Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde. Divergenz. Fehlende Übereinstimmung im Grundsätzlichen. Verfahrensmangel
Leitsatz (redaktionell)
1. Nicht die – behauptete – Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die fehlende Übereinstimmung im Grundsätzlichen kann die Zulassung der Revision wegen Abweichung begründen.
2. Wird eine Verletzung einer materiellen Norm gerügt, handelt es sich nicht um einen gerügten Verfahrensmangel.
Normenkette
SGG §§ 103, 109, 128 Abs. 1 S. 1, § 160 Abs. 2 Nrn. 2-3, § 160a Abs. 2 S. 3, Abs. 4 S. 1, § 169; SGB II § 12 Abs. 4 S. 3
Verfahrensgang
SG Dresden (Entscheidung vom 09.10.2019; Aktenzeichen S 34 AS 4840/15) |
Sächsisches LSG (Urteil vom 08.10.2020; Aktenzeichen L 7 AS 1382/19) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 8. Oktober 2020 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil weder der geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) noch ein Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) in der erforderlichen Weise bezeichnet worden sind (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Die Beschwerde ist daher ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG, § 169 SGG).
Eine Abweichung (Divergenz) iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ist nur dann hinreichend dargelegt, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht. Eine Abweichung liegt nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG aufgestellt haben, weil die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall nicht die Zulassung einer Revision wegen Abweichung rechtfertigt. Erforderlich ist vielmehr, dass das LSG diesen Kriterien widersprochen und über den Einzelfall hinausgehende andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die - behauptete - Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die fehlende Übereinstimmung im Grundsätzlichen kann die Zulassung wegen Abweichung begründen (stRspr; vgl etwa BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34; Voelzke in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2017, § 160 RdNr 119). Diese Anforderungen sind nicht erfüllt. Der Kläger benennt bereits keinen entscheidungstragenden abstrakten Rechtssatz im Urteil des Berufungsgerichts. Seine Ausführungen betreffen allesamt die Umstände des Einzelfalles.
Auch einen Verfahrensmangel hat der Kläger nicht hinreichend bezeichnet. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 (Anhörung eines bestimmten Arztes) und 128 Abs 1 Satz 1 SGG (freie richterliche Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Wer eine Nichtzulassungsbeschwerde auf diesen Zulassungsgrund stützt, muss zu seiner Bezeichnung (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) die diesen Verfahrensmangel des LSG (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dartun, also die Umstände schlüssig darlegen, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (stRspr; siehe bereits BSG vom 29.9.1975 - 8 BU 64/75 - SozR 1500 § 160a Nr 14; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160a RdNr 16 mwN). Darüber hinaus ist aufzuzeigen, dass und warum die Entscheidung - ausgehend von der Rechtsansicht des LSG - auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit der Beeinflussung des Urteils besteht (stRspr; vgl bereits BSG vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - SozR 1500 § 160a Nr 36). Auch diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Der Kläger rügt als Verfahrensmangel lediglich eine Verletzung des § 12 Abs 4 Satz 3 SGB II durch das LSG, also die Verletzung einer materiellen Norm und damit gerade keinen Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14366248 |