Entscheidungsstichwort (Thema)
Befangenheit eines ehrenamtlichen Richters
Orientierungssatz
Zur Befangenheit eines ehrenamtlichen Richters:
Der Umstand allein, daß eine AOK Mitglied eines Verbandes der Ortskrankenkassen ist, reicht für den Mitwirkungsausschluß ihres Geschäftsführers nach § 60 Abs 1 S 1 SGG, § 41 Nr 4 ZPO nicht aus.
Normenkette
SGG § 160a Abs 2 S 3, § 160 Abs 2 Nr 3, § 60 Abs 1 S 1; ZPO § 41 Nr 4
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 24.02.1988; Aktenzeichen L 11 Ka 104/87) |
Gründe
Die als Kinderärztin niedergelassene Klägerin war ab März 1976 als Kassenärztin zugelassen und an der Ersatzkassenpraxis beteiligt. Die Zulassung wurde wegen ständiger Mißachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots entzogen.
Ihre Klage gegen die Entziehung der Kassenzulassung ist in erster und zweiter Instanz erfolglos geblieben. Die Beschwerde der Klägerin wegen der Nichtzulassung der Revision wurde vom Bundessozialgericht (BSG) mit Beschluß vom 2. Juni 1987 - 6 BKa 4/87 - zurückgewiesen.
Auf den Antrag des Beigeladenen zu 1.) entzog die Beteiligungskommission für Ersatzkassen bei der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein mit Beschluß vom 12. September 1983 die Beteiligung der Klägerin am Ersatzkassenvertrag, weil sie trotz ständigen Bemühens der Prüfungsinstanzen seit Jahren die Grundsätze der wirtschaftlichen Behandlungsweise in eklatanter Weise außer acht gelassen habe und ihre Honoraranforderungen erheblich gekürzt werden mußten. Widerspruch, Klage und Berufung hatten keinen Erfolg.
Gegen die Nichtzulassung der Revision hat die Klägerin Beschwerde eingelegt.
Die Beklagte und die Beigeladenen zu 1.) und 3.) sind der Beschwerde entgegengetreten.
Die Beschwerde ist nicht begründet.
Soweit die Klägerin rügt, daß das Landessozialgericht (LSG) Verstöße gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot über eine lange Zeit hinweg angenommen habe, hat die Klägerin keinen nach § 166 Abs 2 Nr 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässigen Verfahrensmangel gerügt. Die Klägerin stellt insoweit zwar auf eine Verletzung des § 77 SGG ab (- Bindung des Verwaltungsakts -) mit dem Vorbringen, das LSG habe die Kürzungsbescheide für sämtliche Quartale der ersten acht Jahre als bestands- und rechtskräftig angesehen, ohne die den Gegenstand eines Vergleiches vom 5. November 1981 bildenden Quartale außer Betracht zu lassen. Eine Nichtbeachtung der Vergleiche, die sich zudem aus dem Urteil nicht völlig zweifelsfrei feststellen läßt, stellt jedoch keinen Verstoß gegen § 77 SGG dar. Mit der genannten Rüge wird letztlich ein Verstoß gegen Grundsätze der Tatsachenfeststellung bzw der Beweiswürdigung geltend gemacht. Die Geltendmachung eines Verfahrensmangels nach § 128 Abs 1 Satz 1 SGG ist jedoch bei der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ausdrücklich ausgeschlossen. Insoweit liegt aber auch keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Hinblick auf "die Erfüllung der Tatbestandsmerkmale der gröblichen Verletzung kassen- bzw vertragsärztlicher Pflichten" vor.
Das Vorbringen der Klägerin zur Frage der Ungeeignetheit, insbesondere das über mögliche Fallgruppierungen, wobei das Urteil als "unklar und widersprüchlich" bezeichnet wird, ergibt nicht die behauptete Abweichung von einem Urteil des BSG. Das hätte sich insbesondere aus einer begründungserforderlichen Gegenüberstellung der beiden sich (angeblich) widersprechenden Rechtssätze und bei einer Darlegung der (angeblich) logischen Widersprüchlichkeit beider Rechtssätze ergeben. Soweit das Verhalten der Klägerin nach der Urteilsverkündung angeführt wird, fehlt es schon an der Geltendmachung eines Zulassungsgrundes nach § 160 Abs 2 SGG.
Die Klägerin sieht weiter eine Abweichung darin, daß das BSG geäußert habe, es bestünden keine Bedenken, "bei der Entziehung der Zulassung zur kassenärztlichen Versorgung auch Pflichtverletzungen des Arztes im vertragsärztlichen Bereich mit zu berücksichtigen". Es wird jedoch, was erforderlich gewesen wäre, nicht behauptet, das LSG habe den gegenteiligen Rechtssatz aufgestellt: bei der Entziehung der Zulassung zur kassenärztlichen Versorgung dürfen Pflichtverletzungen im vertragsärztlichen Bereich nicht mitberücksichtigt werden, ganz abgesehen davon, daß in dem Urteil des LSG ein solcher Rechtssatz weder wörtlich noch sinngemäß aufgeführt wird.
Auch die Verfahrensrüge, durch die Mitwirkung des Geschäftsführers der AOK N. als ehrenamtlicher Richter sei das Berufungsgericht nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen, da der Verband der Ortskrankenkassen Rheinland das Verfahren auf Entzug der kassenärztlichen Zulassung durch seinen Antrag vom 29. März 1982 eingeleitet habe, greift hier nicht durch. Der Senat hat zwar in seinem Urteil vom 18. Februar 1988, 6 RKa 24/87, zum Ausdruck gebracht, daß der Geschäftsführer eines Landesverbandes gesetzlicher Krankenkassen, der - Verband - im Parallelverfahren wegen Entziehung der kassenärztlichen Zulassung Verfahrensbeteiligter ist, nicht zugleich im Verfahren wegen Entziehung der vertragsärztlichen Zulassung als ehrenamtlicher Richter mitwirken kann. Die AOK N. war hier jedoch kein Verfahrensbeteiligter des parallelen Entziehungsverfahrens (im RVO-Bereich), noch hat sie einen Antrag auf Entziehung gestellt. Der Umstand allein, daß die AOK N. Mitglied des Verbandes der Ortskrankenkassen Rheinland ist, reicht für den Mitwirkungsausschluß ihres Geschäftsführers nach § 60 Abs 1 Satz 1 SGG, § 41 Nr 4 der Zivilprozeßordnung nicht aus.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen