Verfahrensgang
SG Berlin (Entscheidung vom 25.03.2021; Aktenzeichen S 72 KR 1658/16) |
LSG Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 25.09.2023; Aktenzeichen L 9 BA 22/21) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 25. September 2023 wird als unzulässig verworfen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 29 158,41 Euro festgesetzt.
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten um eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 29 158,41 Euro.
Die Klägerin betreibt in B eine Eventlocation für Veranstaltungen aller Art mit einer Größe von 150 bis zu 3500 Personen. Bis zum Jahr 2013 veranstaltete die Klägerin zudem samstags eine Partyreihe. In den Jahren 2009 bis 2012 waren die Beigeladenen zu 1. und 3. bis 5. (nachfolgend "die Beigeladenen") zeitweise für die Klägerin auf der Basis eines mündlichen Vertrags bei Partys oder Veranstaltungen als Barkeeper tätig.
Die Beklagte setzte aufgrund einer Betriebsprüfung bei der Klägerin nach Anhörung eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen und Umlagen nebst Säumniszuschlägen in Höhe von insgesamt 30 180,38 Euro fest, wovon 29 158,41 Euro auf die Feststellung entfielen, dass die Beigeladenen ihre Tätigkeit als Barkeeper, Tresen- und Servicekräfte bei der Klägerin im Rahmen von abhängigen Beschäftigungsverhältnissen ausgeübt hätten und daher Versicherungspflicht in den Zweigen der Sozialversicherung bestehe (Bescheid vom 12.1.2015, Widerspruchsbescheid vom 1.8.2016).
Das SG hat die Klage abgewiesen. Die Freiheit der Beigeladenen, einzelne "Aufträge" abzulehnen oder nicht anzunehmen, sei für die Statusbeurteilung ohne Bedeutung, da nur auf die Umstände nach Annahme des jeweiligen Auftrags abzustellen sei. Sie seien in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert und Weisungen unterworfen gewesen. Dem Umstand, dass Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaubsgeld nicht vereinbart gewesen sei, komme kein entscheidendes Gewicht zu. Das Bestehen weiterer typischer Merkmale einer selbständigen Tätigkeit sei nicht ersichtlich (Urteil vom 25.3.2021). Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen. Es hat auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung Bezug genommen (§ 153 Abs 2 SGG) und ergänzend ausgeführt, die Klägerin könne mit ihrem Vorbringen, dass das SG den Amtsermittlungsgrundsatz nach § 103 SGG verletzt habe, nicht durchdringen. Das SG habe in der mündlichen Verhandlung den Geschäftsführer der Klägerin sowie den Beigeladenen zu 1. zur Sache befragt und die ehemalige Beigeladene zu 2., die für die Gastroleitung der Klägerin zuständig gewesen sei, als Zeugin vernommen. Diese hätten übereinstimmende bzw nicht voneinander abweichende Angaben zum Sachverhalt gemacht. Auch habe die Klägerin keinen tauglichen Beweisantrag gestellt, sondern lediglich behauptet, die Beigeladenen zu 3. bis 5. seien anderer Auffassung hinsichtlich der rechtlichen Einordnung ihrer Tätigkeit. Das allein habe auch das LSG nicht zur Beweiserhebung veranlassen müssen (Beschluss vom 25.9.2023).
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des LSG.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung ist gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG in entsprechender Anwendung von § 169 Satz 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. In der Begründung des Rechtsmittels ist entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG der allein geltend gemachte Zulassungsgrund des Verfahrensfehlers nicht hinreichend bezeichnet.
1. Wird die Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen zur Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) die tatsächlichen Umstände, welche den geltend gemachten Verfahrensverstoß begründen sollen, substantiiert und schlüssig dargelegt und darüber hinaus muss aufgezeigt werden, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann (vgl B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 14. Aufl 2023, § 160a RdNr 16, 16c mwN). Dabei ist zu beachten, dass ein Verfahrensmangel nicht auf die Verletzung der §§ 109, 128 Abs 1 Satz 1 SGG gestützt werden kann und dass die Rüge einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 103 SGG nur statthaft ist, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 Teilsatz 2 SGG). Ein Verfahrensmangel ist ein Fehler des Gerichts im unmittelbar vorangegangenen Rechtszug. Soweit die Klägerin unten auf Seite 14 ihrer Begründung eine Verletzung ihres Rechts auf ein faires Verfahren und des rechtlichen Gehörs durch das SG rügt, fehlt es an Ausführungen dazu, inwiefern sich dieser angebliche Fehler auf das Verfahren vor dem LSG ausgewirkt haben soll.
Die Klägerin rügt einen Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 103 Satz 1 Halbsatz 1 SGG). Für eine solche Sachaufklärungsrüge bestehen spezifische Darlegungsanforderungen. Sie muss folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das Berufungsgericht nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zu weiterer Sachaufklärung drängen müssen, (3) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (4) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des Berufungsgerichts auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das Berufungsgericht mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigen Ergebnis hätte gelangen können (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 19.11.2007 - B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 5; BSG Beschluss vom 3.12.2012 - B 13 R 351/12 B - juris RdNr 6 mwN; BSG Beschluss vom 28.11.2019 - B 13 R 169/18 B - juris RdNr 4). Hierzu gehört nach ständiger Rechtsprechung des BSG die Darlegung, dass ein - wie die Klägerin - bereits in der Berufungsinstanz anwaltlich vertretener Beteiligter einen Beweisantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht nur gestellt, sondern auch zumindest hilfsweise aufrechterhalten hat (vgl BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN; BSG Beschluss vom 21.2.2018 - B 13 R 28/17 R, B 13 R 285/17 B - juris RdNr 14 mwN). Wird die Berufung - wie vorliegend - ohne mündliche Verhandlung durch einen Beschluss nach § 153 Abs 4 Satz 1 SGG zurückgewiesen, tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt des Zugangs der Anhörungsmitteilung nach § 153 Abs 4 Satz 2 SGG. Nach deren Zugang muss jedenfalls ein rechtskundig vertretener Beteiligter, der schriftsätzlich gestellte Beweisanträge aufrechterhalten oder neue Beweisanträge stellen will, dem LSG ausdrücklich die Aufrechterhaltung dieser Anträge mitteilen oder neue förmliche Beweisanträge stellen (vgl BSG Beschluss vom 9.3.2016 - B 1 KR 6/16 B - juris RdNr 4 f mwN; BSG Beschluss vom 7.2.2017 - B 13 R 389/16 B - juris RdNr 9). An einer entsprechenden Darlegung fehlt es in der Beschwerdebegründung.
Die Beschwerdebegründung gibt den Sachverhalt und die Rechtsauffassung der Klägerin wieder und enthält in diesem Zusammenhang zahlreiche Beweisangebote. Damit trägt die Klägerin schon nicht vor, gegenüber dem LSG Beweisanträge iS des § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 373, § 403 oder § 420 ZPO gestellt zu haben. Ein prozessordnungsgemäßer Beweisantrag muss sowohl das Beweismittel als auch das Beweisthema angeben und aufzeigen, über welche Tatsachen im Einzelnen Beweis erhoben werden soll (vgl zum Ganzen BSG Beschluss vom 19.11.2007 - B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 6; BSG Beschluss vom 18.12.2018 - B 12 R 37/18 B - juris RdNr 3). Unabhängig davon ist auch nicht hinreichend substantiiert dargetan, dass die Klägerin einen etwaigen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag nicht nur gestellt, sondern auch bis zuletzt anlässlich der Anhörung zur Entscheidung im Beschlusswege aufrechterhalten hätte. Die Klägerin führt lediglich aus, die Beweisanträge auf Vernehmung der weiteren "Streitverkündeten" seien ausdrücklich aufrechterhalten worden. Damit legt sie nicht hinreichend dar, um welche konkreten Beweisanträge es überhaupt geht und inwieweit diese prozessordnungsgemäß gestellt wurden. Zweifel, ob und inwieweit die Klägerin im Berufungsverfahren prozessordnungsgemäße Beweisanträge gestellt hat, entstehen zudem aus den weiteren Ausführungen der Klägerin. Danach hätte sie die Beweisanträge (erst) auf einen entsprechenden Hinweis des LSG dahingehend ergänzt, dass sämtliche Beigeladenen zur Frage der Höhe ihres Stundensatzes zu vernehmen gewesen seien und Herr K ergänzend zum Stundensatz der Angestellten und Minijobber (Mindestlohn) hätte angehört werden müssen. Unabhängig davon behauptet die Klägerin nicht, die Anhörungsmitteilung vom LSG nicht erhalten zu haben. Anders als erforderlich legt sie auch nicht dar, im Nachgang zur Anhörung dem LSG ausdrücklich die Aufrechterhaltung etwaiger Beweisanträge konkret mitgeteilt zu haben. Schließlich kann der Vorhalt, die Berufungsentscheidung sei inhaltlich unrichtig, nicht zur Revisionszulassung führen (stRspr; vgl BSG Beschluss vom 24.3.2021 - B 13 R 14/20 B - juris RdNr 13 mwN).
Die Beschränkung der Eröffnung der Revisionsinstanz durch die Rüge einer Verletzung der Aufklärungspflicht kann auch nicht dadurch umgangen werden, dass statt der Verletzung der Aufklärungspflicht eine Verletzung der Hinweispflicht (§ 106 SGG) gerügt wird, die darin liegen soll, dass das Gericht nicht die Stellung eines Beweisantrags angeregt hat (vgl BSG Beschluss vom 6.9.1989 - 9 BV 64/88 - SozR 1500 § 160 Nr 70, juris RdNr 3).
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2, § 162 Abs 3 VwGO.
5. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 Satz 1 und Abs 3 sowie § 63 Abs 2 Satz 1 GKG.
Fundstellen
Dokument-Index HI16708746 |