Orientierungssatz

Die Parteivernehmung ist kein Beweismittel iS des SGG und ein darauf gerichteter Antrag kein Beweisantrag iS von § 103 SGG.

 

Normenkette

SGG §§ 103, 118 Abs 1; ZPO § 445

 

Verfahrensgang

LSG Berlin (Entscheidung vom 27.02.1987; Aktenzeichen L 1 An 117/86)

 

Gründe

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem vorbezeichneten Urteil ist unzulässig.

Der Kläger behauptet zunächst einen Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und trägt vor, das Landessozialgericht (LSG) sei im angefochtenen Urteil von der Entscheidung des 12. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) vom 17. Dezember 1980 (SozR 5070 § 3 Nr 1) hinsichtlich der Anforderungen an eine Glaubhaftmachung abgewichen. Eine Abweichung ist jedoch nicht iS von § 160a Abs 2 Satz 3 SGG hinreichend "bezeichnet".

Der Beschwerdeführer genügt seiner gesetzlichen Last, die Divergenz zu bezeichnen, nicht schon dann, wenn er auf eine bestimmte höchstrichterliche Entscheidung mit der Behauptung hinweist, das angegriffene Urteil des LSG weiche hiervon ab. Abweichen kann der Tatrichter allein von bestimmten Aussagen einer höchstrichterlichen Rechtsprechung, so daß der Beschwerdeführer notwendigerweise auch darzulegen hat, mit welcher konkreten, hiermit unvereinbaren Aussage das angefochtene Urteil von einer höchstrichterlichen Entscheidung abgewichen ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 29 S 33/34). Diesen Formerfordernissen genügt die Beschwerdebegründung des Klägers nicht. Das LSG hat nämlich im angefochtenen Urteil in Übereinstimmung mit und unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das Urteil des BSG vom 17. Dezember 1980 (aaO) ausgeführt, für die streitige Glaubhaftmachung nach § 10 Versicherungsunterlagen-Verordnung (VuVO) genüge die "gute Möglichkeit", daß der entscheidungserhebliche Vorgang sich so zugetragen habe, wie behauptet wird; gewisse noch verbleibende Zweifel seien unbeachtlich. Davon ist das LSG bei seiner Beweiswürdigung ausgegangen und dabei zu dem Ergebnis gelangt, es sei in diesem Sinn nicht überwiegend wahrscheinlich, daß ein versicherungspflichtiges Lehrverhältnis vorgelegen habe und Beiträge für die Zeit der Beschäftigung des Klägers in einem Krefelder Kaufhaus entrichtet worden seien. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Behauptung, bei der damit angenommenen Möglichkeit, daß er während seiner Lehrzeit als versicherungsfrei zu behandeln gewesen sei, handele es sich nur um einen Ausnahmefall, da Lehrlinge bei Entgeltzahlung grundsätzlich versicherungspflichtig gewesen seien. Da er eine Entgeltzahlung während der Lehrzeit glaubhaft versichert habe, könne ihm vom LSG nicht lediglich die Möglichkeit entgegengehalten werden, daß es sich anders verhalten haben könne. Dieser lediglich auf die Tatsachenwürdigung bezogene Vortrag des Klägers kann nicht ersichtlich machen, inwieweit die Aussage des LSG eine Abweichung von der genannten Entscheidung des BSG zur Frage der Glaubhaftmachung enthalten könnte.

Aber auch soweit der Kläger rügt, das Urteil des LSG ruhe auf einem Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), genügen seine Darlegungen nicht den Erfordernissen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG. Es ist schon zweifelhaft, ob mit der Behauptung, das LSG habe einen Antrag auf "Parteivernehmung" übergangen, ein Beweisantrag iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG bezeichnet ist, der zur Zulassung der Revision führen kann. Die Parteivernehmung ist kein Beweismittel im Sinne des SGG und ein darauf gerichteter Antrag kein Beweisantrag iS von § 103 SGG; denn in § 118 Abs 1 SGG ist auf die diesbezüglichen Vorschriften der Zivilprozeßordnung -ZPO- (§§ 445 bis 454) nicht verwiesen (allgemeine Meinung, vgl BSG SozR § 445 ZPO Nr 1; Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 3. Aufl, § 118 RdNr 8 mwN). Im übrigen kann selbst im Zivilprozeß nur eine Parteivernehmung des Gegners beantragt (§ 445 ZPO), die eigene allenfalls als von Amts wegen geboten (§ 448 ZPO) angeregt werden. Das SGG jedenfalls sieht nur die Heranziehung der Beteiligten im Wege einer Anordnung des persönlichen Erscheinens zwecks Erörterung des Sachverhalts vor (§ 106 Abs 3 Nr 7; § 112 Abs 2 SGG). Aber auch wenn ein Beweisantrag iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG auf die Anordnung der eigenen persönlichen "Vernehmung" gerichtet werden könnte, ist die Rüge des Verfahrensmangels unzulässig. Das Übergehen eines Beweisantrages kann nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG nur dann zur Zulassung der Revision führen, wenn das LSG dem Antrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Dieses muß in der Beschwerdebegründung dargelegt werden. Daran fehlt es. Das LSG hat dafür, daß es von der Anhörung des Klägers zu seiner Behauptung, er habe sich eine Versicherungskarte ausstellen lassen und diese dem Arbeitgeber vorgelegt, abgesehen hat, ausgeführt: Auch wenn der Kläger dieses bei seiner Vernehmung angeben würde, könne daraus allein nicht auf die Versicherungspflicht des Beschäftigungsverhältnisses und die tatsächliche Abführung der Beiträge geschlossen werden. Inwiefern diese Begründung nicht ausreicht, ist vom Kläger nicht aufgezeigt worden. Sein Vorbringen, durch die Bestätigung der erwähnten Behauptung hätte sich ein Indiz für die tatsächliche Abführung von Beiträgen zur Rentenversicherung ergeben, reicht nicht aus, zumal das LSG der bei einer "Vernehmung" bestätigten Behauptung nicht jede Indizwirkung, sondern unter Berücksichtigung des übrigen Ergebnisses des gesamten Verfahrens und des Vorprozesses lediglich die allein ausschlaggebende Bedeutung abgesprochen hat.

Nach allem war die Beschwerde des Klägers als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht den Formerfordernissen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG genügt.

Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1652544

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