Leitsatz (amtlich)
Die Rüge, das LSG habe zu Unrecht die Rechtmäßigkeit eines ablehnenden Verwaltungsakts bestätigt, mit dem die Verwaltung unter Berufung auf die Bindungswirkung eines früheren Ablehnungsbescheids eine erneute Sachprüfung abgelehnt hat, und deshalb die Prüfung des Klageanspruchs auf seine materiell-rechtliche Richtigkeit unterlassen, betrifft nicht einen "Mangel des Verfahrens" iS des SGG § 162 Abs 1 Nr 2(Ergänzung zu BSG 1958-04-18 10 RV 1035/66 = SozR Nr 95 zu § 162 SGG).
Normenkette
SGG § 162 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1953-09-03, Nr. 2 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 26. November 1970 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für seine Stiefmutter Familienhilfe zu gewähren. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Klage abgewiesen. Die Revision hat es nicht zugelassen. Der Kläger hat dennoch dieses Rechtsmittel eingelegt. Es wäre mithin nur statthaft, wenn er einen wesentlichen Mangel im Verfahren des LSG formgerecht gerügt hätte (§ 162 Abs. 1 Nr. 2, § 164 Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) und dieser auch vorliegt (BSG 1, 150). Das ist jedoch nicht der Fall.
Der Kläger rügt zunächst, die Voraussetzungen des § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG (Zulassung der Revision wegen Grundsätzlichkeit) hätten vorgelegen. Diese Rüge greift nicht durch. Nach der feststehenden Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) kann die Entscheidung des LSG über die Nichtzulassung der Revision nicht auf ihre Richtigkeit hin überprüft werden. Auch die unrichtige Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision begründet keinen Verfahrensmangel (BSG vom 30. September 1963 in SozR Nr. 175 zu § 162 SGG mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Andernfalls würde die zur Entlastung des BSG getroffene Regelung des Gesetzgebers, der eine Möglichkeit zur Anfechtung der Entscheidung des LSG über die Zulassung oder Nichtzulassung der Revision, insbesondere eine Nichtzulassungsbeschwerde, bewußt im SGG nicht vorgesehen hat, auf einem Umwege zunichte gemacht werden. Ob diese Auffassung für den Fall einzuschränken ist, daß die Revision aus Willkür nicht zugelassen wurde, kann der Senat auch in diesem Falle offenlassen (vgl. Beschluß des Senats vom 30. Oktober 1959 in SozR Nr. 19 zu Art. 3 GG). Der Kläger hat nichts dafür vorgetragen, was dafür sprechen könnte, daß sich das LSG bei seiner Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen.
Auch die im Zusammenhang mit der ersten Rüge erhobene, jedoch selbständig zu beurteilende Rüge, das LSG hätte "die Klage nicht unter Hinweis auf die Bindungswirkung des Bescheides vom 3. Mai 1966 abweisen" dürfen, greift nicht durch. Zwar wäre es ein wesentlicher Mangel des Verfahrens i. S. des § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG, wenn sich ein Gericht zu Unrecht an ein früher ergangenes Urteil gebunden glaubt und die Klage abweist, ohne den Anspruch materiell zu prüfen. Im vorliegenden Fall hat jedoch das LSG "in der Sache", nämlich über die Rechtmäßigkeit des Ablehnungsbescheids der Beklagten vom Jahre 1969, entschieden und in diesem Zusammenhang die Rechtsauffassung der Beklagten gebilligt, sie habe angesichts der Bindungswirkung ihres früheren Ablehnungsbescheids aus dem Jahre 1966 keine erneute Sachprüfung vorzunehmen brauchen. Ob diese Auffassung zutrifft, kann ebenso dahinstehen wie die Frage, ob die von der Beklagten und dem LSG ihrer Auffassung zugrunde gelegte Norm über die Bindungswirkung früherer Verwaltungsakte das Verwaltungsverfahren betrifft oder sachrechtlicher Natur ist. Im Hinblick auf die vom Gericht zu entscheidende Frage nach der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte sind verwaltungsverfahrens- und sachlich-rechtliche Vorschriften gleich. Ein Rechtsverstoß bei ihrer Anwendung stellt jedenfalls keinen Mangel des Verfahrens i. S. des § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG dar, da hierunter nur ein Mangel des gerichtlichen Verfahrens zu verstehen ist, und zwar ein solcher im Verfahren des LSG, wenn dessen Urteil mit der Revision angefochten wird (vgl. den Beschluß des 10. Senats vom 18. April 1958 - 10 RV 1035/56 - SozR Nr. 95 zu § 162 SGG; vgl. ferner Nr. 137 ebenda). Hingegen ist die Entscheidung des Gerichts, deren Gegenstand die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes ist, stets eine Sachentscheidung. Die Rüge des Klägers betrifft somit nicht einen "Mangel des Verfahrens" i. S. des § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG.
Die Revision hat mithin keine Gründe vorgebracht, die geeignet sind, die Statthaftigkeit ihres Rechtsmittels darzutun. Sie war daher als unzulässig zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung erfolgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen