kann, die Rechtseinheit zu wahren oder die Entwicklung des Rechts zu fördern. Das ist dann der Fall, wenn die für grundsätzlich gehaltene Rechtsfrage klärungsbedürftig ist (Weyreuther, Revisionszulassung und Nichtzulassungsbeschwerde in der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte, 1971, S 29 mwN). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt, wenn die Beantwortung der vom Beschwerdeführer bezeichneten Rechtsfrage unmittelbar dem Gesetz zu entnehmen ist, also schon aus sich heraus klar ist und die Antwort außer Zweifel steht (BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 sowie Beschluß vom 21. Oktober 1988 - 2 BU 134/88 -). Das ist hier der Fall.
Der Beschwerdeführer hält es für grundsätzlich bedeutsam, ob "das Ausgasen giftiger Bestandteile aus Baustoffen in die Innenluft von Räumen als schädigungsunabhängiger Faktor aus einem nicht versicherten Bereich angesehen werden kann, wenn diese Baustoffe im Rahmen versicherter Tätigkeit beim Bau eines Einfamilienhauses (§ 539 Abs 1 Nr 14 RVO) eingebracht wurden, und Erkrankungen manifest werden lassen, aufrechterhalten oder befördern." Wie das angegriffene Urteil zu Recht ausgeführt hat, greift der Versicherungsschutz nach § 539 Abs 1 Nr 15 RVO nicht ein, wenn der Bauherr nach Beendigung der versicherten Tätigkeit beim Bewohnen oder Benutzen des Familienheimes schädigenden Einwirkungen ausgesetzt ist, mögen auch diese auf früher versicherte Baumaßnahmen, zB auf die vom Bauherren bei seinen Selbsthilfearbeiten verwendeten Baustoffe zurückgehen. Diese Rechtsfolge ist unmittelbar und unmißverständlich der Bestimmung in § 539 Abs 1 Nr 15 RVO zu entnehmen, wonach Versicherungsschutz nur bei Arbeiten am Bau selbst besteht (siehe BSGE 34, 82, 83 sowie Bereiter-Hahn/Schieke/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 539 RdNr 28).
2. Eine Abweichung iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ist nur dann aus
reichend begründet, wenn erklärt wird, mit welchem genau bestimmten, entscheidungserheblichen Rechtssatz das angegriffene Urteil von welcher genau bestimmten rechtlichen Aussage des BSG oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nrn 21, 29 und 54). Daran fehlt es der Beschwerde. Der Kläger meint zwar, das LSG sei mit dem angefochtenen Urteil von zwei Entscheidungen des BSG abgewichen. Einen tragenden, abweichenden Rechtssatz des angefochtenen Urteils hat er jedoch nicht aufgezeigt. Der Kläger hat vielmehr, ohne sich mit den Entscheidungsgründen des LSG näher auseinanderzusetzen (s S 21 ff des Urteils) lediglich vorgebracht, im angefochtenen Urteil sei die in der Entscheidung des BSG in SozR Nr 6 zu § 539 RVO näher dargelegte "Abwägung nicht erfolgt". Insoweit "dürfte" nach Auffassung des Klägers das Urteil des LSG auch von der Entscheidung des BSG in SozR 2200 § 762 Nr 2 = SGb 1981, 484 abweichen, in der ausgesprochen sei, daß der Verletzte der Gefahr, der er erlegen sei, infolge der versicherten Tätigkeit ausgesetzt gewesen sein müsse. Gerade dies ist aber nicht dargetan wie schon oben unter 1 aufgezeigt.
3. Der vom Kläger geltend gemachte Verfahrensmangel kann auf eine
Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. In der Beschwerdebegründung muß nach § 160 Abs 2 Satz 3 SGG der Verfahrensmangel bezeichnet werden. Im vorliegenden Fall fehlt es an der schlüssigen Darlegung dieses Zulassungsgrundes (siehe BSG SozR 1500 § 160a Nr 24), insbesondere an dem Vorhandensein eines entsprechenden Beweisantrags. Der Kläger hat zwar in seinem Schriftsatz vom 17. Oktober 1983 einen entsprechenden Antrag auf Anhörung von Dr. T als sachverständigen Zeugen zur Frage des Beschwerdebildes bei ihm - dem Kläger - und zur fraglichen Intoxikation gestellt. Das Gericht ist aber nach Einholung zahlreicher medizinischer Sachverständigengutachten und Beiziehung weiterer Auskünfte und ärztlicher Unterlagen diesem Antrag nicht gefolgt. Der Kläger hätte deshalb in der maßgebenden mündlichen Verhandlung am 16. März 1989 den Antrag auf Anhörung dieses Arztes zumindest hilfsweise zu dem Sachantrag stellen müssen. Ausweislich der Sitzungsniederschrift hat der Kläger diesen Beweisantrag nicht mehr zur Entscheidung gestellt, sondern neben dem Berufungsantrag nur die in seinem Schriftsatz vom 15. März 1989 unter Nrn 1, 3 und 4 beantragten Beweiserhebungen. Dazu hat der Senat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß es jedenfalls rechtskundig vertretenen Beteiligten obliegt, in der mündlichen Verhandlung alle diejenigen Anträge zur Niederschrift des Gerichts zu stellen, über die das Gericht entscheiden soll (vgl Beschlüsse des Senats vom 24. November 1988 - 2 BU 139/88 - und vom 9. Februar 1989 - 2 BU 203/88 - jeweils mwN). Es ist der Sinn der erneuten Antragstellung zum Schluß der mündlichen Verhandlung auch darzustellen, welche Anträge nach dem Ergebnis der für die Entscheidung maßgebenden mündlichen Verhandlung noch abschließend aufrechterhalten werden, mit denen sich das LSG dann im Urteil befassen muß.
4. Aus diesen Gründen ist die schließlich vom Kläger gerügte Verletzung
des rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 des Grundgesetzes, § 62 SGG) ebenfalls nicht hinreichend bezeichnet iS des § 160a Abs 2 Satz 2 SGG. Der Kläger und sein Prozeßbevollmächtigter waren in der maßgebenden mündlichen Verhandlung am 16. März 1989 anwesend. Der vom Kläger vor dem Termin schriftsätzlich gestellte Vertagungsantrag wurde ausweislich der Sitzungsniederschrift nicht mehr gestellt.
5. Die übrigen Rügen des Klägers betreffen eine nach seiner
Ansicht unzutreffende Verwertung und Würdigung der vorhandenen Beweismittel (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG). Auf diese Verfahrensrüge kann, wie bereits ausgeführt, die Beschwerde nicht gestützt werden (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG).
Die Beschwerde war daher als unzulässig zu verwerfen (§ 169 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen