Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde. Verfahrensmangel. Begründungspflicht einer Entscheidung
Orientierungssatz
Wird die Zulassung der Revision gem § 160 Abs 2 Nr 3 SGG wegen eines Verfahrensmangels aufgrund einer unzureichenden Urteilsbegründung (Verletzung des § 136 Abs 1 Nr 6 SGG) begehrt, ist es nicht ausreichend, wenn ersichtlich nur ein Bruchteil der Begründung des LSG in der Beschwerdebegründung wiedergegeben und auf dieser Grundlage dann behauptet wird, dass die Begründung des LSG mangelhaft sei (zur erforderlichen Begründungsintensität vgl BSG vom 24.2.2010 - B 13 R 547/09 B = juris RdNr 10 und BSG vom 26.5.2011 - B 11 AL 145/10 B = juris RdNr 3).
Normenkette
SGG § 136 Abs. 1 Nr. 6, § 128 Abs. 1 S. 2, § 160 Abs. 2 Nr. 3, § 160a Abs. 2 S. 3
Verfahrensgang
LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 11.04.2012; Aktenzeichen L 6 R 374/09) |
SG Koblenz (Entscheidung vom 31.08.2009; Aktenzeichen S 17 R 391/08) |
Tenor
Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 11. April 2012 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt N. B. aus M. zu gewähren, wird abgelehnt.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im vorbezeichneten Urteil wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I. Das LSG Rheinland-Pfalz hat im Urteil vom 11.4.2012 einen Anspruch der im Oktober 1961 geborenen Klägerin auf Rente wegen Erwerbsminderung verneint. Ein Erlöschen ihres beruflichen Leistungsvermögens könne allenfalls ab dem 15.8.2011 angenommen werden, doch erfülle sie zu diesem Zeitpunkt die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung nicht mehr. Ihr habe im Zeitraum davor bei noch vollschichtigem Leistungsvermögen auch keine Verweisungstätigkeit benannt werden müssen, da weder eine schwere spezifische Leistungseinschränkung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vorgelegen habe.
Die Klägerin hat gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil beim BSG Beschwerde eingelegt und zugleich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten beantragt. Sie beruft sich ausschließlich darauf, dass das LSG seine Entscheidung nicht hinreichend begründet und somit § 136 Abs 1 Nr 6 SGG verletzt habe.
II. Der Antrag auf PKH ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 S 1 ZPO).
Denn die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Begründung vom 25.7.2012 genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, da der allein geltend gemachte Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels (hier: Verletzung des § 136 Abs 1 Nr 6 SGG) nicht ordnungsgemäß bezeichnet ist (§ 160a Abs 2 S 3 iVm § 160 Abs 2 Nr 3 SGG).
Wird die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels begehrt, so müssen in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde die tatsächlichen Umstände, aus denen sich eine Verletzung von Verfahrensvorschriften ergeben soll, substantiiert dargetan und es muss darüber hinaus dargestellt werden, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4, Nr 21 RdNr 4 - jeweils mwN; Krasney in Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX RdNr 202 ff). Das BSG muss sich allein anhand der Beschwerdebegründung ein Urteil darüber bilden können, ob ein die Revisionsinstanz eröffnender Verfahrensmangel in Betracht kommt (BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 4 S 4 mwN).
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Das Vorbringen der Klägerin wird den genannten Anforderungen nicht gerecht. Diese trägt vor, sie habe in mehreren Schriftsätzen im Berufungsverfahren darauf hingewiesen, dass die Feststellungen der in erster und zweiter Instanz gehörten Gutachter zu den bei ihr vorliegenden qualitativen Leistungseinschränkungen Zweifel an ihrer Einsatzfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aufgrund einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen begründen würden. Zudem habe sie ausgeführt, dass die Leistungseinschränkungen im Bereich Sehvermögen, Handbeweglichkeit und Witterungseinflüsse nicht dem Leistungsprofil einer körperlich leichten Arbeit entsprächen. Das LSG habe diesbezüglich "auf Seite 16, Absatz 3 u. 4 des Urteils" jedoch lediglich Folgendes ausgeführt: |
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"(…) |
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Bei der Klägerin lag seinerzeit weder eine schwere spezifische Leistungseinschränkung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor. |
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(…) |
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Das Zusammentreffen von Leistungseinschränkungen auf dem orthopädischen Fachgebiet und Leistungseinschränkungen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet bedingt für sich genommen noch nicht eine atypische Summierung von Leistungseinschränkungen, die die Benennung einer Verweisungstätigkeit erfordern würde. |
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(…)" |
Der Aussagegehalt der "zitierten Begründung" beschränke sich darauf, dass ihre Rechtsauffassung schlicht für nicht zutreffend erachtet werde; es fehle daher eine inhaltliche Auseinandersetzung mit ihrem Vorbringen, obwohl es entscheidungserheblich gewesen sei. Zudem seien diese Ausführungen nicht nachvollziehbar, verworren und unverständlich und deshalb nicht geeignet, den Tenor des Urteils zu tragen.
Mit diesem Vortrag hat die Klägerin einen Verstoß des LSG gegen die Verpflichtung, im Urteil die Entscheidungsgründe und damit diejenigen Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugungsbildung leitend gewesen sind (§ 136 Abs 1 Nr 6 iVm § 128 Abs 1 S 2 SGG), nicht in einer Weise aufgezeigt, die es dem Senat ermöglichen würde, allein auf der Grundlage dieses Vorbringens zu beurteilen, ob der geltend gemachte Verfahrensmangel in Betracht kommt. Denn die Klägerin trägt einerseits vor, das LSG habe sich in zwei ganzen Absätzen auf S 16 seines Urteils mit dem von ihr thematisierten Rechtsproblem befasst. Andererseits gibt sie davon lediglich zwei (Ober-)Sätze wieder und macht durch Auslassungszeichen kenntlich, dass das LSG hierzu noch weitere Ausführungen gemacht hat. Der Vorwurf einer unzureichenden Begründung (zur erforderlichen Begründungsintensität s zB Senatsbeschluss vom 24.2.2010 - B 13 R 547/09 B - Juris RdNr 10; BSG vom 26.5.2011 - B 11 AL 145/10 B - Juris RdNr 3) ist aber von vornherein nicht schlüssig dargetan, wenn ersichtlich nur ein Bruchteil der Begründung des LSG wiedergegeben und auf dieser Grundlage dann behauptet wird, dass diese Begründung mangelhaft sei.
Nichts anderes ergibt sich aus der von der Klägerin angeführten Senatsentscheidung vom 19.8.1997 (BSGE 81, 15, 19 = SozR 3-2200 § 1247 Nr 23 S 70). Diese betrifft die Anforderungen an ausreichende Tatsachenfeststellungen der Vorinstanz zur Frage des Vorliegens einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen im Rahmen eines Revisionsverfahrens. Hier geht es jedoch zunächst lediglich darum, ob die Revision aufgrund eines Verfahrensmangels des LSG zuzulassen ist. Dass dies aufgrund der Umstände des vorliegenden Falles in Betracht kommt, hat die Klägerin nicht in einer den Anforderungen des § 160a Abs 2 S 3 SGG entsprechenden Weise schlüssig aufgezeigt.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Aufgrund der Ablehnung des Antrags auf PKH entfällt auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen