Tenor
Die Fallgruppen, bei denen das Bundessozialgericht bisher die erhebliche Gefahr einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes angenommen hat, sind nicht mit Rücksicht auf ältere arbeitslose ungelernte Versicherte oder ältere arbeitslose angelernte Versicherte des unteren Bereichs zu erweitern, die vollschichtig nur noch körperlich leichte Arbeiten mit weiteren Einschränkungen verrichten können.
Für die Beurteilung der Erwerbsunfähigkeit ist die konkrete Benennung von Verweisungstätigkeiten auch dann nicht erforderlich, wenn die Versicherte körperlich leichte Tätigkeiten vollschichtig nur mit weiteren Einschränkungen verrichten kann; die konkrete Bezeichnung von Verweisungstätigkeiten ist erforderlich, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt. Gleiches gilt für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit Versicherter der Gruppe mit dem Leitbild der angelernten Arbeiterin im unteren Bereich und der Gruppe mit dem Leitbild der ungelernten Arbeiterin.
Tatbestand
I
Die 1936 geborene Klägerin des Ausgangsverfahrens ist jugoslawische Staatsangehörige; sie wohnt in Serbien. Sie hat keinen Beruf erlernt. In ihrer Heimat hat sie Versicherungszeiten zwischen Juni 1951 und Januar 1970 zurückgelegt, außerdem von April 1983 bis Juni 1987 freiwillige Beiträge wegen Arbeitslosigkeit zur jugoslawischen Sozialversicherung entrichtet. In Deutschland war sie zwischen März 1972 und Juni 1981 als Arbeiterin versicherungspflichtig beschäftigt, zuletzt auf einem Schlachthof; bei dieser Tätigkeit handelte es sich nach der Arbeitgeberauskunft um eine Anlerntätigkeit mit einer Einarbeitungszeit von drei bis vier Monaten.
Im April 1987 beantragte die Klägerin Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit. Diesen Antrag lehnte die Beklagte ab, weil weder Berufsunfähigkeit (BU) noch Erwerbsunfähigkeit (EU) vorliege. Die Klage auf Rente wegen EU, hilfsweise auf Rente wegen BU, hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg.
Das Landessozialgericht (LSG) hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Die am 14. Mai 1992 eingelegte Berufung sei zulässig, insbesondere fristgerecht; die Klägerin habe glaubhaft gemacht, das erstinstanzliche Urteil erst am 18. Februar 1992 erhalten zu haben. Das Rechtsmittel sei aber unbegründet. Unter Berücksichtigung der ärztlichen Befunde sei die Klägerin nicht berufsunfähig und damit auch nicht erwerbsunfähig. Sie leide an einigen noch nicht allzu ausgeprägten Gesundheitsstörungen. Die von ihr in den Vordergrund gestellten Wirbelsäulen- und Sprunggelenksbeschwerden ließen sich nur zum Teil objektivieren. Lediglich im Bereich der Halswirbelsäule seien geringe degenerative Veränderungen festzustellen. Im Bereich der Lendenwirbelsäule hingegen sei die Beweglichkeit ebenso wie im linken Schultergelenk nur geringgradig eingeschränkt. Im Bereich des linken Sprunggelenks bestehe ein Schmerzsyndrom mit Bewegungseinschränkungen und geringer Weichteilschwellung. Der arterielle Bluthochdruck habe noch keine größeren Auswirkungen auf Herz und Kreislauf zur Folge, jedoch seien hierdurch die von der Klägerin angegebenen Schwindelattacken zu erklären. Die rezidivierenden Zwölffingerdarmgeschwüre könnten zeitweilige Arbeitsunfähigkeit bedingen, hätten aber keine weiteren Auswirkungen auf das Leistungsvermögen. Auf psychischem Gebiet leide die Klägerin an einem psychasthenischen Syndrom mit allenfalls subdepressiver Auslenkung der Stimmungslage und nicht wesentlich eingeschränkter affektiver Ausdrucksfülle. Bei den Angstzuständen mit vegetativen Begleiterscheinungen, wie Schweißneigung und Luftnot von ca einer Minute, handele es sich um Panikattacken, die durch medikamentöse Behandlung wesentlich gebessert werden könnten. Eine wesentliche Einschränkung der Erwerbsfähigkeit werde hierdurch nicht bedingt. In Anbetracht ihrer Gesundheitsstörungen dürfe die Klägerin keine körperlich schweren oder mittelschweren Tätigkeiten mit Zwangshaltung und Heben und Tragen von Lasten mehr ausüben. Insbesondere sei eine Überlastung und Dauerbelastung des linken Beines zu vermeiden. Tätigkeiten, die ausschließlich im Gehen oder Stehen ausgeübt würden, schieden ebenfalls aus. Auch Arbeiten unter Zeitdruck und Akkordarbeit seien nicht mehr möglich. Wegen der Schwindelattacken seien Tätigkeiten mit Absturzgefahr (zB Arbeiten auf Leitern und Gerüsten) zu vermeiden. Unter Beachtung dieser Einschränkungen sei die Klägerin aber noch in der Lage, leichte körperliche Arbeiten vollschichtig zu verrichten. Sie sei auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar. Sie habe keinen Beruf erlernt und sei nur mit ungelernten bis angelernten Tätigkeiten im unteren Bereich beschäftigt gewesen. Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder schwere spezifische Leistungsbehinderungen lägen nicht vor, so daß auch insoweit die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit nicht erforderlich sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin. Sie macht geltend, ihr stehe wegen der Vielzahl der vorliegenden Leistungseinschränkungen Rente wegen EU zu, da sie nicht mehr in der Lage sei, eine Erwerbstätigkeit auszuüben. Selbst wenn man von der Einstufung ihrer bisherigen Tätigkeit als der einer ungelernten Tätigkeit einer Arbeiterin ausgehe, sei die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich. Sie sei den typischen Anforderungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht gewachsen. Das LSG hätte sich deshalb gedrängt fühlen müssen, ein berufskundliches Gutachten einzuholen. Es sei nicht ersichtlich, welche leichten Tätigkeiten es gebe, die sie unter den vielfältigen Einschränkungen noch ausüben könne.
Der 13. Senat, bei dem die Revision anhängig geworden ist, hat Sachverständige angehört und mit Beschluß vom 23. November 1994 dem Großen Senat folgende Fragen vorgelegt:
- Ist für die Beurteilung, ob eine Versicherte der Gruppe mit dem Leitbild der angelernten Arbeiterin im unteren Bereich oder der Gruppe mit dem Leitbild der ungelernten Arbeiterin berufs- oder erwerbsunfähig ist, die konkrete Benennung von Verweisungstätigkeiten erforderlich, wenn sie ihren bisherigen Beruf nicht mehr ausüben und auch sonst nur noch körperlich leichte Arbeiten mit weiteren Einschränkungen verrichten kann?
- Sind die Fallgruppen, bei denen das BSG bisher die erhebliche Gefahr einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes angenommen hat, als abschließend anzusehen?
Der vorlegende Senat teilt die Auffassung des LSG, daß sich die Ansprüche der Klägerin auf Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit noch nach den durch Artikel 6 Nr 24 des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (RRG 1992) vom 18. Dezember 1989 (BGBl I 2261) zum 1. Januar 1992 gestrichenen §§ 1246, 1247 Reichsversicherungsordnung (RVO) richten (vgl die durch Artikel 1 RRG 1992 eingeführte Vorschrift des § 300 Abs 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch ≪SGB VI≫). Er folgt dem LSG ferner, soweit es zunächst geprüft hat, ob die Klägerin berufsunfähig sei, da der Versicherungsfall der EU an strengere Voraussetzungen anknüpfe. „Bisheriger Beruf”, der Ausgangspunkt jeder Beurteilung der BU, sei der einer Fleischereiarbeiterin. Ob in diesem Beruf eine weitere Erwerbstätigkeit ausscheide, habe das LSG nicht ausdrücklich festgestellt. Unterstelle man die Unfähigkeit der Klägerin, weiter als Fleischereiarbeiterin erwerbstätig zu sein, komme es für die BU darauf an, ob es eine zumutbare andere Tätigkeit gebe, die sie bewältigen könne. Die festgestellten Tatsachen ließen allerdings eine Entscheidung nicht zu, wie der bisherige Beruf in das Mehrstufenschema einzuordnen sei. Einer Zurückverweisung bedürfe es jedoch nur dann, wenn der Klägerin die Rente nicht schon aus anderen Gründen zustehe.
Gehöre die Klägerin, wie das LSG annehme, zur Gruppe der ungelernten Arbeiterinnen, sei sie ohne subjektive Zumutbarkeitseinschränkungen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) brauche keine Verweisungstätigkeit genannt zu werden, wenn ein auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbarer Versicherter zwar nicht mehr schwere, aber mittelschwere oder leichtere Arbeiten vollschichtig verrichten könne. Diese Regel erfahre dann eine Ausnahme, wenn der Versicherte selbst leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nur noch mit vielfältigen und/oder erheblichen Einschränkungen auszuüben vermöge (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 81, 90). Allerdings zwinge nach der bisherigen Rechtsprechung (nur) eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung zu konkreter Benennung (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 117, 136), woran es hier fehle. Insoweit komme es für die Entscheidung auf die Beantwortung der ersten Vorlagefrage an, nämlich ob nicht auch dann die konkrete Benennung von Verweisungstätigkeiten erforderlich sei, wenn nur noch körperlich leichte Arbeiten mit weiteren Einschränkungen verrichtet werden könnten.
Werde die erste Vorlagefrage vom Großen Senat bejaht, sei die Sache an das LSG zurückzuverweisen, damit eine Benennung nachgeholt werde. Die Zurückverweisung will der 13. Senat mit Hinweisen zur Bearbeitung des Problembereiches des verschlossenen Arbeitsmarktes verknüpfen: In diesem Zusammenhang sei die zweite Vorlagefrage von Bedeutung. Das LSG müsse wissen, ob die bislang erarbeiteten Fallgruppen (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 137, 139) als abschließend anzusehen seien (so BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 41) oder nicht. Werde die erste Vorlagefrage vom Großen Senat verneint, müsse der vorlegende Senat selbst prüfen, ob der Klägerin der Arbeitsmarkt verschlossen sei: Da ein von der Rechtsprechung bisher anerkannter Katalogfall nicht gegeben sei, sei dann die zweite Vorlagefrage unmittelbar für den vorlegenden Senat erheblich.
Der vorlegende Senat stützt die Vorlage auf § 41 Abs 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG); dazu wird ausgeführt, daß die Vorlagefragen von grundsätzlicher Bedeutung seien und eine Entscheidung des Großen Senats sowohl zur Fortbildung des Rechts als auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich sei.
Die Beteiligten haben sich weder zu der Vorlage noch zu der ihnen im Oktober 1996 mitgeteilten Absicht, ohne mündliche Verhandlung über die Vorlage zu entscheiden, geäußert.
Entscheidungsgründe
II
Der Große Senat entscheidet in der durch § 41 Abs 5 Sätze 1 und 3 SGG vorgesehenen regelmäßigen Besetzung; ein Fall, in dem dem Großen Senat zwei weitere ehrenamtliche Richter aus dem Kreis der Krankenkassen und aus dem Kreis der Kassenärzte (Kassenzahnärzte) angehören (§ 41 Abs 5 Satz 2 SGG), ist nicht gegeben.
Vorab hat der Große Senat beschlossen, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden. Während das frühere Recht vorgeschrieben hatte, daß der Große Senat über die Rechtsfrage in mündlicher Verhandlung entscheidet, und zweifelhaft war, ob mit Zustimmung der Beteiligten entsprechend § 124 Abs 2 SGG von einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden durfte (vgl Meyer-Ladewig, SGG, 3. Auflage 1987, § 44 RdNr 2), kann nach § 41 Abs 7 Satz 2 SGG (in der seit dem 1. Januar 1992 geltenden Fassung des Rechtspflege-Vereinfachungsgesetzes vom 17. Dezember 1990, BGBl I 2847) der Große Senat ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Damit ist klargestellt, daß das Verfahren vor dem Großen Senat sowohl mündlich als auch schriftlich durchgeführt werden kann (vgl auch § 124 Abs 3 SGG). Daß die Beteiligten ein Einverständnis zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht erklärt haben, steht einer solchen Entscheidung nicht entgegen. Anders als § 124 Abs 2 SGG für Urteile macht § 41 Abs 7 Satz 2 SGG Beschlüsse des Großen Senats ohne mündliche Verhandlung nicht von dem Einverständnis der Beteiligten abhängig (Peters/Sautter/Wolff, SGG, Stand Dezember 1995, § 41 RdNr 95). Ob eine mündliche Verhandlung über die Vorlagefrage stattfindet, steht damit – wie sonst bei Entscheidungen, die nicht Urteile sind (§ 124 Abs 3 SGG) – allein im Ermessen des Großen Senats, zumal der Große Senat mangels konkreter Verfahrensvorschriften sein Verfahren nach den Grundsätzen der Prozeßökonomie und den dem Vorlageverfahren zugrundeliegenden gesetzgeberischen Zwecken bestimmt (BSGE 54, 223, 226 = SozR 1300 § 44 Nr 3). Die Beteiligten sind von der Absicht, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, unterrichtet worden. Sie hatten damit die Möglichkeit, zu den durch die Vorlage aufgeworfenen Rechtsfragen und zu dieser Absicht Stellung zu nehmen. Ihr gänzliches Schweigen kann dahin gedeutet werden, daß auch sie eine mündliche Verhandlung für entbehrlich ansehen.
III
A. Die Vorlage ist, soweit sie den von der Klägerin mit dem Hauptantrag geltend gemachten Anspruch auf Rente wegen EU betrifft, über den der vorlegende Senat zunächst zu entscheiden hat, im wesentlichen zulässig.
1. Die Ansprüche der Klägerin des Ausgangsverfahrens auf Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit sind gem § 300 Abs 2 SGB VI nach den gestrichenen Vorschriften des 4. Buches der RVO zu beurteilen, bezüglich der Rente wegen EU mithin nach § 1247 RVO. Trotz des Wohnsitzes der Klägerin in Serbien gilt die Sondervorschrift des § 1321 Abs 1 RVO (vgl jetzt § 112 SGB VI) wegen Artikel 4 Abs 1 Satz 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über soziale Sicherheit vom 12. Oktober 1968 (BGBl I 1969, 1438) nicht.
Ausgehend von der Rechtsauffassung des vorlegenden Senats, nach der eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung nicht vorliegt, hängt die Entscheidung über die Revision der Klägerin nach Maßgabe der bisherigen Rechtsprechung im Prinzip von der Beantwortung der gestellten Fragen ab. Daß der vorlegende Senat angesichts der Urteilsbegründung des LSG, das EU verneint hat, weil BU nicht vorliege, Feststellungen zur Wertigkeit des bisherigen Berufs und dazu vermißt, ob die Klägerin den letzten Beruf noch ausüben kann, ist insoweit unerheblich. Denn bei einer Gesetzesverletzung, wie sie der vorlegende Senat hinsichtlich der nicht ausreichenden Feststellungen annimmt, ist nach § 170 Abs 1 Satz 2 SGG die Prüfung geboten, ob sich die Abweisung der Klage auf Rente wegen EU aus anderen Gründen als richtig erweist. Da im Rahmen der EU grundsätzlich alle Versicherten unabhängig von ihrem Beruf auf alle geeigneten Tätigkeiten verweisbar sind (BSGE 19, 147, 149 f = SozR Nr 6 zu § 1247 RVO; SozR 2200 § 1247 Nr 7; SozR 5850 § 2 Nr 12; SozR 3-2200 § 1247 Nr 8), ist dies der Fall, wenn eine bestimmte Verweisungstätigkeit nicht genannt werden muß. Allerdings stellt sich die erste Frage nur in Bezug auf Versicherte, die wie die Klägerin des Ausgangsverfahrens noch zu vollschichtiger Arbeit in der Lage sind. Auch genügt es, wenn der Große Senat bezüglich der zweiten Frage, die, wie noch auszuführen ist, sich schon bei Beantwortung der ersten Frage stellt, lediglich entscheidet, ob die Fallgruppen, bei denen das BSG bisher die erhebliche Gefahr der Verschlossenheit des Arbeitsmarktes angenommen hat, mit Rücksicht auf ältere arbeitslose ungelernte oder ältere arbeitslose geringgradig angelernte Versicherte zu erweitern sind, die vollschichtig nur noch körperlich leichte Arbeiten mit weiteren Einschränkungen verrichten können. Mit einer Anwort auf diese Frage kann der vorlegende Senat über die Revision entscheiden; die abstrakte Frage, ob der Katalog im übrigen abschließend ist, geht über den zu entscheidenden Fall hinaus und ist daher nicht erheblich.
Die Erheblichkeit der so verstandenen Vorlagefragen ist nicht anders zu beurteilen, weil § 44 SGB VI, seit 1992 an Stelle des § 1247 RVO Anspruchsgrundlage für die Rente wegen EU, nach dem Vorlagebeschluß durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (2. SGB VI-ÄndG) vom 2. Mai 1996 (BGBl I 659) dahin ergänzt worden ist, daß erwerbsunfähig nicht ist, wer eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist. Denn unabhängig von dem zeitlichen Anwendungsbereich hat die Neufassung des § 44 SGB VI nichts daran geändert, daß es für den Anspruch auf Erwerbsunfähigkeitsrente darauf ankommt, ob die Rente nur verneint werden kann, wenn der Klägerin eine Verweisungstätigkeit konkret benannt worden ist und dabei, ob der Verschlossenheitskatalog zu erweitern ist.
2. Diese Fragen haben auch die grundsätzliche Bedeutung, die erst die Anrufung des Großen Senats rechtfertigt.
a) Wann eine Verweisungstätigkeit zu benennen ist und wann nicht, ergibt sich nicht aus dem Wortlaut des Gesetzes. Das Gesetz hat zwar in § 1247 RVO den Begriff der Erwerbsunfähigkeit definiert. Es regelt indessen nicht, wie Versicherungsträger oder Gerichte feststellen sollen, ob ein Versicherter infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder von Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf nicht absehbare Zeit eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit nicht mehr ausüben oder nicht mehr als nur geringfügige Einkünfte durch Erwerbstätigkeit erzielen kann. Aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt sich auch nicht, wann für einen Versicherten der Arbeitsmarkt verschlossen ist; der Begriff der „Verschlossenheit des Arbeitsmarktes” wird im Gesetz nicht verwendet. Zwar hat die Rechtsprechung entwickelt, wann die Versicherungsträger bzw die Tatsachengerichte Verweisungstätigkeiten konkret benennen müssen und wann die Gefahr der Verschlossenheit des Arbeitsmarktes besteht. Eine von der Rechtsprechung beantwortete Rechtsfrage gewinnt aber jedenfalls dann wieder grundsätzliche Bedeutung, wenn gegen die bisherigen Antworten gewichtige Bedenken geltend gemacht werden (vgl BSG SozR Nr 194 zu § 162 SGG). Insoweit genügen die Bedenken, die der vorlegende Senat aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen vorträgt.
Gegen eine grundsätzliche Bedeutung läßt sich auch nicht anführen, daß die im Ausgangsverfahren noch maßgebenden Vorschriften der RVO durch das RRG 1992 gestrichen worden sind. Denn das RRG 1992 hat in § 44 SGB VI den Begriff der EU der RVO nahezu wörtlich übernommen; das entsprach der Absicht des Gesetzgebers, von einer Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zunächst abzusehen (vgl Begründung zu §§ 43, 44 SGB VI, BT-Drucks 11/4124 S 163; BT-Drucks 11/4452 S 9). Mit der Klärung von Fragen zu § 1247 RVO werden daher Fragen beantwortet, die sich auch nach geltendem Recht stellen; die vom vorlegenden Senat angestrebte Rechtsfortbildung würde sich letztlich auch auf § 44 SGB VI auswirken.
Die grundsätzliche Bedeutung wird daher durch die Gründe unterstrichen, die zum Erlaß des 2. SGB VI-ÄndG geführt haben. Nachdem der Vorlagebeschluß und drei weitere Vorlagen vom 23. November 1994 im Frühjahr 1995 schriftlich begründet waren, hat die Bundesregierung im August 1995 den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vorgelegt und ua Neufassungen der §§ 43, 44 SGB VI vorgeschlagen (BR-Drucks 496/95). Zur Begründung hat die Bundesregierung ausgeführt (BR-Drucks 496/95 S 39 ff = BT-Drucks 13/2590 S 18 f):
„Unabhängig von der grundsätzlichen Neuordnung des Rechts der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, die noch umfangreiche Vorarbeiten und längere Vorbereitungszeit erfordert, sind bereits zum jetzigen Zeitpunkt einige Änderungen im Recht der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vorzunehmen, die nicht länger zurückgestellt werden können. Deshalb sind in diesem Gesetz folgende Änderungen vorgesehen:
1. Verhinderung einer Ausweitung der konkreten Betrachtungsweise auf leistungsgeminderte, aber noch vollschichtig einsatzfähige Versicherte.
Nach der Ausgestaltung, die das Recht der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit durch die bisherige Rechtsprechung des BSG erfahren hat, haben leistungsgeminderte, aber noch vollschichtig einsatzfähige Versicherte keinen Anspruch auf Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, da für sie der konkrete Arbeitsmarkt keine Berücksichtigung findet (sog abstrakte Betrachtungsweise). …
Angesichts des Problems der Langzeitarbeitslosigkeit älterer Versicherter gibt es in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung sowie in der Fachliteratur allerdings eine gewisse Tendenz, älteren Versicherten, die längere Zeit arbeitslos sind und wenig Chancen auf einen neuen Arbeitsplatz haben, trotz ihres noch vollschichtigen Leistungsvermögens einen Rentenanspruch zuzuerkennen.
Das BSG hat sich nunmehr in einigen Musterverfahren mit der Frage beschäftigt, ob auch für leistungsgeminderte, aber noch vollschichtig einsatzfähige ungelernte Versicherte und angelernte Versicherte des unteren Bereichs eine konkrete Benennung von Verweisungstätigkeiten erforderlich ist. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung ist diese Rechtsfrage dem Großen Senat des BSG zur Entscheidung vorgelegt worden.
Sollte sich der Große Senat für eine Änderung der geltenden Rechtsprechung entscheiden und die konkrete Benennung von Verweisungstätigkeiten auch für diese vollschichtig einsatzfähigen Versicherten vorschreiben, würde dies im Ergebnis in vielen Fällen zu einem entsprechenden Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit führen, der nach bisheriger Rechtslage nicht besteht.
Eine derartige Entscheidung hätte weitreichende Konsequenzen. Unter dem Druck der Arbeitsmarktlage würden vor allem ältere erwerbsgeminderte Arbeitnehmer verstärkt in die Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ausweichen, wodurch ein Unterlaufen der vom Gesetzgeber mit der Rentenreform 1992 vorgesehenen Verlängerung der Lebensarbeitszeit zu befürchten wäre. Gleichzeitig würde dies bei weiterem Sinken des Rentenzugangsalters ganz erhebliche Mehrkosten für die Rentenversicherung zur Folge haben.
Bis zur Verwirklichung der grundsätzlichen Neuordnung des Rechts der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gilt es, den bestehenden Status quo aufrechtzuerhalten. Deshalb wird durch eine Gesetzesänderung in den §§ 43, 44 SGB VI klargestellt, daß leistungsgeminderte, aber noch vollschichtig einsatzfähige Versicherte nicht erwerbsunfähig oder – wenn sie noch in einer zumutbaren Beschäftigung tätig sein können – nicht berufsunfähig sind, da die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist. … Die Gesetzesänderung bedeutet somit eine Festschreibung der abstrakten Betrachtungsweise für vollschichtig einsatzfähige Versicherte.
Mit einer solchen Regelung, die die Wahrung des Status quo sicherstellt, kann verhindert werden, daß noch vor einer umfassenden Neuregelung durch die Rechtsprechung Fakten geschaffen werden, die eine Verlagerung des Arbeitsmarktrisikos auf die Rentenversicherung zur Folge hätten.”
Diese Vorschläge sind zwar zunächst gescheitert. Die Regierungsfraktionen haben während der Ausschußberatungen auf die Änderungen der §§ 43 ff SGB VI verzichtet, um das Gesetz im übrigen nicht zu gefährden. Gleichzeitig ist aber angekündigt worden, daß die Vorschläge mit der gleichen Zielsetzung wiederholt werden, was dann im Februar 1996 mit dem von den Fraktionen der CDU/CSU und der FDP vorgelegten Entwurf eines 2. SGB VI-ÄndG (BT-Drucks 13/3697) geschehen ist, der Gesetz geworden ist. Das Ziel war das gleiche, Verhinderung einer Ausweitung der konkreten Betrachtungsweise bei den Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf zwar leistungsgeminderte, aber noch vollschichtig einsatzfähige Versicherte durch Festschreibung des Status quo, dh der auf der Rechtsprechung des BSG beruhenden Verwaltungspraxis, und zwar bis zu der von der Bundesregierung beabsichtigten Neuregelung der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Dieses Ziel wird auch durch die anläßlich der Verabschiedung des Gesetzes gefaßte Entschließung des Bundesrates vom 22. März 1996 (BR-Drucks 138/96) unterstrichen, in der der Bundesrat die getroffene Neuregelung „nur als vorläufigen Zwischenschritt” betrachtet, die Bundesregierung bittet, schnellstmöglich eine – bereits im Zusammenhang mit dem RRG 1992 angemahnte – Gesamtreform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit in die Wege zu leiten, und die Bereitschaft der Bundesregierung begrüßt, bei dieser Gesamtreform die mit dem 2. SGB VI-ÄndG geregelte Teilproblematik erneut zu überprüfen.
b) Mit dem 2. SGB VI-ÄndG ist die grundsätzliche Bedeutung nicht entfallen. Auch nach der Neufassung der §§ 43 ff SGB VI beruht das Erfordernis, eine Verweisungstätigkeit zu benennen, allein auf Rechtsprechung; nach wie vor wird der Begriff der „Verschlossenheit des Arbeitsmarktes” im Gesetz nicht verwendet. Wenn nach den Gesetzesmaterialien auch nicht zweifelhaft ist, daß nach den Vorstellungen des Gesetzgebers die Fallgruppen, wann der Arbeitsmarkt für den Versicherten „verschlossen” ist, nicht erweitert werden sollen und an dem Grundsatz, demzufolge bei Versicherten, die auf eine vollschichtige Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsfeld verweisbar sind, die Benennung einer Verweisungstätigkeit nicht erforderlich ist, festzuhalten ist, kann bezüglich von Grenzfällen, um die es auch geht, Klärungsbedarf iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG nicht geleugnet werden.
c) Der vorlegende Senat hat ausgeführt, daß nach seiner Auffassung die Vorlage zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist. Eine solche Entscheidung ist für den Großen Senat bindend (BSGE 14, 246, 247; 30, 167, 171; 41, 41, 43; 43, 75, 78; 62, 255, 258 f = SozR 5050 § 15 Nr 35).
B. Die Vorlagefragen, wie sie vorstehend für die EU formuliert worden sind, werden vom Großen Senat verneint.
1. Nach der Rechtsprechung des BSG ist dem Versicherten, der aus gesundheitlichen Gründen seine bisherige Erwerbstätigkeit nicht mehr ausüben kann und deshalb eine Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit beantragt, im Falle der Ablehnung mangels Minderung der Erwerbsfähigkeit konkret zumindest eine Tätigkeit (Verweisungstätigkeit) zu benennen, die die den Rentenfall begründende Minderung der Erwerbsfähigkeit ausschließt, weil der Versicherte diese Tätigkeit ausüben kann. Zu nennen ist kein Arbeitsplatz (BSG SozR 2200 § 1246 Nr 104), sondern eine Berufstätigkeit mit ihren typischen, das Anforderungsprofil bestimmenden Merkmalen (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 72, 74 und SozR 3-2200 § 1246 Nr 50); es genügt die Kennzeichnung der Berufstätigkeit mit einer im Arbeitsleben üblichen Berufsbezeichnung (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 74, 98). Dem Benennungserfordernis kommt keine eigenständige Bedeutung, sondern nur die Funktion zu, sicherzustellen und nachprüfbar zu machen, daß der Versicherte trotz seiner Leistungsminderung eine andere Erwerbstätigkeit ausüben kann und diese alle Merkmale aufweist, die von Gesetzes wegen zum Ausschluß des Rentenanspruchs an eine Verweisungstätigkeit zu stellen sind (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 72, 105, 143; SozR 5850 § 2 Nr 12; Urteil vom 14. Mai 1996 – 4 RA 60/94 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Wie die Verweisungstätigkeit beschaffen sein muß, ist – entsprechend der Funktion des Benennungserfordernisses – allein am jeweiligen gesetzlichen Begriff der Minderung der Erwerbsfähigkeit, hier also an dem der EU, auszurichten.
Die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit hat das BSG abweichend hiervon nicht für erforderlich angesehen, wenn der Versicherte zwar nicht mehr zu körperlich schweren, aber doch vollschichtig zu mittelschweren oder leichten Arbeiten in der Lage war und auf eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt oder -feld (das meint ungelernte Tätigkeiten) verwiesen werden durfte (vgl SozR 2200 § 1246 Nrn 30, 75, 81, 90, 104, 109, 117; SozR 3-2200 § 1247 Nr 8). Auf ungelernte Tätigkeiten verwiesen werden können, soweit es um EU geht, mangels Berufsschutzes bei diesem Rentenanspruch grundsätzlich alle Versicherte (BSGE 19, 147, 149 f = SozR Nr 6 zu § 1247 RVO; SozR 2200 § 1247 Nr 7; SozR 5850 § 2 Nr 12; SozR 3-2200 § 1247 Nr 8); denn nach § 1247 Abs 2 RVO (vgl jetzt § 44 Abs 2 Satz 1 SGB VI) schließt jede Erwerbstätigkeit, die der Versicherte in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben in der Lage ist und mit der er mehr als nur geringfügige Einkünfte, dh mehr als ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße, erzielen kann, EU aus. Deshalb betrifft die erste Vorlagefrage, soweit sie sich auf EU bezieht, nicht nur angelernte Arbeiter (im unteren Bereich) und ungelernte Arbeiter, sondern alle Versicherte, die noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten ausüben können. Das aber hat zur Folge, daß bei der EU die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit – entgegen dem Vorlagebeschluß – regelmäßig nicht zu erfolgen hat, die Benennung also die Ausnahme ist. Die Beurteilung, ob der Versicherte erwerbsfähig oder erwerbsunfähig ist, muß im Regelfall nicht nach Anforderungsprofilen einer oder mehrerer bestimmter Berufstätigkeiten erfolgen; es genügt eine Beurteilung, ob das Restleistungsvermögen dem Versicherten körperliche Verrichtungen (wie zB Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw) erlaubt, die in ungelernten Tätigkeiten gefordert zu werden pflegen. Zur Rechtfertigung dieses Grundsatzes hat das BSG 1981/1982 auf Schwierigkeiten bei der Benennung von Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes hingewiesen: Anders als qualifizierte Berufstätigkeiten entzögen sich die nicht oder nur ganz wenig qualifizierten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes „Hilfsarbeiten”) einer knappen Benennung, die aussagekräftig Art und Anforderungen der Tätigkeit beschrieben, was von der Benennungspflicht entbinde. Hinzu komme, daß sich allgemeine Hilfsarbeiten von Arbeitsplatz zu Arbeitsplatz nur wenig unterschieden. Anders als bei Facharbeitern bestehe auch wenig Gefahr, daß auf Arbeiten verwiesen werde, die in der Berufswelt nicht oder kaum aufzufinden seien (SozR 2200 § 1246 Nrn 81, 90).
An diesem Grundsatz ist festzuhalten. Die Aussage des 1. Senats aus den Jahren 1981/1982 bestätigt der vorlegende Senat, wenn er ausführt, die Sachverständigen hätten darauf hingewiesen, daß der Arbeitsmarkt, auf dem ungelernte Arbeitnehmer noch eine Stelle finden könnten, weit heterogener sei, als das BSG angenommen habe. Die Berufswelt ist, wie auch vom vorlegenden Senat aufgrund der Anhörung eingeräumt wird, insoweit nicht transparent. Ob in einigen Jahren eine Arbeitsmarkttransparenz geschaffen werden könnte, wie einer der Sachverständigen meint, ist unerheblich; derzeit jedenfalls kann auf entsprechende Erkenntnisse für die Praxis nicht zurückgegriffen werden, so daß ein Benennungsgebot der Rechtspraxis keine Hilfe böte. In bezug auf Personen, die noch vollschichtig körperlich mittelschwere oder ohne besondere Einschränkungen körperlich leichte Arbeiten erbringen können, wird das Bezeichnungsgebot zudem nicht benötigt, um sicherzustellen und nachprüfbar zu machen, daß der Versicherte noch eine andere die EU ausschließende Erwerbstätigkeit ausüben kann. Es liegt auf der Hand, daß solche Versicherte nicht aufgrund von Krankheit oder Behinderung gehindert sind, einer Vollzeitbeschäftigung nachzugehen; weil der Versicherte in Ermangelung eines Berufsschutzes breit verweisbar ist, besteht keine Gefahr, daß er damit auf Arbeiten verwiesen wird, die in der Berufswelt nicht oder kaum aufzufinden sind.
Veranlassung, den Grundsatz aufzugeben, besteht derzeit auch deshalb nicht, weil die erwähnte Neufassung der §§ 43 ff SGB VI auf die Beibehaltung der Rechtsprechung abzielt, nach der die Benennung von ungelernten Verweisungstätigkeiten nicht erforderlich ist, wie schon die Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des SGB VI und anderer Gesetze (BT-Drucks 13/2590 S 19) deutlich gemacht hat. Auch der Entwurf des 2. SGB VI-ÄndG der Regierungsfraktionen führt aus, daß nach der auf der bisherigen Rechtsprechung beruhenden Verwaltungspraxis für einen vollschichtig einsatzfähigen Versicherten, der auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar ist, grundsätzlich keine konkrete Verweisungstätigkeit benannt zu werden brauche, und es gelte, ua diese Rechtslage festzuschreiben und den bestehenden Status quo aufrecht zu erhalten (BT-Drucks 13/3697 S 3, 4). Dagegen läßt sich ein Gebot der versicherungsrechtlichen Gleichbehandlung der unteren Arbeitnehmergruppen nicht ins Feld führen; denn bei der EU müssen auch die obersten Arbeitnehmergruppen in Kauf nehmen, ohne konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit pauschal auf ungelernte Tätigkeiten verwiesen zu werden.
2. Kann der Versicherte seinen bisherigen Beruf nicht mehr, aber vollschichtig körperlich leichte Tätigkeiten, wenn auch nur mit bestimmten Einschränkungen, ausüben, besteht Übereinstimmung darin, daß – trotz der praktischen Schwierigkeiten – die konkrete Benennung zumindest einer Verweisungstätigkeit erforderlich ist, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt. Als solche schwere Einschränkungen sind bisher besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 104, 117), – in Verbindung mit anderen Einschränkungen – die Erforderlichkeit, zwei zusätzliche Arbeitspausen von je 15 Minuten einzulegen (BSG SozR 2200 § 1246 Nr 136), Einschränkungen bei Arm- und Handbewegungen, halbstündiger Wechsel vom Sitzen zum Gehen (BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr 8) und regelmäßig einmal in der Woche auftretende Fieberschübe (vgl BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr 14) angesehen worden. Erwähnt werden in diesem Zusammenhang auch Einarmigkeit und Einäugigkeit (BSG SozR 2200 § 1246 Nr 30). Beispiele, welche Einschränkungen jedenfalls nicht zu einer konkreten Benennung veranlassen sollen, sind in BSG SozR 2200 § 1246 Nr 117 beschrieben:
- Ausschluß von Tätigkeiten, die überwiegendes Stehen oder ständiges Sitzen erfordern, in Nässe oder Kälte oder mit häufigem Bücken zu leisten sind, besondere Fingerfertigkeiten erfordern oder mit besonderen Unfallgefahren verbunden sind,
- Ausschluß von Arbeiten im Akkord, im Schichtdienst, an laufenden Maschinen,
- Ausschluß von Tätigkeiten, die besondere Anforderungen an das Seh-, Hör- oder Konzentrationsvermögen stellen,
- Ausschluß von Tätigkeiten, die häufiges Bücken erfordern.
Als Grund dafür, daß bei einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung eine Verweisungstätigkeit konkret zu benennen ist, wird angeführt, daß der Arbeitsmarkt für solche überdurchschnittlich stark leistungsgeminderte Personen möglicherweise schlechthin keine Arbeitsstelle bereit hält (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 81, 90) bzw nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, daß es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für die an sich noch mögliche Vollzeittätigkeit eine ausreichende Anzahl von Arbeitsplätzen gibt (BSG SozR 2200 § 1246 Nr 136) oder, daß ernste Zweifel daran aufkommen, ob der Versicherte mit dem ihm verbliebenen Leistungsvermögen in einem Betrieb einsetzbar ist (BSG SozR 2200 § 1246 Nr 104). Ob für die Beurteilung, ob ein Versicherter, der noch körperlich leichte Arbeiten mit weiteren Einschränkungen verrichten kann, erwerbsunfähig ist, generell die konkrete Benennung von Verweisungstätigkeiten erforderlich ist, hängt hiernach nicht allein davon ab, ob angesichts der Einschränkungen ernste Zweifel daran aufkommen, ob der Versicherte in einem Betrieb einsetzbar ist. Auch die Möglichkeit der praktischen Verschlossenheit des Arbeitsmarktes ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung, um den Versicherten nicht zu benachteiligen. Deshalb stellt sich schon hier die Frage, wann bei Versicherten, die, wenn auch nur mit Einschränkungen, noch vollschichtig ungelernte körperlich leichte Arbeiten ausüben können, die Gefahr besteht, daß ihnen der Arbeitsmarkt praktisch verschlossen ist.
3. Nach den Beschlüssen des Großen Senats vom 11. Dezember 1969 (BSGE 30, 167 ff = SozR Nr 79 zu § 1246 RVO und BSGE 30, 192 ff = SozR Nr 20 zu § 1247 RVO) beurteilt sich die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten nicht allein nach der Fähigkeit, Arbeiten zu verrichten, sondern auch danach, durch Arbeit Erwerb zu erzielen (BSGE 30, 192, 195 f = SozR Nr 20 zu § 1247 RVO). Erwerbsunfähig ist ein Versicherter, der noch vollschichtig arbeiten kann, zwar nicht schon dann, wenn er arbeitslos ist, weil er bei der Arbeitsplatzsuche der gesunden Konkurrenz den Vortritt lassen muß (BSGE 30, 192, 199 = SozR Nr 20 zu § 1247 RVO). EU liegt erst vor, wenn der Leistungsgeminderte einen seinem verbliebenen Leistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatz nicht finden kann, weil es solche Arbeitsplätze nicht gibt (BSGE 30, 192, 200 = SozR Nr 20 zu § 1247 RVO). In seinem Beschluß vom 10. Dezember 1976 hat der Große Senat entschieden, daß dem nur zur Teilzeitarbeit fähigen Versicherten – unabhängig von der Zahl vorhandener Arbeitsplätze oder dem Verhältnis dieser Zahl zu den Personen, die solche Arbeitsplätze suchen – der Arbeitsmarkt praktisch verschlossen sei, wenn man ihm nicht innerhalb eines Jahres einen Arbeitsplatz anbieten könne (BSGE 43, 75 = SozR 2200 § 1246 Nr 13). Entsprechende Konsequenzen für leistungsgeminderte, aber noch vollschichtig einsetzbare Versicherte zu ziehen, hat das BSG ständig abgelehnt. Die Rechtsprechung geht generell davon aus, daß es für Vollzeittätigkeiten Arbeitsplätze in ausreichendem Umfang gibt und der Arbeitsmarkt für den Versicherten offen ist, so daß eine diesbezügliche Prüfung im Einzelfall regelmäßig nicht vorgenommen zu werden braucht (BSGE 44, 39 = SozR 2200 § 1246 Nr 19; SozR 2200 § 1246 Nrn 22, 30). Als Ausnahmen sind bislang nur solche Fallgestaltungen herausgestellt worden, in denen
- der Versicherte zwar an sich noch eine Vollzeittätigkeit ausüben kann, aber nicht unter den in den Betrieben üblichen Bedingungen (BSGE 44, 39, 40 = SozR 2200 § 1246 Nr 19; SozR 2200 § 1246 Nr 22; Katalogfall Nr 1),
- der Versicherte zwar an sich noch eine Vollzeittätigkeit ausüben kann, entsprechende Arbeitsplätze aber aus gesundheitlichen Gründen nicht aufsuchen kann (SozR Nr 101 zu § 1246 RVO; SozR 2200 § 1247 Nrn 47, 50, 53, 56; Katalogfall Nr 2),
- die Zahl der in Betracht kommenden Arbeitsplätze deshalb nicht unerheblich reduziert ist, weil der Versicherte nur in Teilbereichen eines Tätigkeitsfeldes eingesetzt werden kann (SozR 2200 § 1246 Nr 101; BSGE 56, 64, 68 = SozR 2200 § 1246 Nr 110; Katalogfall Nr 3),
für den Versicherten nur Tätigkeiten in Betracht kommen, die auf Arbeitsplätzen ausgeübt werden,
- die an Berufsfremde nicht vergeben zu werden pflegen (SozR 2200 § 1246 Nr 101; BSGE 56, 64, 69 = SozR 2200 § 1246 Nr 110; Katalogfall Nr 5),
- die als Schonarbeitsplätze (SozR 2600 § 46 Nr 1; SozR 2200 § 1246 Nr 101; Katalogfall Nr 4) oder als Aufstiegspositionen (Katalogfall Nr 6) nicht an Betriebsfremde vergeben werden, und
- entsprechende Arbeitsplätze nur in ganz geringer Zahl vorkommen (SozR 2200 § 1241d Nr 5; SozR 2200 § 1246 Nr 82; Katalogfall Nr 7).
Es besteht keine Veranlassung, diesen Katalog, der 1986 vom 4. Senat zusammengestellt worden ist (SozR 2200 § 1246 Nr 137; die Numerierung stammt vom 5. Senat, SozR 2200 § 1246 Nr 139), angesichts der Fallgestaltung des Ausgangsverfahrens zu erweitern, insbesondere nicht, nachdem § 44 Abs 2 Satz 2 Nr 2 SGB VI bestimmt, daß erwerbsunfähig nicht ist, wer eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann und daß dabei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.
Ob ein Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit „von der jeweiligen Arbeitsmarktlage abhängig ist” bzw „unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage” besteht, war nach bisherigem Recht schon für die Befristung der Rente (§ 102 SGB VI) bzw für Leistungen an Berechtigte im Ausland (§ 112 SGB VI) von Bedeutung. Die Anweisung in § 44 Abs 2 Satz 2 Nr 2 SGB VI, die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen, schließt zwar nicht aus, auch weiterhin Personen für erwerbsunfähig zu halten, die aus gesundheitlichen Gründen unter den in den Betrieben üblichen Bedingungen nicht arbeiten können oder nur für Tätigkeiten in Betracht kommen, die ihrer Art nach nur selten in der Arbeitswelt vorkommen. Denn ihre Unfähigkeit, durch Arbeit Erwerb zu erzielen, beruht nicht auf der Schwankungen unterworfenen jeweiligen Lage des Arbeitsmarktes, sondern auf dem praktisch gänzlichen Fehlen entsprechender Arbeitsplätze in der Berufswelt. Im übrigen ist aber bei der Auslegung des Begriffs der „jeweiligen Arbeitsmarktlage” das erklärte Ziel der Änderungen der §§ 43 ff SGB VI durch das 2. SGB VI-ÄndG zu beachten, bis zur grundsätzlichen Neuregelung des Rechts der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit die Fortsetzung der auf der bisherigen Rechtsprechung beruhenden Verwaltungspraxis sicherzustellen und jede weitere Rechtsfortbildung in Richtung einer „Arbeitsmarktrente” durch die Rechtsprechung zu verhindern, die bei der Neuregelung des Rechts der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit eine sachgerechte Zuordnung des Arbeitsmarktrisikos an die Rentenversicherung bzw die Bundesanstalt für Arbeit erschweren könnte.
Die Anweisung, bei Versicherten, die eine Tätigkeit vollschichtig ausüben können, die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen, verbietet daher nicht nur, Versicherte als erwerbsunfähig zu beurteilen, weil ihnen nach Lage des Arbeitsmarktes derzeit oder innerhalb einer absehbaren Zeit (zB eines Jahres) ein konkreter Arbeitsplatz nicht angeboten werden kann. Dem Gesetzgeber war bekannt, daß für leistungsgeminderte, aber noch vollschichtig einsetzbare ältere arbeitslose Versicherte bei vernünftiger Betrachtung auf dem Arbeitsmarkt seit längerer Zeit kaum Vermittlungschancen bestehen (BT-Drucks 13/3907 S 5). Dennoch hat der Gesetzgeber es dabei belassen, daß die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit (§ 38 SGB VI) weiterhin Versicherten erst nach Vollendung des 60. Lebensjahres zusteht, und, was von der Praxis insoweit schon bisher beachtet worden ist, nunmehr ausdrücklich bestimmt, bei Versicherten, die noch vollschichtig arbeiten können, die Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Das Arbeitsmarktrisiko, das nach der bisherigen Rechtsprechung für diesen Personenkreis von der Bundesanstalt für Arbeit, soweit noch Arbeitslosengeld zu zahlen ist, vom Bundeshaushalt, soweit Arbeitslosenhilfe zu zahlen ist, und im übrigen von den Sozialhilfeträgern getragen wird, sollte nicht auf die Rentenversicherungsträger verlagert werden. Der Gesetzgeber bestätigt damit das in den vergangenen Jahren bei der – ausgelaufenen – Bezuschussung von Vorruhestandsaufwendungen der Arbeitgeber bei Wiederbesetzung des Arbeitsplatzes mit einem Arbeitslosen durch die Bundesanstalt für Arbeit (1984 bis 1988), bei der Weiterzahlung des von der Modrow-Regierung eingeführten Vorruhestandsgeldes nach dem 2. Oktober 1990 aus dem Bundeshaushalt (1990 bis 1995) und bei der Leistung von Altersübergangsgeld aus Mitteln der Bundesanstalt für Arbeit und des Bundes (seit 1990) beachtete Prinzip, durch das Überangebot von Arbeitskräften auf dem Arbeitsmarkt erzwungene Problemlösungen nicht der Rentenversicherung und ihren Beitragszahlern anzulasten, auch wenn ältere, wenige Jahre vor dem Rentenalter stehende Versicherte betroffen sind. Das schließt es aus, einen arbeitslosen Versicherten, der noch vollschichtig arbeiten kann, deshalb als erwerbsunfähig anzusehen, weil neben den gesundheitlichen Einschränkungen Risikofaktoren wie Langzeitarbeitslosigkeit und vorgerücktes Alter oder mangelhafte Ausbildung die Vermittlungschancen zusätzlich erschweren.
Dagegen kann nicht eingewandt werden, der Gesetzgeber habe mit den Änderungen der §§ 43 ff SGB VI durch das 2. SGB VI-ÄndG in durch Artikel 14 Grundgesetz erworbene Rechte eingegriffen und den durch das Rechtsstaatsprinzip (Artikel 20 Abs 3 Grundgesetz) gewährleisteten Vertrauensschutz verletzt; denn die Änderungen stellen nur klar, was nach der bisherigen Rechtsprechung schon so praktiziert wurde. Eine Erweiterung des Katalogs der Verschlossenheitsfälle um arbeitslose ältere Versicherte, die trotz ihrer gesundheitsbedingten Leistungsminderung noch vollschichtig arbeiten können, wäre auch vor Erlaß des 2. SGB VI-ÄndG nicht zu rechtfertigen gewesen; sie hätte der Struktur der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit widersprochen. Diese sollen nur das Risiko einer Minderung der Erwerbsfähigkeit „wegen Krankheit oder Behinderung” abdecken, nicht dagegen das Risiko einer Minderung der Erwerbsmöglichkeit oder der Arbeitslosigkeit, wodurch immer die letztgenannten Risiken eingetreten sind. Dagegen läßt sich nicht einwenden, nach der Kausalnorm der wesentlichen Bedingung genüge es, wenn die Minderung der Erwerbsfähigkeit neben anderen Ursachen jedenfalls gleichwertig auf Krankheit oder Behinderung zurückzuführen sei. Denn abgesehen davon, daß diese Argumentation wohl nicht nach der wesentlichen Bedingung der Minderung der Erwerbsfähigkeit, sondern der vorhandenen Arbeitslosigkeit fragt, verkennt sie, daß der Fortbestand der Arbeitslosigkeit des hier angesprochenen Personenkreises wesentlich nicht durch die gesundheitlichen Beeinträchtigungen, sondern durch die aktuelle Arbeitsmarktsituation verursacht wird, die älteren Arbeitnehmern ohne Ausbildung nur geringe Chancen läßt (BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 50; Haneberg DRV 1995, 327, 332 f).
Es besteht auch kein anderer Grund, den Verschlossenheitskatalog um Arbeitsplätze zu erweitern, auf denen ungelernte körperlich leichte Tätigkeiten zu erbringen sind. Daß die Zahl solcher Arbeitsplätze rückläufig ist, wie der vorlegende Senat geltend macht, ist unerheblich, solange es diese Arbeitsplätze in der Berufswelt tatsächlich in nicht nur geringer Zahl gibt. Keine Rolle spielt in diesem Zusammenhang, daß auf Arbeitsplätze, auf denen ungelernte körperlich leichte Tätigkeiten ausgeübt werden, nicht nur Versicherte der unteren Arbeitnehmergruppen, sondern auch Facharbeiter drängen. Der Große Senat hat schon 1969 darauf hingewiesen, daß ein Versicherter, der noch vollschichtig arbeiten kann, nicht deshalb erwerbsunfähig ist, weil er bei der Arbeitsplatzsuche der gesunden Konkurrenz den Vortritt lassen muß (BSGE 30, 192, 199 = SozR Nr 20 zu § 1247 RVO). Wenn der Versicherte im Wettbewerb dem tüchtigeren, besser ausgebildeten Konkurrenten unterliegt, kann nichts anderes gelten. Die jeweilige Arbeitsmarktlage würde berücksichtigt, wenn aus der Anzahl aller entsprechenden Arbeitsplätze, der Anzahl möglicher Bewerber um diese Arbeitsplätze oder aus dem Verhältnis dieser Zahlen zueinander auf eine Gefahr der Verschlossenheit des Arbeitsmarktes geschlossen würde; entsprechende Ermittlungen, die auch auf tatsächliche Schwierigkeiten stoßen, sollten nach den Vorstellungen des Gesetzgebers entbehrlich sein (BT-Drucks 13/3697 S 4).
Zugunsten einer Erweiterung des Verschlossenheitskatalogs um Arbeitsplätze, auf denen ungelernte körperlich leichte Tätigkeiten zu erbringen sind, läßt sich auch nicht anführen, daß solche Arbeitsplätze allgemein nicht mehr von außen besetzt werden, also nicht arbeitsmarktgängig sind. Die schriftlichen Gutachten der vom vorlegenden Senat gehörten Sachverständigen rechtfertigen einen solchen Schluß schon deshalb nicht, weil sie sich nur auf einen Teil der Arbeitsplätze beziehen, auf denen leichte körperliche und iS der Rechtsprechung zum Rentenrecht ungelernte Tätigkeiten zu erbringen sind. Unter ungelernten Tätigkeiten versteht das BSG alle Tätigkeiten, die keine betriebliche Einarbeitung oder Einweisung oder nur eine solche bis zu einer Dauer von weniger als drei Monaten erfordern (SozR 2200 § 1246 Nrn 60, 81, 109, 139). Demgegenüber sind nach den schriftlichen Gutachten schon Tätigkeiten nach Einarbeitungszeiten von ein bis zwei Wochen angelernte Tätigkeiten. Die weitergehenden Aussagen der Sachverständigen in der mündlichen Anhörung sind nicht belegt. Die schriftlichen Gutachten der Sachverständigen könnten deshalb nur relevant werden, wenn ein Versicherter ausschließlich auf Tätigkeiten verwiesen werden kann, die fachlich ganz einfach sind, was in der Regel aber nicht der Fall ist. Die Vorlage bezieht sich hierauf nicht. Der vorlegende Senat vertritt selbst die Auffassung, daß sich die Gefahr der Verschlossenheit des Arbeitsmarktes mangels Arbeitsmarkttransparenz gegenwärtig nur bezogen auf konkrete Verweisungstätigkeiten feststellen lasse, also nicht generell für ungelernte körperlich leichte Tätigkeiten, und räumt ein, daß der vorhandene Katalog ausreiche, soweit die Anhörung ergeben habe, daß fachlich und zugleich körperlich leichte Arbeitsplätze in den seltensten Fällen noch von außen besetzt werden.
Der Gesetzgeber ist auch nicht gehalten, die angesprochene Personengruppe im Rahmen der durch den allgemeinen Gleichheitssatz gebotenen Rechtsetzungsgleichheit in den Schutz der Rentenversicherung einzubeziehen. Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers besteht gerade darin, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft, die der Gesetzgeber also im Rechtssinne als gleich ansehen will (BVerfGE 90, 226, 239 = SozR 3-4100 § 111 Nr 6 mwN). Ausgehend von den bestehenden Systemen der sozialen Sicherung ist es nicht sachwidrig, unvertretbar oder willkürlich, wenn der Rentenversicherung Risiken nicht zugewiesen werden, die ihren Grund letztlich darin haben, daß die deutsche Wirtschaft nicht so viele Arbeitskräfte benötigt, um alle, die in Deutschland arbeiten wollen und üblichen Anforderungen der Berufswelt zu entsprechen in der Lage sind, beschäftigen zu können.
Hiernach kommt, nicht zuletzt wegen der Änderungen der §§ 43 ff SGB VI, eine Ergänzung des Verschlossenheitskatalogs, wie sie der vorlegende Senat für Fälle vorliegender Art anregt, nicht in Betracht. Eine solche Rechtsfortbildung würde angesichts des erklärten Ziels des 2. SGB VI-ÄndG, eine (weitere) Verlagerung des Arbeitsmarktrisikos auf die Rentenversicherung mit Rücksicht auf eine anstehende Neuregelung der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu verhindern, den Willen des Gesetzgebers, der sich die Risikozuweisung vorbehalten wollte, mißachten und wäre daher jedenfalls derzeit unzulässig. Ob der Wille des Gesetzgebers einer Rechtsfortbildung zu einem späteren Zeitpunkt entgegenstünde, wenn eine Neuregelung des Rechts der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht weiterverfolgt würde, ist hier nicht zu entscheiden. Ist jedenfalls eine Ergänzung des Verschlossenheitskatalogs nach dem derzeit geltenden Recht unzulässig, verbietet sie sich auch für die Zeit vor Inkrafttreten des 2. SGB VI-ÄndG. Denn es macht keinen Sinn und widerspräche jeder Rechtskontinuität, Recht für die Vergangenheit fortzubilden, das nach dem Willen der gesetzgebenden Körperschaften für die Zukunft so nicht fortgebildet werden darf. Der Große Senat braucht deshalb nicht zu entscheiden, ob die Änderungen der §§ 43 ff SGB VI unmittelbar auch für Ansprüche maßgebend sind, die für Zeiten vor dem Inkrafttreten des 2. SGB VI-ÄndG geltend gemacht werden, und welche Bedeutung § 302b Abs 3 SGB VI zukommt (vgl dazu BSG Urteile vom 14. Mai 1996 – 4 RA 60/94 –, vom 12. Juni 1996 – 5 RJ 2/96 –, vom 18. Juli 1996 – 4 RA 33/94 –, alle zur Veröffentlichung vorgesehen).
Die zweite Vorlagefrage ist daher dahingehend zu beantworten, daß die Fallgruppen, bei denen das BSG bisher die erhebliche Gefahr einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes angenommen hat, nicht mit Rücksicht auf ältere arbeitslose ungelernte Versicherte oder ältere arbeitslose angelernte Versicherte des unteren Bereichs zu erweitern sind, die vollschichtig nur noch körperlich leichte Arbeiten mit weiteren Einschränkungen verrichten können.
4. Ist der Verschlossenheitskatalog nicht um Arbeitsplätze zu ergänzen, auf denen körperlich leichte ungelernte Tätigkeiten vollschichtig erbracht werden, bedarf es nicht wegen dieses Gesichtspunkts einer Einschränkung der pauschalen Verweisung auf ungelernte Tätigkeiten bei der Prüfung der EU. Da an dem Grundsatz festzuhalten ist, daß bei der Prüfung der EU Versicherte, die vollschichtig körperlich leichte Arbeiten zu erbringen in der Lage sind, hierauf pauschal verwiesen werden können, besteht kein Grund, abweichend von der bisherigen Rechtsprechung generell bei Versicherten, die zu solchen Arbeiten nur mit Einschränkungen in der Lage sind, einen konkreten Vergleich der Leistungsfähigkeit mit dem Anforderungsprofil einer bestimmten Verweisungstätigkeit zu fordern. Es genügt, daß es zu einem derartigen Vergleich kommt, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeschränkungen oder eine spezifische Leistungsbehinderung vorliegt. Denn eine vernünftige Handhabung dieser weiten Begriffe sichert, daß immer dann, wenn ernsthafte Zweifel bestehen, ob der Versicherte in einem Betrieb einsetzbar ist oder ein Katalogfall vorliegen könnte, die konkrete Bezeichnung einer Verweisungstätigkeit erfolgen muß, die nicht nur zu dem Vergleich von Leistungsfähigkeit und Anforderungsprofil führt, sondern auch zu der individuellen Prüfung, ob dem Versicherten der Arbeitsmarkt offen ist oder nicht.
Auf die erste Vorlagefrage ist daher in bezug auf EU zu antworten, daß für die Beurteilung der EU die konkrete Benennung von Verweisungstätigkeiten auch dann nicht erforderlich ist, wenn die Versicherte körperlich leichte Tätigkeiten vollschichtig nur mit weiteren Einschränkungen verrichten kann; die konkrete Bezeichnung von Verweisungstätigkeiten ist erforderlich, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt.
IV
Nach dem Vorstehenden ist über die Vorlage nur noch zu befinden, soweit der vorlegende Senat wissen will, ob für die Beurteilung, ob eine Versicherte der Gruppe mit dem Leitbild der angelernten Arbeiterin im unteren Bereich oder der Gruppe mit dem Leitbild der ungelernten Arbeiterin berufsunfähig ist, die konkrete Benennung von Verweisungstätigkeiten erforderlich ist.
1. Da der vorlegende Senat aufgrund der vorhergehenden Antworten des Großen Senats die Klage auf Rente wegen EU abweisen wird, hat er nunmehr über den mit dem Hilfsantrag geltend gemachten Anspruch auf Rente wegen BU zu entscheiden, der nach § 1246 RVO zu beurteilen ist. Wie erwähnt, vermißt der vorlegende Senat Feststellungen, daß die Klägerin nicht mehr als Fleischereiarbeiterin erwerbstätig sein kann, und dazu, wie der bisherige Beruf in das Mehrstufenschema einzuordnen ist. Hiernach müßte die Revision bezüglich des Hilfsantrags zur Zurückverweisung der Sache an das LSG führen. Angesichts dessen ist zweifelhaft, ob für die Entscheidung über die Revision die noch offene Frage überhaupt erheblich ist und vom Großen Senat beantwortet werden muß. Wegen des Sachzusammenhangs und weil für die Beantwortung der noch offenen Frage keine wesentlich neuen Überlegungen anzustellen sind, beantwortet der Große Senat die Frage ungeachtet formaler Bedenken.
2. Wie bei der EU hat das BSG aus den erörterten Gründen auch bei der BU die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit nicht für erforderlich angesehen, wenn der Versicherte zwar nicht mehr zu körperlich schweren, aber doch vollschichtig zu mittelschweren oder leichten Arbeiten in der Lage war und auf ungelernte Tätigkeiten verwiesen werden durfte (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 30, 75, 81, 90, 104, 109, 117). Anders als bei der EU können bei der BU nach dem Mehrstufenschema auf ungelernte Tätigkeiten nur verwiesen werden Versicherte der Gruppe mit dem Leitbild des ungelernten Arbeiters, wenn man diese Gruppe, die keinen Berufsschutz genießt, hier überhaupt erwähnen will, und grundsätzlich Versicherte der Gruppe mit dem Leitbild des angelernten Arbeiters. Das ist der Regelung des § 1246 Abs 2 RVO (vgl jetzt § 43 Abs 2 SGB VI) entnommen worden. Von der pauschalen Verweisung generell ausgenommen ist der „obere Bereich” der letztgenannten Gruppe: Da Versicherte dieser Obergruppe, insbesondere Versicherte mit einem anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von längstens zwei Jahren Dauer, im Rahmen der BU nur auf solche ungelernten Tätigkeiten verwiesen werden dürfen, die sich durch Qualitätsmerkmale wie das Erfordernis einer Einweisung oder Einarbeitung oder die Notwendigkeit beruflicher oder betrieblicher Vorkenntnisse auszeichnen, wird die konkrete Bezeichnung einer Verweisungstätigkeit gefordert (BSGE 59, 201, 206 = SozR 2200 § 1246 Nr 132; SozR 2200 § 1246 Nrn 140, 143; SozR 3-2200 § 1246 Nr 45). Von der pauschalen Verweisung bei der BU betroffen sind daher nur ungelernte Arbeiter und angelernte Arbeiter (im unteren Bereich), die in der ersten Vorlagefrage angesprochen sind und dem Grunde nach keinen bzw praktisch keinen Berufsschutz genießen.
Da für die pauschale Verweisung keine anderen Gründe als bei der EU angeführt werden und § 43 SGB VI, seit 1992 anstelle des § 1246 RVO Anspruchsgrundlage für die Rente wegen BU, in Abs 2 Satz 4 SGB VI idF des 2. SGB VI-ÄndG vorsieht, daß berufsunfähig nicht ist, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann, und daß dabei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist, kann auf die erste Vorlagefrage bezüglich der Prüfung von BU nicht anders als zur Prüfung von EU geantwortet werden. Auch zur Begründung der Erforderlichkeit der konkreten Benennung von Verweisungstätigkeiten zur Prüfung der BU läßt sich eine versicherungsrechtliche Gleichbehandlung der unteren Arbeitnehmergruppen nicht ins Feld führen. Daß bei unteren Arbeitnehmergruppen eine pauschale Verweisung zulässig ist, bei oberen nicht, beruht einerseits auf tatsächlichen Unterschieden in der Berufswelt, zum anderen auf dem System der BU-Rente. Denn da die Verweisungsmöglichkeiten um so beschränkter sind, je höher der qualitative Wert des bisherigen Berufs einzustufen ist, ist in diesen Fällen des Berufsschutzes wegen die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit erforderlich, während sie bei einer breiten Verweisbarkeit des Versicherten entbehrlich ist. Letztlich ist dies darauf zurückzuführen, daß Versicherte der unteren Berufsgruppen auf jede Tätigkeit verwiesen werden können, die sie zu leisten vermögen. Darin kann indes keine grundlose Verschiedenbehandlung erblickt werden (BVerfGE 59, 36, 48 = SozR 2200 § 1246 Nr 83).
Die Antwort auf die erste Vorlagefrage bezüglich der EU ist daher dahin zu ergänzen, daß Gleiches für die Beurteilung der BU Versicherter der Gruppe mit dem Leitbild der angelernten Arbeiterin im unteren Bereich und der Gruppe mit dem Leitbild der ungelernten Arbeiterin gilt.
Fundstellen