Verfahrensgang

SG Hildesheim (Entscheidung vom 28.02.2022; Aktenzeichen S 24 AS 1147/19)

LSG Niedersachsen-Bremen (Beschluss vom 08.05.2023; Aktenzeichen L 7 AS 189/22)

 

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 8. Mai 2023 - L 7 AS 189/22 - Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

 

Gründe

Dem Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH kann nicht stattgegeben werden. Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 ZPO kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet; das ist hier nicht der Fall. Es ist nicht zu erkennen, dass ein beim BSG zugelassener Prozessbevollmächtigter (§ 73 Abs 4 SGG) in der Lage wäre, die vom Kläger angestrebte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG erfolgreich zu begründen. Da der Kläger keinen Anspruch auf Bewilligung von PKH hat, ist auch sein Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts abzulehnen (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 ZPO).

Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), der Beschluss des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Ein solcher Zulassungsgrund ist weder nach dem Vorbringen des Klägers noch nach summarischer Prüfung des Streitstoffs aufgrund des Inhalts der beigezogenen Verfahrensakte ersichtlich.

Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) ist nur dann anzunehmen, wenn eine Rechtsfrage aufgeworfen wird, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Es ist nicht erkennbar, dass sich wegen der Entscheidung der Vorinstanz, die Berufung des Klägers, mit der er den Anspruch auf einen Mehrbedarf (§ 21 Abs 6 SGB II) für englischsprachige Lernmittel weiterverfolgt hat, sei unzulässig, Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen.

Die Entscheidung des LSG weicht auch nicht von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG ab, weshalb eine Divergenzrüge keine Aussicht auf Erfolg verspricht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG). Divergenz kommt ausschließlich in Betracht, wenn das LSG einen Rechtssatz in Abweichung von einem solchen des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat. Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter in der Lage sein könnte, derartige abweichende Rechtssätze, auf denen die Entscheidung beruht, zu benennen.

Schließlich ist nicht erkennbar, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter einen Verfahrensmangel geltend machen könnte, auf dem die angefochtene Entscheidung des LSG beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG). Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass das LSG zu Unrecht allein eine Prozessentscheidung getroffen hat, als es die Berufung des Klägers durch Beschluss (§ 158 Satz 2 SGG) mit der Begründung als unzulässig verworfen hat, der Berufungswert übersteige 750 Euro nicht (§ 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG) und die Berufung betreffe keine wiederkehrenden oder laufenden Leistungen für mehr als ein Jahr (§ 144 Abs 1 Satz 2 SGG). Der Kläger hat im Rahmen seines Widerspruchs ausdrücklich klargestellt, dass er die beanspruchte Kostenübernahme als Mehrbedarf geltend mache und nicht als Leistung zur Eingliederung (Schreiben vom 4.2.2019). Zutreffend ist das LSG deswegen davon ausgegangen, dass der Streitgegenstand in zeitlicher Hinsicht der Bewilligungszeitraum vom 1.10.2018 bis 30.9.2019 ist (vgl den ursprünglichen Bescheid vom 19.9.2018 über die Bewilligung von Leistungen; vgl zur fehlenden Abtrennbarkeit des Anspruchs auf einen Mehrbedarf vom Anspruch auf Regelbedarf nur BSG vom 26.1.2022 - B 4 AS 3/21 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 36 RdNr 11 mwN). Dass Bescheide über sich anschließende Bewilligungszeiträume vom Kläger angefochten und zum Gegenstand des vorliegenden Klageverfahrens gemacht worden sind, ist nicht erkennbar (eine Addition von Bewilligungszeiträumen ohnehin ablehnend BSG vom 30.6.2021 - B 4 AS 70/20 R - BSGE 132, 255 = SozR 4-1500 § 144 Nr 11, RdNr 15, 33). Soweit der Kläger im Berufungsverfahren geltend gemacht hat, die jährlichen Abonnement-Kosten in den Jahren 2018 bis 2022 seien ebenfalls Gegenstand des Rechtsstreits, ist dies nicht zutreffend. Selbst wenn man aber diese Eigenangaben des Klägers zur Berechnung des Berufungswerts zugrunde legen würde (vgl Schreiben vom 12.4.2023), wäre der notwendige Betrag von 750 Euro nicht erreicht. Der vom Kläger angegebene Berufungswert von 772,49 Euro folgt allein aus dem geltend gemachten Zinsanspruch. Zinsen als Nebenforderung bleiben bei der Berechnung insoweit aber unberücksichtigt (vgl § 202 Satz 1 SGG iVm § 4 Abs 1 Halbsatz 2 ZPO; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl 2023, § 144 RdNr 15a).

Die vom Kläger mit seinem PKH-Antrag darüber hinaus gerügten Verfahrensfehler liegen ebenfalls nicht vor. Insbesondere ist für Verfahrensfehler im Zusammenhang mit der Entscheidung des LSG durch Beschluss gemäß § 158 Satz 2 SGG nichts ersichtlich. Es bestand schon deshalb kein Anlass zu "Ausführungen zur Sach- und Rechtslagebeurteilung" im Rahmen der Anhörungsmitteilung, weil die Berufung unzulässig war. Hierauf war das LSG im Einzelnen eingegangen. Entscheidungserheblichen Vortrag des Klägers hat es nicht übergangen.

S. Knickrehm

Neumann

Harich

 

Fundstellen

Dokument-Index HI16226629

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