Entscheidungsstichwort (Thema)

Kassenärztliche Vereinigung. Bildung von Honorartopf für Arztgruppen. Ausgestaltung. Honorarverteilungsmaßstab. keine Orientierung an Vorgaben des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes. keine spezielle Stützungsregelung bei bestimmten Honorarabfall

 

Orientierungssatz

1. Kassenärztliche Vereinigungen dürfen Honorartöpfe für Arztgruppen in Anknüpfung an die in einem früheren Jahr ausbezahlten Abrechnungsvolumina bilden (vgl BSG vom 6.11.2002 - B 6 KA 21/02 R = BSGE 90, 111, 117 = SozR 3-2500 § 85 Nr 49).

2. Regelungen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes EBM-Ä sind nicht der Ausgestaltung eines Honorarverteilungsmaßstabes in der Weise vorgelagert, dass dieser sich an den Vorgaben des EBM-Ä orientieren müsste (vgl BSG, Urteil vom 8.3.2000 - B 6 KA 7/99 R = BSGE 86, 16, 26 = SozR 3-2500 § 87 Nr 23).

3. Im Honorarverteilungsmaßstab müssen spezielle Stützungsregelungen für eine bestimmte Arztgruppe (hier: Neurologen) oder für bestimmte Ärzte in Fällen eines bestimmten Honorarabfalls nicht getroffen werden.

 

Normenkette

SGB 5 § 85 Abs. 4, § 87 Abs. 1-2; EBM-Ä

 

Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 21.01.2004; Aktenzeichen L 5 KA 2345/02)

SG Stuttgart (Urteil vom 24.04.2002; Aktenzeichen S 10 KA 04331/98)

 

Tatbestand

Die Klägerin und der Kläger sind als Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie - der Kläger zusätzlich auch als Facharzt für Neurologie - zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Sie begehren von der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) höheres Honorar für die Quartale III/1997 bis II/2000, im vorliegenden Verfahren für die Quartale III und IV/1997, für die die Honorarbescheide auf ca 180.000 und ca 220.000 DM lauteten. Sie machen geltend, die Regelungen des Honorarverteilungsmaßstabs (HVM) und des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) seien rechtswidrig. Der EBM-Ä sei wegen der zum 1. Juli 1997 eingeführten Praxisbudgets zu beanstanden. Deren Bemessung nach dem Vergütungsbild von 1994 sei rechtswidrig. Dies hätte jedenfalls aus Anlass der Höherbewertungen der Gesprächsleistungen im Kapitel G EBM-Ä zum 1. Januar 1996 geändert werden müssen. Auch die im HVM gebildeten Honorarkontingente (Honorartöpfe) seien rechtswidrig. Ihre Bemessung nach den Verhältnissen von 1994 hätte wegen der Höherbewertungen im EBM-Ä zum 1. Januar 1996 und auch im Zuge der Einführung der Praxis- und Zusatzbudgets zum 1. Juli 1997 geändert werden müssen. Ab dem Quartal III/1997 seien ihre Honorare um 12 % gesunken. Ferner sei die Bemessung des Individualbudgets für die sog freien (= im EBM-Ä nicht budgetierten) Leistungen rechtswidrig. Deren Absenkung bei den Nervenärzten sei nicht deshalb gerechtfertigt, weil Leistungen auf Grund von Vereinbarungen mit Krankenkassen (KKn) gesondert als Einzelleistungen vergütet, also "ausbudgetiert", worden seien. Denn dies habe bei den Nervenärzten vergleichsweise wenige Leistungen - hier nur Nr 14 EBM-Ä - betroffen. Die Benachteiligungen träfen sie wegen ihrer Praxisstruktur mit zahlreichen psychiatrischen Psychotherapien bei chronisch psychisch Kranken in besonderem Maße. Sie könnten diese - da zeitgebunden und genehmigungsabhängig - nicht vermehren und auch nicht delegieren.

Die Kläger sind mit ihrer Klage und mit ihrer Berufung erfolglos geblieben. Im Urteil des Landessozialgerichts (LSG) ist ausgeführt, die Einführung der Praxis- und Zusatzbudgets des EBM-Ä zum 1. Juli 1997 sei ungeachtet dessen, dass dies die zum 1. Januar 1996 erfolgten Vergütungsverbesserungen für Gesprächsleistungen zum Teil wieder beseitigt habe, nicht zu beanstanden. Ebenso wenig ließen die Berechnungen der Praxis- und Zusatzbudgets, die die KÄV nach den Vorgaben des EBM-Ä vorgenommen habe, Fehler erkennen. Die Bildung getrennter Honorartöpfe im HVM für die verschiedenen Arztgruppen und damit auch für die Nervenärzte sei ebenfalls nicht rechtswidrig. Die Ausrichtung der Honorarkontingente an den Verhältnissen des Jahres 1994 sei nicht zu beanstanden, zumal der EBM-Ä bei der Berechnung der Fallpunktzahlen für die Budgets gleichfalls an dieses Jahr anknüpfe. Weder die Höherbewertung der Gesprächsleistungen nach Kapitel G EBM-Ä ab 1996 noch die Einführung der Praxisbudgets zum 1. Juli 1997 habe eine Änderung der Aufteilung zu Gunsten der Nervenärzte erforderlich gemacht. Die angeführte erhebliche Honorarminderung ab Quartal III/1997 begründe allein keine Rechtswidrigkeit. Diese folge auch nicht daraus, dass - gemäß Schreiben des Vorstandsvorsitzenden der KÄV vom 6. August 1998 - alle Fachgruppentöpfe seit 1994 um ca 10 % gewachsen seien, die Nervenärzte aber ihren Zuwachs, den sie zusätzlich ab 1996 durch den neuen EBM-Ä gehabt hätten, durch die Praxisbudgets ab 1. Juli 1997 wieder eingebüßt hätten. Zu beanstanden sei ferner nicht, dass zum 1. Januar 1999 die Anteile einiger Fachgruppen an den Gesamtvergütungen - wegen Verwerfungen bei den Punktwerten - erhöht worden seien, der Anteil der Nervenärzte aber nicht. Im Übrigen seien die Fallwerte der Kläger seit 1997 zwar geringfügig gesunken, die ihnen vergüteten durchschnittlichen Punktwerte aber gestiegen. Rechtens sei auch das den Klägern zugeordnete Individualbudget für sog freie Leistungen, das bis zum Quartal I/2002 nach den Verhältnissen der Praxis im Jahr 1996 bemessen worden sei. Die Kürzung der Basispunktzahl um 20 % sei nicht zu beanstanden; dafür erhielten sie entsprechend höhere Punktwerte. Spätere Verringerungen der Fallpunktzahlen beruhten darauf, dass zunehmend Leistungen - auf Grund von Vereinbarungen mit KKn - gesondert vergütet würden, was Neuberechnungen der Fallpunktzahlen nach sich gezogen habe. Die Kläger hätten auch keine Ansprüche aus der Härtefallregelung des HVM, die eine atypische Versorgungssituation voraussetze, die bei ihnen nicht erkennbar sei.

Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG machen die Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und Verfahrensmängel geltend.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde der Kläger hat keinen Erfolg. Mit der von ihnen aufgeworfenen Rechtsfrage, ob die HVM-Regelungen die zum 1. Januar 1996 erfolgten Höherbewertungen im EBM-Ä unberücksichtigt lassen durften, haben sie eine zulässige Rüge des Vorliegens grundsätzlicher Bedeutung erhoben. Es fehlt aber an der Erfüllung der inhaltlichen Voraussetzungen für eine Revisionszulassung (im Folgenden 1.). Die übrigen von ihnen erhobenen Rügen - sowohl Grundsatz- als auch Verfahrensrügen - sind schon nicht zulässig (im Folgenden 2. sowie 3. a und b).

1. Die Kläger haben im Rahmen der Geltendmachung der grundsätzlichen Bedeutung (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) zu der von ihnen aufgeworfenen Rechtsfrage - hier sinngemäß verkürzt -,

ob der HVM bei der Bemessung des Honorarkontingents für die Nervenärzte ab dem Quartal III/1997 an die Verhältnisse im Jahr 1994 anknüpfen durfte, obgleich damit die im EBM-Ä zum 1. Januar 1996 erfolgten Höherbewertungen der Gesprächsleistungen unbeachtet blieben und die damit bezweckte Gleichstellung der Nervenärzte mit anderen Arztgruppen konterkariert wurde,

Ausführungen gemacht, die den Darlegungsanforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG entsprechen. Ihre Beschwerde ist insoweit mithin zulässig. Sie ist aber unbegründet, denn nicht alle Erfordernisse für die Revisionszulassung sind erfüllt. Diese setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl BVerfG ≪Kammer≫, SozR 3-1500 § 160a Nr 7 S 14; s auch BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 19 S 34 f; Nr 30 S 57 f mwN). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt, falls sich die Antwort auf die Rechtsfrage ohne Weiteres aus den Rechtsvorschriften und/oder der bisherigen Rechtsprechung ergibt, ebenso dann, wenn zwar keine ausdrückliche normative Regelung dieses Falles und auch noch keine Rechtsprechung zu dieser Konstellation, aber Rechtsprechung bereits zu Teilaspekten vorliegt und sich hieraus ohne Weiteres die Beantwortung der Rechtsfrage ableiten lässt (zur Verneinung der Klärungsbedürftigkeit im Falle klarer Antwort siehe zB BSG SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6; SozR 3-2500 § 75 Nr 8 S 34; SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; vgl auch BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f). Diese Anforderungen sind verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl zB BVerfG ≪Kammer≫, Beschluss vom 29. Mai 2001 - 1 BvR 791/01 -, und früher schon BVerfG ≪Kammer≫, SozR 3-1500 § 160a Nr 6 S 10 f; Nr 7 S 14; s auch BVerfG ≪Kammer≫, DVBl 1995, 35).

Für die Rechtsfrage, ob bei der Aufteilung der Gesamtvergütungen auf die Arztgruppen durch Bildung von Honorartöpfen an die Verhältnisse eines früheren Jahres - hier 1994 - angeknüpft werden darf, fehlt es an der Klärungsbedürftigkeit. Denn diese Frage ist im Grundsätzlichen bereits geklärt. Der Senat hat wiederholt dargelegt, dass KÄVen Honorartöpfe für Arztgruppen in Anknüpfung an die in einem früheren Jahr ausbezahlten Abrechnungsvolumina bilden dürfen (BSG, Urteil vom 11. September 2002 - B 6 KA 30/01 R = SozR 3-2500 § 85 Nr 48 S 409; bestätigt zB durch Urteile vom 6. November 2002 - B 6 KA 21/02 R = BSGE 90, 111, 117 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 49 S 421 und vom 10. Dezember 2003 - B 6 KA 54/02 R, zur Veröffentlichung in BSGE 92, 10 und SozR 4-2500 § 85 Nr 5 vorgesehen). Klärungsbedürftig ist auch nicht der zusätzliche Aspekt, ob die Beurteilung als rechtmäßig auch dann gilt, wenn zwischenzeitlich eine Höherbewertung der betroffenen Leistungen im EBM-Ä erfolgte, die dadurch unbeachtet bleibt. Das Bundessozialgericht (BSG) hat bereits geklärt, dass die Regelungen des EBM-Ä nicht der Ausgestaltung des HVM in der Weise vorgelagert sind, dass dieser sich an den Vorgaben des EBM-Ä orientieren müsste (s BSG, Urteil vom 8. März 2000 - B 6 KA 7/99 R = BSGE 86, 16, 26 = SozR 3-2500 § 87 Nr 23 S 125). Der Senat hat zudem geklärt, dass Höherbewertungen im EBM-Ä nicht dazu verpflichten, im HVM Korrekturen bei den Honorarkontingenten vorzunehmen (BSG aaO S 28 f bzw S 128 f). Dies gilt noch verstärkt für die Höherbewertungen der Gesprächsleistungen im EBM-Ä zum 1. Januar 1996. Diese Höherbewertungen weisen nämlich die Besonderheit auf, dass die danach erfolgten Leistungsmengensteigerungen - soweit feststellbar - aus medizinischer Sicht nicht erklärbar waren (s dazu BSG, Urteil vom 9. Juni 1999 - B 6 KA 21/98 B = BSGE 84, 85, 87 = SozR 3-2500 § 106 Nr 47 S 251; dazu s auch das hier angefochtene Berufungsurteil S 11). Deswegen ist es sachlich gerechtfertigt, die Abrechnungsvolumina des Jahres 1996 bei Bemessungen von HVM-Honorarkontingenten außer Betracht zu lassen und an ein früheres Jahr anzuknüpfen. Dementsprechend hat das BSG in keinem der Fälle mit Anknüpfungen an Jahre vor 1996 Bedenken wegen der Außerachtlassung der Höherbewertungen von 1996 geäußert (s BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 48 S 407 iVm 409 und BSGE 86, 16, 29 = SozR 3-2500 § 87 Nr 23 S 129, jeweils mit Anknüpfung an 1994 bzw 1995 für 1997).

2. Soweit die Kläger noch weitere Rechtsfragen als grundsätzlich bedeutsam aufwerfen, ist ihre Beschwerde nicht zulässig.

Zum Teil ist Gegenstand der weiteren aufgeworfenen Rechtsfragen lediglich ausgelaufenes Recht. Dies ist der Fall, soweit sie die Praxisbudgets betreffen, die Mitte 2003 außer Kraft getreten sind (so die in der Beschwerdebegründung unter IV. genannte zweite Frage teilweise und die vierte insgesamt). Insoweit ist schon den Darlegungsanforderungen nicht entsprochen. Bei Rechtsfragen zu ausgelaufenem Recht muss für eine grundsätzliche Bedeutung entweder noch eine erhebliche Zahl von Fällen auf der Grundlage des ausgelaufenen bzw auslaufenden Rechts zu entscheiden sein, oder die Überprüfung der Rechtsnorm bzw ihrer Auslegung muss aus anderen Gründen fortwirkende allgemeine Bedeutung haben (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 19; ebenso zB Senatsbeschluss vom 5. November 2003 - B 6 KA 69/03 B - mwN). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist in der Beschwerdebegründung darzulegen (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG, vgl vorgenannte BSG-Rspr). Entsprechende Ausführungen zu den Regelungen über die Praxisbudgets enthält die Beschwerdebegründung indessen nicht.

Aber auch hinsichtlich der verbleibenden - hier sinngemäß wiedergegebenen - Fragen,

ob die Honorierung der Nervenärzte ab Quartal III/1997 bis zum Quartal II/2000 mit höherrangigem Recht in Einklang steht (Beschwerdebegründung unter IV. 1.), und ob der HVM eine Stützung des Honorartopfs oder einzelner Nervenärzte für den Fall eines Honorarabfalls um mehr als 10 % / 20 % / 30 % / 40 % bzw für Fälle besonderer Härte vorsehen musste (Beschwerdebegründung unter IV. 3.),

ist die Rüge, der Rechtssache komme grundsätzliche Bedeutung zu, nicht zulässig.

Die erste dieser beiden verbleibenden Fragen kann schon deshalb nicht zur Revisionszulassung führen, weil damit keine konkrete Rechtsfrage, sondern lediglich der gesamte Gegenstand des Verfahrens bezeichnet wird. Eine Rechtsfrage muss so konkret formuliert werden, dass - darauf bezogen - die weiteren Merkmale der Klärungsbedürftigkeit und die Bedeutung über den Einzelfall hinaus geprüft werden können; dh, bei ihr muss feststellbar sein, ob sie schon Gegenstand der Rechtsprechung (und bereits geklärt) war. Es muss sich deshalb um eine zwar generelle Fragestellung, aber doch um eine konkret gefasste Frage handeln. Dies ist bei einer Frage, die den gesamten Gegenstand des Verfahrens umfasst, nicht der Fall. Zudem steht der Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung entgegen, dass in der Beschwerdebegründung nicht dargelegt wird, dass bzw inwiefern diese Frage Bedeutung über den Einzelfall hinaus hat. Sie ist einzelfallbezogen formuliert, nämlich auf die Honorierung einer konkreten Arztgruppe in bestimmten Quartalen bezogen. Die Beschwerdebegründung enthält keine Ausführungen darüber, dass davon mehr Ärzte betroffen seien als die Kläger; es wird nicht dargelegt, dass zB weitere Nervenärzte ebenfalls ihre Honorarbescheide für diese Quartale angefochten und eine höhere Honorierung verlangt hätten.

Bei der zweiten der angeführten verbleibenden Rechtsfragen - der Frage nach der Notwendigkeit einer HVM-Stützung - fehlen ebenfalls Darlegungen zur Klärungsbedürftigkeit. Sie ist in der Rechtsprechung, jedenfalls im Grundsätzlichen, schon beantwortet. Der Senat hat es in verschiedenen Zusammenhängen für ausreichend erklärt, wenn ein HVM eine allgemeine Regelung für die Gewährung von Ausnahmen in Fällen unbilliger Härte enthält (vgl zB BSG, Urteil vom 21. Oktober 1998 - B 6 KA 71/97 R = BSGE 83, 52, 61 = SozR 3-2500 § 85 Nr 28 S 210; s auch Urteil vom 10. Dezember 2003 - B 6 KA 54/02 R = zur Veröffentlichung in BSGE 92, 10 und SozR 4-2500 § 85 Nr 5 vorgesehen, und vom 10. März 2004 - B 6 KA 13/03 R = zur Veröffentlichung in SozR 4-2500 § 85 Nr 10 vorgesehen). Hieraus folgt, dass im HVM spezielle Stützungsregelungen für eine bestimmte Arztgruppe oder für bestimmte Ärzte in Fällen eines bestimmten Honorarabfalls (so die Formulierung der Rechtsfrage) nicht getroffen werden müssen.

3. Ebenfalls unzulässig sind die von den Klägern erhobenen Verfahrensrügen (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Sie scheitern überwiegend daran, dass sie nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen entsprechen.

a) Für den Vorhalt, ein Gericht habe ein Vorbringen unberücksichtigt gelassen, bestehen besondere Darlegungsanforderungen (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Denn grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das tatsächliche Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis nimmt und bei seiner Entscheidung erwägt, auch wenn sich dies nicht ausdrücklich aus dem Urteil ergibt. Eine gegenteilige Annahme - und ein Versäumnis des Gerichts, auf eine bestimmte Argumentation der Beteiligten ausdrücklich einzugehen - bedarf greifbarer Anhaltspunkte, die der Beschwerdeführer aufzuzeigen hat (vgl dazu BSGE 88, 193, 204 = SozR 3-2500 § 79a Nr 1 S 13; BVerfGE 70, 288, 293; 79, 51, 61; 87, 1, 33; 96, 205, 216 f; BVerfG ≪Kammer≫, NJW-RR 2002, 68, 69). Im Rahmen der bei Verfahrensrügen erforderlichen Darlegung, inwiefern das Berufungsurteil auf dem geltend gemachten Verstoß "beruhen" kann (s § 160 Abs 2 Nr 3 iVm § 160a Abs 2 Satz 3 SGG), muss der Beschwerdeführer bei einer Gehörsrüge zudem aufzeigen, dass sein vermeintlich unberücksichtigt gebliebenes Vorbringen zu einem anderen Urteilsspruch hätte führen können (vgl BSGE 69, 280, 284 = SozR 3-4100 § 128a Nr 5 S 35 mwN).

Die hiernach erforderlichen Darlegungen enthält die Beschwerdebegründung nicht.

Die Rüge der Kläger, im Berufungsurteil sei ihr Argument, die Honorierung der Nervenärzte sei um 12 % gegenüber anderen Fachgruppen abgefallen, unbeachtet geblieben (Beschwerdebegründung unter III. 1.1), scheitert daran, dass greifbare Anhaltspunkte für einen solchen Gehörsverstoß nicht - wie erforderlich (s o) - aufgezeigt werden. Im Gegenteil spricht das LSG in seinem Urteil die erhebliche Minderung des Honorars der Nervenärzte mehrfach ausdrücklich an (Urteil S 12, s auch S 13), wenn auch ohne ausdrückliche Erwähnung einer Abwertung gerade um 12 %, wie die Kläger geltend machen.

Ebenso wenig greift ihre Beanstandung durch, das LSG habe sich nicht mit den vorgetragenen Besonderheiten ihrer Praxis, derentwegen die Höherbewertungen im EBM-Ä zum 1. Januar 1996 besonders wichtig gewesen seien, auseinandergesetzt (Beschwerdebegründung unter III. 1.2). Ein Defizit des Berufungsurteils liegt insoweit nicht vor. Denn das LSG hat die Topfbildung als normativ-generelle Regelung für die Arztgruppe insgesamt überprüft. Auf der Grundlage dieser vom LSG als maßgebend erachteten Kontrollmaßstäbe hat kein Anlass zur Erörterung der individuellen Lage der Kläger bestanden. In einem Urteil, dem eine bestimmte materiell-rechtliche Rechtsauffassung zu Grunde liegt, muss nur das dafür relevante Vorbringen verarbeitet werden; die Gerichte sind berechtigt, sich auf die Verwertung des entscheidungserheblichen Sachvortrags der Beteiligten zu beschränken (vgl dazu zB BVerfGE 105, 279, 311 f). Damit entfällt die Grundlage für die Ansicht der Kläger, die Nichtwürdigung ihrer individuellen Umstände könnte einen Mangel der Urteilsbegründung und eine Gehörsverletzung begründen.

Die erforderlichen Darlegungen fehlen auch insoweit, als die Kläger die Urteilsbegründung im Zusammenhang damit, dass die zum 1. Januar 1996 eingeführten Vorteile (Aufwertung der Gesprächsleistungen) durch Einführung der Praxisbudgets ab 1. Juli 1997 wieder beseitigt worden seien, für unzureichend halten (s dazu Urteil S 11 und Beschwerdebegründung unter III. 1.3). Die Kläger beanstanden, die im Berufungsurteil dazu enthaltenen Ausführungen seien juristisch nicht befriedigend bzw unvollkommen, hätten nämlich weitere Ermittlungen erfordert. Damit machen sie geltend, die vom LSG gegebene Begründung habe materiell die Problemlage nicht ausgeschöpft. Ein formelles Defizit im Sinne einer formell unzureichenden Begründung wird nicht aufgezeigt, was allein tauglicher Gegenstand einer Verfahrensrüge sein könnte. Dies gilt ebenso für ihre Ansicht, das LSG habe übersehen, dass die Folgen der Einführung der Praxisbudgets ab dem 1. Juli 1997 nicht mit den Zielen der zum 1. Januar 1996 in Kraft gesetzten EBM-Ä-Reform vereinbar seien (Beschwerdebegründung unter III. 1.4). Auch dies ist ein materiell-rechtlicher Einwand, der mit der Forderung nach tiefergehenden Ausführungen im Urteil verbunden wird. Ein Mangel formell unzureichender Begründung des Berufungsurteils wird auch hier nicht dargelegt.

Einen Mangel der Urteilsbegründung legen die Kläger auch nicht mit der Rüge dar, das LSG habe nicht erwogen, dass die Bemessung der Honorarkontingente sich für die Nervenärzte an einem anderen Basisjahr (1996) orientieren könne als für die übrigen Fachgruppen (vgl Beschwerdebegründung unter III. 1.5). Ein Defizit des Berufungsurteils liegt insoweit nicht vor. Denn zu diesem Fragenkreis ist im Berufungsurteil zum einen ausgeführt, dass die generelle Ausrichtung auf 1994 dem EBM-Ä entspreche, dessen Praxisbudgetbemessungen auch an 1994 anknüpften (Urteil S 10), und zum anderen, dass ein Abstellen auf Abrechnungsvolumina von 1996 ungeeignet gewesen wäre wegen der damaligen, medizinisch nicht erklärbaren Leistungsausweitungen (Urteil S 11 unten). Aus diesen Argumenten folgt, dass für das LSG ein "Splitting" mit einem Abstellen auf 1996 wenigstens für die Nervenärzte nicht in Betracht gekommen ist. Diese Folgerung liegt so klar auf der Hand, dass ausdrückliche Ausführungen im Urteil nicht notwendig gewesen sind.

Ein Defizit der Urteilsbegründung ergibt sich auch nicht im Zusammenhang mit den Ausführungen des LSG, die zum 1. Januar 1999 erfolgte Erhöhung der Anteile einiger Fachgruppen an den Gesamtvergütungen sei wegen Verwerfungen bei den Punktwerten erfolgt (Urteil S 12 unter 1.4 und dazu Beschwerdebegründung unter III. 1.6). Auch insoweit erheben die Kläger nicht die Rüge formell unzureichender Begründung des Berufungsurteils, sondern die inhaltliche Beanstandung, das LSG habe materiell die Problemlage nicht ausgeschöpft.

Das Gleiche gilt, soweit die Kläger die Wendung des Berufungsurteils, dass die Topfbildung mit dem geringeren Gesamtvergütungsanteil sie "nicht nachteilig belaste", als falsch beanstanden und zusätzlich geltend machen, das LSG hätte prüfen müssen, ob die Höherbewertungen zum 1. Januar 1996 durch die Praxisbudgets ab 1. Juli 1997 hätten rückgängig gemacht werden dürfen (Urteil S 13 unter 1.5 und Beschwerdebegründung unter III. 1.7). Darin liegt keine Rüge formell unzureichender Begründung des Berufungsurteils, sondern wiederum nur die inhaltliche Beanstandung, das LSG sei materiell der Problemlage nicht gerecht geworden.

Einen nur inhaltlichen Einwand erheben die Kläger auch mit ihrer Ansicht, das LSG hätte nach Prüfung, ob die Regelungen über die Praxisbudgets mit ihrer Bezugnahme auf die Verhältnisse im Jahr 1994 die Höherbewertungen von 1996 "überrollen" durften, diese Regelungen insoweit als verfassungswidrig außer Anwendung lassen und jedenfalls für die Nervenärzte auf das Jahr 1996 zurückgreifen müssen (Beschwerdebegründung unter III. 1.7 zweiter Absatz und 1.8).

b) Unzulässig sind ebenfalls die Rügen unzureichender Aufklärung durch das LSG (Beschwerdebegründung unter III. 2.). Bei Beanstandung der Amtsermittlung, also einer Verletzung des § 103 SGG, muss gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG iVm § 160a Abs 2 Satz 3 SGG ein Beweisantrag benannt und dazu ausgeführt werden, dass das LSG ihm ohne hinreichenden Grund nicht gefolgt sei. Daran mangelt es.

Die erforderliche "Bezeichnung" eines Beweisantrags (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) fehlt bei ihren Vorhalten, das LSG hätte die Honorarentwicklungen der Fachgruppe der Nervenärzte im Vergleich zu anderen Ärzten und die Gründe für das Absinken der Honorare bereits im Quartal I/1997 bzw II/1997 ermitteln müssen (Beschwerdebegründung unter III. 2.1 und 2.2). Sie machen zwar im Zusammenhang mit ihrem Vorbringen, das LSG hätte die Honorarberechnungen für diese Quartale offen legen müssen (aaO unter 2.2), geltend, sie hätten dies mehrfach mit "explizitem Antrag" gefordert. Darin liegt aber weder eine klare Angabe, ob sie insoweit überhaupt einen "Beweis"antrag stellten, noch die präzise Bezeichnung eines Beweisantrags, wie sie gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 SGG notwendig ist (vgl dazu BSG, Beschluss vom 22. Juni 2004 - B 2 U 78/04 B = zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen), und auch nicht die Darlegung, sie hätten den Beweisantrag im Berufungsverfahren - wenigstens hilfsweise - noch zuletzt zusammen mit den Sachanträgen gestellt (zu diesem Erfordernis vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 29 S 49; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 1 RdNr 5). Die am Schluss der Sitzung am 21. Januar 2004 gestellten Auskunfts- und Beweisanträge (LSG-Akten Bl 154 und LSG-Urteil S 6 f) haben sich nicht auf die Berechnung der Honorare für die Quartale I und/oder II/1997 gerichtet.

Auch soweit die Kläger das Unterlassen beantragter Beweiserhebungen rügen - zur Zielsetzung der EBM-Ä-Änderungen zum 1. Januar 1996, zur Bemessung des Honorartopfes für Nervenärzte, zur Bemessung des Individualbudgets sowie zum Berechnungsmodus und angemessenen Volumen des Honorartopfes - (Beschwerdebegründung unter III. 3.), fehlt es an Darlegungen, wann und mit welchem Inhalt sie entsprechende Beweisanträge gestellt hätten.

Nur soweit die Kläger exakt die Nichtbefolgung derjenigen Beweisanträge geltend machen, die sie am Schluss der mündlichen Verhandlung des LSG gestellt haben, nämlich gerichtet

auf eine Auskunft des Bewertungsausschusses darüber, ob dieser bei Einführung der Praxis- und Zusatzbudgets mit der Anknüpfung an die Verhältnisse im Jahr 1994 berücksichtigte, dass er damit die Höherbewertungen von 1996 rückgängig machte, und auf eine Auskunft der Beklagten zu Nach- und Auszahlungen der Quartale III und IV/1999,

liegt die gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG erforderliche Bezugnahme auf einen Beweisantrag vor. Zudem bedürfte es aber der Darlegung, inwiefern das Berufungsurteil auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel "beruhen" kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 3 iVm § 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Daran indessen fehlt es gänzlich im Zusammenhang mit dem Begehren um Auskünfte der Beklagten zu Zahlungen für die Quartale III und IV/1999 (vorstehend zweitgenannte Frage). Zu dem Begehren um Auskunft darüber, ob der Bewertungsausschuss bei Einführung der Praxisbudgets mit der Anknüpfung an die Verhältnisse im Jahr 1994 die Höherbewertungen von 1996 berücksichtigte (vorstehend erstgenannte Frage), führen die Kläger zwar aus, dass bei Nichtberücksichtigung die Budgetregelungen im Verhältnis zu den früheren Höherbewertungen "in sich widersprüchlich" seien. Dies reicht aber zur Darlegung des "Beruhens", dh der Entscheidungserheblichkeit, nicht aus. Denn aus einer Widersprüchlichkeit ergibt sich nicht ohne Weiteres die Rechtswidrigkeit. Dass dies vorliegend doch der Fall sein könnte, hätten die Kläger unter Heranziehung der insoweit sehr differenzierten Rechtsprechung des BSG und des Bundesverfassungsgerichts (dazu, dass Systemwidrigkeiten nicht ohne Weiteres eine Rechtswidrigkeit ergeben, vgl zB BVerfGE 85, 235, 247; 104, 74, 87 mwN; BSGE 88, 138, 144 = SozR 3-2600 § 93 Nr 10 S 99) darlegen müssen.

4. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG abgesehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG (in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1755801

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