Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Nichtzulassungsbeschwerde. Verfahrensmangel. Klagerücknahmefiktion. Unterzeichnung der Betreibensaufforderung. Verfahrensrüge
Orientierungssatz
Rügt der Kläger, die Unterzeichnung einer Betreibensaufforderung genüge nicht den Anforderungen des BSG, weil sie "entgegen der Begründung des LSG in seinem Tatbestand nicht vom Richter mit vollem Namen unterzeichnet" worden sei, ist ein Verfahrensfehler hiermit nicht aufgezeigt, wenn er im Hinblick auf die seiner Behauptung entgegenstehende Feststellung des LSG keine zulässige Verfahrensrüge erhoben hat (vgl § 163 SGG).
Normenkette
SGG § 160a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 3, § 160 Abs. 2 Nr. 3, § 102 Abs. 2, § 163
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerden der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 20. März 2018 werden als unzulässig verworfen.
Die Anträge der Kläger, ihnen für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt s. beizuordnen, werden abgelehnt.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Revision in der bezeichneten Entscheidung des LSG sind als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 Satz 2 SGG).
Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Eine allgemeine Überprüfung des Rechtsstreits in dem Sinne, ob das LSG in der Sache richtig entschieden hat, ist nicht zulässig.
Die Kläger erheben allein eine Verfahrensrüge, ohne in der Beschwerdebegründung einen Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung des LSG beruhen kann, schlüssig zu bezeichnen (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Eine solche Bezeichnung setzt voraus, dass das BSG allein anhand der Begründung darüber entscheiden kann, ob ein Verfahrensmangel in Betracht kommt, indem diejenigen Tatsachen, aus denen sich der Mangel ergeben soll, substantiiert dargetan werden (vgl nur BSG SozR 1500 § 160a Nr 14; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 160a RdNr 16 mwN).
Aus der Beschwerdebegründung ergibt sich, dass das LSG im angefochtenen Urteil die Beendigung des Verfahrens durch Eintritt einer Klagerücknahmefiktion (§ 102 Abs 2 SGG) festgestellt habe. Die Kläger wenden sich hiergegen mit ihrer Verfahrensrüge und machen geltend, die förmlichen Voraussetzungen für eine wirksame Betreibensaufforderung lägen nicht vor, weil sie nicht unterzeichnet gewesen sei. Zudem sei der Eintritt der Fiktion nicht durch Urteil oder Beschluss festgestellt worden, sondern die Akte sei einfach an die 1. Instanz zurückgesandt worden.
Im Hinblick auf die Unterzeichnung der Betreibensaufforderung ergibt sich aus der Beschwerdegründung weiter, dass die Kläger im Ergebnis rügen, die Unterzeichnung der richterlichen Verfügung genüge nicht den Anforderungen des BSG (BSG vom 1.7.2010 - B 13 R 58/09 R - BSGE 106, 254 = SozR 4-1500 § 102 Nr 1, RdNr 49; BSG vom 4.4.2017 - B 4 AS 2/16 R - BSGE 123, 62 = SozR 4-1500 § 102 Nr 3, RdNr 24), weil sie "entgegen der Begründung des LSG […] in seinem Tatbestand nicht vom Richter mit vollem Namen unterzeichnet" worden sei. Ein Verfahrensfehler ist hiermit nicht aufgezeigt, weil die Kläger im Hinblick auf die ihrer Behauptung entgegenstehende Feststellung des LSG keine zulässige Verfahrensrüge erhoben haben (vgl § 163 SGG).
Soweit die Kläger weiter rügen, das LSG habe den Eintritt der Rücknahmefiktion nicht durch Urteil festgestellt, ist dies nach dem mitgeteilten Sachverhalt nicht nachvollziehbar, weil danach diese Feststellung Gegenstand des angegriffenen Berufungsurteils ist. Soweit sie hiermit zum Ausdruck bringen wollen, die Feststellung hätte unmittelbar nach Eintritt der Rücknahmefiktion erfolgen müssen, um wirksam zu sein, ist dies bei einer Klagerücknahmefiktion unzutreffend (vgl zum Verfahren nach Fiktionseintritt nur B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 102 RdNr 9, 12).
Soweit die Betreibensaufforderung sachliche Anhaltspunkte für einen Wegfall des Rechtsschutzinteresses verlangt (vgl hierzu nur BVerfG vom 17.9.2012 - 1 BvR 2254/11 - juris RdNr 29; BSG vom 4.4.2017 - B 4 AS 2/16 R - BSGE 123, 62 = SozR 4-1500 § 102 Nr 3, RdNr 27), ist ein Verfahrensfehler ebenfalls nicht aufgezeigt. Die Kläger beschränken sich auf eine Rüge der - vermeintlich - nicht vorliegenden formellen Voraussetzungen der Betreibensaufforderung bzw der Feststellung des Fiktionseintritts. Die in der Nichtzulassungsbeschwerde dargelegten Tatsachen ermöglichen nicht die Überprüfung, ob "nach einer Würdigung aller Umstände des Einzelfalls" (BSG vom 4.4.2017 - B 4 AS 2/16 R - BSGE 123, 62 = SozR 4-1500 § 102 Nr 3, RdNr 28) Anhaltspunkte für einen Wegfall des Rechtsschutzinteresses vorlagen.
PKH ist den Klägern nicht zu bewilligen, da ihre Rechtsverfolgung aus den vorstehend genannten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 ZPO). Zudem haben sie trotz mehrfacher Erinnerung keine Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen vorgelegt (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 117 Abs 2 und 4 ZPO). Da die Kläger keinen Anspruch auf Bewilligung von PKH haben, ist auch ihr Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts abzulehnen (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 ZPO).
Die Verwerfung der Beschwerden erfolgt in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI13219847 |