Verfahrensgang
Sächsisches LSG (Urteil vom 21.02.2017; Aktenzeichen L 9 SB 83/12) |
SG Dresden (Entscheidung vom 28.06.2012; Aktenzeichen S 41 SB 342/09) |
Tenor
Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 21. Februar 2017 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
Gründe
I
Die Klägerin begehrt die Zuerkennung des Merkzeichens H (Hilflosigkeit).
Die 1978 geborene Klägerin leidet am Asperger Syndrom. Sie hat die Schule mit Abitur abgeschlossen, anschließend Geisteswissenschaften studiert, dieses Studium abgebrochen und eine Lehre zur Rechtsanwaltsfachangestellten abgeschlossen.
Der Grad der Behinderung der Klägerin wurde zuletzt ab dem 1.1.1985 mit 80 festgestellt, die Zuerkennung ua des Merkzeichens H aber abgelehnt (Bescheide vom 25.5. und 17.7.2009, Widerspruchsbescheid vom 28.7.2009). Das SG hat der Klägerin die Merkzeichen G und B ab dem 1.1.1985 zugesprochen und die Klage im Übrigen abgewiesen (Urteil vom 28.6.2012).
Auf ihre Berufung hat das LSG die Beklagte entsprechend deren Teilanerkenntnis verurteilt, bei der Klägerin vom 1.1.1985 bis zum 27.9.1996 (Datum der Volljährigkeit) das Merkzeichen H zuzuerkennen und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen. Nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen bestehe bei der Klägerin kein hinreichender erheblicher Hilfebedarf iS von § 33b Einkommensteuergesetz (EStG) mehr (Hinweis auf Senatsurteil vom 12.2.2003 - B 9 SB 1/02 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 1).
Mit ihrem Antrag begehrt die Klägerin Prozesskostenhilfe (PKH) für ihre Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG unter Beiordnung eines Rechtsanwalts. Das LSG sei von der Rechtsprechung des Senats abgewichen und habe Verfahrensrecht verletzt.
II
Der Antrag auf PKH ist abzulehnen. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 Abs 1 S 1 ZPO). Weder die Antragsbegründung noch die Aktenlage lassen bei der gebotenen summarischen Prüfung die erforderliche Erfolgsaussicht erkennen.
Hinreichende Erfolgsaussicht hat eine Nichtzulassungsbeschwerde nur, wenn einer der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe mit Erfolg geltend gemacht werden könnte. Die Revision darf danach zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Von diesen Zulassungsgründen lässt sich nach Aktenlage unter Berücksichtigung der Entscheidungsgründe des LSG-Urteils und des Vortrags der Klägerin keiner feststellen.
1. Die Sache bietet keine Hinweise für eine über den Einzelfall der Klägerin hinausgehende grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine entscheidungsrelevante Rechtsfrage aufwirft, die allgemein, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitzt (Senatsbeschluss vom 17.10.2018 - B 9 V 20/18 B - Juris RdNr 6 mwN) und die Anwendung mindestens eine Vorschrift des Bundesrechts betrifft (§ 162 SGG). Die Frage muss außerdem klärungsbedürftig sein. Das ist grundsätzlich nicht der Fall, wenn die Antwort darauf von vornherein praktisch außer Zweifel steht oder bereits höchstrichterlich entschieden ist (Senatsbeschluss aaO RdNr 9). Rechtsfragen, die in diesem Sinne klärungsbedürftig sein könnten, sind hier nicht ersichtlich. Das LSG hat sich bei seiner Entscheidung auf die Senatsrechtsprechung zum Begriff der Hilflosigkeit im Sinne von § 33b EStG gestützt (vgl Senatsurteil vom 12.2.2003 - B 9 SB 1/02 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 1). Von diesem zutreffenden rechtlichen Ausgangspunkt aus hat das LSG auf der Grundlage der von ihm getroffenen, für den Senat nach § 163 SGG bindenden Tatsachenfeststellungen einen erheblichen, dauernden Hilfebedarf der Klägerin iS von § 3b Abs 6 S 3 und 4 EStG, Teil A Nr 4 c) der Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) verneint. Soweit die Klägerin dem LSG dabei eine falsche Gesetzesauslegung vorwirft, rügt sie der Sache nach nur einen im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde unerheblichen Rechtsanwendungsfehler (error in iudicando). Die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung des LSG im Einzelfall ist nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde (Senatsbeschluss vom 9.6.2017 - B 9 V 88/16 B - Juris RdNr 11 mwN).
2. Da das LSG sich ausdrücklich auf die Senatsrechtsprechung gestützt hat, erschließt sich auch nicht, warum es entscheidungstragend von der Rechtsprechung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abgewichen sein sollte (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 SGG). Die von der Klägerin zitierte Senatsentscheidung (Urteil vom 23.6.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285 = SozR 3-3870 § 4 Nr 6) betrifft die besondere Situation Hörsprachgeschädigter und die bei ihnen bestehende, tiefgreifende Kommunikationsstörung in Bezug auf die hörende Welt (Senatsurteil BSGE aaO S 288 = SozR aaO S 31 f). Zwar trägt die Klägerin insoweit vor, das LSG habe die von ihr mehrfach eingeforderte Hilfe für Kommunikation - als eine der wesentlichen Verrichtungen des täglichen Lebens (vgl Senatsurteil BSGE aaO S 289 = SozR aaO S 32 f) - ignoriert. Indes hat das LSG auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen auch einen erheblichen Hilfebedarf der Klägerin in den Bereichen der geistigen Anregung, der Möglichkeit der Kommunikation und die Notwendigkeit einer ständigen Bereitschaft iS von § 33b Abs 6 S 4 EStG, Teil A Nr 4 c) der Anlage zu § 2 VersMedV ausdrücklich verneint. Damit richtet sich die Kritik der Klägerin im Ergebnis gegen die Beweiswürdigung des LSG. Diese entzieht § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG der Beurteilung durch das Revisionsgericht. Kraft der darin enthaltenen ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung kann die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts mit der Nichtzulassungsbeschwerde weder unmittelbar noch mittelbar angegriffen werden (Senatsbeschluss vom 23.5.2017 - B 9 SB 76/16 B - Juris RdNr 9 mwN).
3. Schließlich fehlt auch ein ausreichender Anhalt dafür, dass ein die Revisionszulassung rechtfertigender Verfahrensfehler des LSG vorliegen könnte (Zulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel dabei nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Solche entscheidungsrelevanten Verfahrensmängel sind nicht ersichtlich.
Die Klägerin rügt zwar, das Gericht habe ihr Recht auf sachdienliche Fragen an die zuletzt vom LSG gehörte Sachverständige aus § 116 S 2 SGG, § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 397, 402, 411 Abs 4 ZPO und damit letztlich ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG) verletzt. Indes hat die Gutachterin mit Schriftsatz vom 21.8.2016 zu den umfangreichen schriftlichen Einwendungen der Klägerin Stellung genommen.
Soweit sich die Klägerin gegen den Beschluss des LSG vom 1.2.2017 wendet, mit dem das Gericht ihren Antrag auf Ablehnung der genannten Pflegegutachterin wegen Befangenheit verworfen hat, ist dieser Beschluss nach § 177 SGG nicht anfechtbar gewesen. Er unterliegt deshalb ebenso wenig der Kontrolle durch das Revisionsgericht (vgl Senatsbeschluss vom 7.6.2018 - B 9 V 69/17 B - Juris RdNr 6) wie der Beschluss über ihre beim LSG erhobene Anhörungsrüge gegen dessen Urteil. Das gilt auch für die von der Klägerin in diesem Zusammenhang gerügte Verletzung ihres rechtlichen Gehörs.
Die Klägerin meint schließlich, das LSG hätte auf ihren schriftlichen Antrag ein weiteres Pflegegutachten einholen müssen. Indes erschließt sich - unabhängig vom Vorliegen eines prozessordnungsgemäßen Beweisantrags - nicht, welche Umstände das LSG zu weiterer Beweiserhebung hätten drängen sollen (vgl zu diesem Erfordernis Senatsbeschluss vom 16.2.2017 - B 9 V 48/16 B - Juris RdNr 13 mwN). Denn es lagen bereits drei Gutachten über die Klägerin vor, die in der Zusammenschau durch das LSG allesamt keinen ausreichenden Hilfebedarf für die Zuerkennung des Merkzeichens H ergeben hatten. Zu den umfangreichen Einwendungen der Klägerin hatte die zuletzt gehörte Sachverständige nochmals schriftlich Stellung genommen. Soweit die Klägerin sich vehement gegen deren Formulierungen und Bewertungen wendet, ergeben sich daraus keine wesentlichen Inhaltsmängel des Gutachtens wie Lücken oder inhaltliche Widersprüche, die das LSG in der Zusammenschau mit den beiden anderen, im Ergebnis gleichlautenden Gutachten zu weiteren Ermittlungen hätten drängen müssen (vgl BSG Beschluss vom 25.11.2008 - B 5 R 366/07 B - Juris RdNr 10). Der weiter erhobene Vorwurf fehlender medizinischer Sachkunde ist nicht geeignet, die Kompetenz einer Pflegekraft für Fragen des Hilfebedarfs infrage zu stellen.
Der Antrag auf PKH ist daher abzulehnen. Damit entfällt zugleich auch die begehrte Beiordnung eines Rechtsanwalts (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).
Fundstellen
Dokument-Index HI13022629 |