Entscheidungsstichwort (Thema)
Revisionsnichtzulassungsbeschwerde. Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Anforderungen an die Darlegung erneuter Klärungsbedürftigkeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Mit dem Vorbringen, das Berufungsgericht habe in der Sache nach Verkündung des 2. AAÜG-ÄndG entschieden, ohne dass vorher ein entsprechender Verwaltungsakt der Rentenversicherung erlassen worden sei, ist nicht bezeichnet worden, welchen Verfahrensfehler der Kläger damit rügen will und inwieweit das berufungsgerichtliche Urteil auf diesem Fehler beruht.
2. Sofern ein Kläger mit seinen Ausführungen darlegen will, die eine bestimmte Rechtsfrage sei aufgrund von verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung erneut klärungsbedürftig geworden, hätte er aufzeigen müssen, welchen vom BSG für die Auslegung des einfachen Gesetzesrechts entwickelten Kriterien und Inhalten das BVerfG aus welchen verfassungsrechtlichen Gründen widersprochen hat und weshalb diese verfassungsrechtlichen Korrekturen für die Entscheidung des BVerfG tragend waren. Allein der Umstand, dass der Kläger die Rechtsauffassung des BSG nicht für überzeugend hält, begründet keinen erneuten Klärungsbedarf.
Normenkette
SGG §§ 160a, 160 Abs. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
Sächsisches LSG (Urteil vom 25.09.2002) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 25. September 2002 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der im November 1927 geborene Kläger gehörte in der DDR ua der Altersversorgung der Intelligenz (AVI) an. Er war bis 31. Juli 1990 als ordentlicher Professor am Forschungsinstitut für Körperkultur und Sport in Leipzig tätig. Seit dem 1. Dezember 1992 bezieht er von der Beklagten Regelaltersrente (RAR). Während des Berufungsverfahrens setzte die Beklagte den Wert der RAR auf der Grundlage eines besitzgeschützten Zahlbetrages auf 2.769,29 DM fest (90 % des letzten Nettoeinkommens, erhöht um 6,84 %) und dynamisierte den Betrag entsprechend dem Urteil des Senats vom 3. August 1999 - B 4 RA 24/98 R (Bescheid vom 4. Mai 2000). Das weitergehende Begehren des Klägers, von einem besitzgeschützten Zahlbetrag von 3.348 DM auszugehen, diesen um 6,84 % zu erhöhen und ab 1. Dezember 1992 zu dynamisieren, ist ohne Erfolg geblieben (Urteil des Sächsischen LSG vom 25. September 2002). Das LSG hat ausgeführt: Nach der Rechtsprechung des BSG seien 90 % des maßgeblichen Nettoverdienstes als Obergrenze für den besitzgeschützten Zahlbetrag anzusehen. Dies gelte auch für Professoren. Der Kläger habe am 1. Juli 1990 noch nicht über einen verbindlichen Verwaltungsakt der früheren DDR zur Rentengewährung verfügt. Demnach hätte die Beklagte zutreffend einen besitzgeschützten Zahlbetrag von 2.592 DM zugrunde gelegt. Auch die Dynamisierung sei zu Recht nach dem aktuellen Rentenwert (§§ 63 Abs 7, 68 SGB VI) erfolgt. Für die Dynamisierung nach dem aktuellen Rentenwert Ost (§§ 255a, 255b SGB VI) gebe es keine Rechtsgrundlage. § 4 Abs 4 AAÜG idF des 2. AAÜG-ÄndG entspreche der verfassungskonformen Auslegung, die das BSG im Urteil vom 3. August 1999 - B 4 RA 24/98 R vorgenommen habe.
Mit der Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG vom 25. September 2002.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist gemäß § 160a Abs 4 Satz 2 SGG iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. In der Beschwerdebegründung ist entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG kein Revisionszulassungsgrund iS von § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG dargelegt bzw bezeichnet worden. Der Senat sieht gemäß § 160a Abs 4 Satz 3 Halbsatz 2 SGG von einer Begründung ab, weil dies zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung nicht beitragen könnte. Er beschränkt sich auf folgende Hinweise:
1. Mit dem Vorbringen, das LSG habe in der Sache nach Verkündung des 2. AAÜG-ÄndG entschieden, ohne dass vorher ein entsprechender Verwaltungsakt der Beklagten erlassen worden sei, ist nicht bezeichnet worden, welchen Verfahrensfehler des LSG der Kläger damit rügen will und inwieweit das Urteil des LSG auf diesem Fehler beruht.
2. Auch der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) ist nicht in der gebotenen Weise dargetan. Der Kläger hat auf S 4 und 5 der Beschwerdebegründung drei Fragen (Rechtsfragen A bis C) benannt: A. In welcher Höhe bestehen die im Einigungsvertrag Anlage II Kapitel VIII H III Nr 9 Buchst b Satz 5 in verfassungskonformer Auslegung dieser Vorschriften unter Beachtung des BVerfG-Urteils vom 28. April 1999 - Az: 1 BvL 32/95, 1 BvR 2105/95, garantierten Zahlbeträge zum 1. Juli 1990 aus der Zusatzversorgung gemäß AAÜG Anlage 1 Ziffer 4 und der Sozialpflichtversicherung der vormaligen DDR; in Höhe der Summe aus Rente der Sozialversicherung der DDR und der Leistung aus der Zusatzversorgung, wie sie für Juli 1990 gemäß § 23 Abs 1 RAnglG-DDR für Bestandsrentner zu zahlen waren, oder verkürzt auf 90 vH des letzten Nettoverdienstes vor dem 1. Juli 1990? Dies betrifft sowohl den sogenannten statischen Zahlbetrag gemäß § 4 Abs 4 Satz 1, 2 AAÜG nF als auch den anzupassenden Betrag gemäß Satz 3 ff. B. Ist der gemäß EV a.a.O. garantierte und in verfassungskonformer Auslegung dieser Vorschrift unter Beachtung des BVerfG-Urteils vom 28. April 1999 zu dynamisierende Zahlbetrag gemäß § 4 Abs 4 Satz 1 AAÜG um 6,84 vH zu erhöhen oder gemäß § 4 Abs 4 Satz 3 ff AAÜG nicht zu erhöhen? C. In welcher Weise ist der vom EV a.a.O. garantierte Zahlbetrag in verfassungskonformer Auslegung dieser Vorschrift unter Beachtung des BVerfG-Urteils vom 28. April 1999 an die Lohn- und Einkommensentwicklung anzupassen; ab 1. Januar 1992 gemäß §§ 255a, 255b SGB VI unter Einbeziehung der dritten RAV oder gemäß den Bestimmungen des § 4 Abs 4 Satz 3 ff AAÜG?
a) Zur Rechtsfrage A führt der Kläger aus: Die Entscheidung des LSG, wonach der garantierte Zahlbetrag maximal 90 vH des letzten Nettoeinkommens betrage, widerspreche dem Wortlaut des EV. Für Bestandsrentner und Neurentner sei der Betrag zu erbringen, der sich aus den rentenrechtlichen Bestimmungen für Juni 1990 ergebe. Dies habe § 23 Abs 1 Satz 1 RAnglG-DDR ausdrücklich bestimmt. Zudem habe das BVerfG in seinem Urteil vom 28. April 1999 darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber die Zahlbetragsgarantie ausdrücklich von dem Vorbehalt ausgenommen habe, das überhöhte Leistungen abzubauen seien. Die angefochtene Entscheidung des LSG verstoße gegen Art 14 Abs 1 und Art 3 Abs 1 GG. Die Verkürzung des Garantiebetrages auf 90 vH des letzten Nettoeinkommens bedeute einen mindestens ebenso schwerwiegenden Eingriff wie der vom BVerfG für verfassungswidrig erklärte Eingriff des § 10 Abs 1 Satz 2 AAÜG aF. Zudem würden Bestandsrentner und rentennahe Jahrgänge ohne hinreichend gewichtigen Grund unterschiedlich behandelt, je nachdem, ob sie einem Zusatz- oder Sonderversorgungssystem angehörten oder nicht.
Damit und mit den weiteren Ausführungen zur Klärungsfähigkeit und Klärungsbedürftigkeit hat der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargetan. Zur Klärungsfähigkeit beschränken sich die Ausführungen auf die Mitteilung, dass ausschließlich revisibles Recht betroffen sei. Damit ist die konkrete Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage jedoch nicht schlüssig dargelegt worden. Der Kläger hätte anhand des konkreten Sachverhalts den nach seiner Auffassung vom Revisionsgericht einzuschlagenden Weg der Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufzeigen und dabei insbesondere den Schritt darstellen müssen, der die Entscheidung der als grundsätzlich bezeichneten Rechtsfrage notwendig macht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Vorliegend hätte deshalb in der Beschwerdebegründung aufgezeigt werden müssen, weshalb das Revisionsgericht unter den Gegebenheiten des Falles des Klägers im angestrebten Revisionsverfahren notwendig die formulierte "Rechtsfrage A" würde beantworten müssen.
Erst recht reichen die Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit nicht aus. In der Beschwerdebegründung wird insoweit vorgetragen, dass der erkennende Senat bereits mehrfach iS des angefochtenen Urteils entschieden habe, jedoch mit unterschiedlicher Begründung. Diese Rechtsprechung widerspreche den Bestimmungen des EV. Dies werde auch vom BVerfG so gesehen. Eine Begrenzung auf 90 vH des letzten Nettogehalts hätte die AVI nicht vorgesehen. Diese ergebe sich auch nicht aus den §§ 24, 25 RAnglG-DDR. Der Kläger hat damit selbst vorgetragen, dass der Senat die von ihm aufgeworfene Rechtsfrage bereits entschieden hat (vgl BSG, Urteile vom 31. Juli 2002 - B 4 RA 112/00 R, SozR 3-8570 § 4 Nr 3 und B 4 RA 2/02 R, SozR 3-8570 § 4 Nr 4). Die Zulassung der Revision hätte der Kläger nur dann erreichen können, wenn er substantiiert dargelegt hätte, dass und weshalb die aufgezeigte Rechtsfrage klärungsbedürftig geblieben ist (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 65). Dies ist mit den vorstehenden Ausführungen nicht geschehen. Allein der Umstand, dass er die Rechtsauffassung des BSG nicht für überzeugend hält, begründet keinen weiteren Klärungsbedarf.
b) Zur Rechtsfrage B trägt der Kläger vor: Das LSG habe in Übereinstimmung mit dem SG sein Klagebegehren, den Garantiebetrag ab 1. Januar 1992 um 6,84 % zu erhöhen, abgelehnt, weil es der Auffassung gewesen sei, dass bei dieser Dynamisierung nach § 4 Abs 4 Satz 3 ff AAÜG zu verfahren sei. Diese Auffassung entspreche zwar der gesetzlichen Bestimmung, sie sei jedoch verfassungswidrig. Dadurch würde in eine von Art 14 Abs 1 GG geschützte Position eingegriffen; zudem werde er ohne hinreichenden gewichtigen Grund anders behandelt, als die Rentner des Beitrittsgebietes, die Ansprüche nur aus der Sozialpflichtversicherung und der freiwilligen Zusatzversicherung herleiten könnten. Das BVerfG habe auf diesen, um 6,84 % erhöhten Gesamtbetrag hingewiesen, wenn es von der Dynamisierung des Garantiebetrages nach dem EV spreche (BVerfGE 100, 1, 57, 60).
Auch damit und den weiteren Ausführungen zur Klärungsfähigkeit und Klärungsbedürftigkeit hat der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargetan. Sofern der Kläger mit seinen Ausführungen darlegen will, die Rechtsfrage B sei erneut klärungsbedürftig geworden, hätte er aufzeigen müssen, welchen vom BSG für die Auslegung des einfachen Gesetzesrechts entwickelten Kriterien und Inhalten das BVerfG aus welchen verfassungsrechtlichen Gründen widersprochen hat und weshalb diese "verfassungsrechtlichen Korrekturen" für die Entscheidung des BVerfG tragend waren. Daran fehlt es hier.
c) Auch die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage C ist nicht dargelegt worden. Insoweit geht der Kläger ebenfalls davon aus, dass sich das LSG auf ein Urteil des erkennenden Senats vom 3. August 1999 beziehe, das den verbindlichen Vorgaben der Entscheidung des BVerfG vom 28. April 1999 widerspreche. Damit ist jedoch aus den vorgenannten Gründen weder die Klärungsfähigkeit noch die Klärungsbedürftigkeit dieser Rechtsfrage dargetan worden.
3. Die bezüglich der Rechtsfragen A bis C geltend gemachten Divergenzen sind ebenfalls nicht hinreichend dargelegt worden. Eine Divergenz, nämlich eine Abweichung der angefochtenen Entscheidung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung, kann nur bei einem Widerspruch in den Rechtssätzen vorliegen, die die jeweilige Entscheidung tragen. Der Kläger benennt zwar Rechtssätze, die das LSG nach seiner Darlegung sinngemäß aufgestellt hat. Er behauptet sodann, das BVerfG habe folgende Rechtssätze aufgestellt: "A. Die Zahlbetragsgarantie umfasst den Zahlbetrag aus SV-Rente und Zusatzversorgung, wie er sich für Juli 1990 aus § 23 Abs 1 RAnglG-DDR ergab und der vom Vorbehalt ausgenommen war, dass überhöhte Leistungen abzubauen sind." "B. Der ab 1. Januar 1992 zu dynamisierende Garantiebetrag gemäß EV a.a.O. ist zum 1. Januar 1992 um 6,84 vH zu erhöhen." "C. Die Dynamisierung des nach EV a.a.O. garantierten Zahlbetrages erfolgt gemäß den Vorschriften der §§ 255a, 255b SGB VI." Zum ersten Rechtssatz (A) führt er sodann eine Reihe von Stellen aus dem Urteil des BVerfG auf, in denen sich aber an keiner Stelle dieser Rechtssatz wörtlich findet. Dementsprechend wird in der Beschwerdebegründung vorgetragen, dieser sei aus verschiedenen Formulierungen des BVerfG zu folgern (S 25). Zum zweiten und dritten Rechtssatz (B und C) verweist der Kläger auf seine vorgenannten Ausführungen zur grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfragen B und C und die dort zitierten Stellen aus dem Urteil des BVerfG. In der Beschwerdebegründung wird jedoch nicht aufgezeigt, in welchem sachlichen Zusammenhang die zitierten Texte stehen und weshalb sie einen Bezug zu den aufgeworfenen Rechtsfragen A bis C haben. Auch fehlt zum ersten Rechtssatz (A) jegliche Erörterung der Frage, weshalb das BVerfG (BVerfGE 100, 1, 45) die von ihm dort angesprochene Vollsicherung in Höhe von 90 vH des Nettoverdienstes in keinem Zusammenhang beanstandet hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Fundstellen