Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Nichtzulassungsbeschwerde. Verfahrensmangel. überlange Verfahrensdauer. Grundsicherung. Leistungsausschluss. Örtliche Zuständigkeit. Grundsätzliche Bedeutung. Rechtssache. Aufklärungsrüge. Überlange Verfahrensdauer

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache erfordert die Formulierung einer bestimmten abstrakten Rechtsfrage, der in dem Rechtsstreit eine grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung beigemessen wird.

2. Ein Verfahrensmangel kann auf eine Verletzung der §§ 103, 109, 128 Abs. 1 S. 1 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

3. Die Rüge einer überlangen Verfahrensdauer kann zumindest seit dem Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren vom 24.11.2011 nicht zu einer Zulassung der Revision führen.

 

Orientierungssatz

Die Rüge einer überlangen Verfahrensdauer kann zumindest seit dem Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren (juris: ÜberlVfRSchG) vom 24.11.2011 nicht zu einer Zulassung der Revision führen.

 

Normenkette

SGG § 160a Abs. 1 S. 1, § 160 Abs. 2 Nr. 3; ÜberlVfRSchG; SGG §§ 103, 109, 128, 160 Abs 2 Nrn. 1, 3; SGB II § 7 Abs. 4a, § 36

 

Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 08.11.2012; Aktenzeichen L 12 AS 1292/10)

SG Reutlingen (Urteil vom 20.01.2010; Aktenzeichen S 9 AS 3585/08)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 8. November 2012 wird als unzulässig verworfen.

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde vor dem Bundessozialgericht Prozesskostenhilfe zu bewilligen und ihm Rechtsanwalt P. beizuordnen, wird abgelehnt.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫). Der Kläger hat zur Begründung seiner Beschwerde keinen der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe (grundsätzliche Bedeutung, Abweichung oder Verfahrensmangel) gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 SGG schlüssig dargelegt oder bezeichnet.

Da der Beschluss kurz begründet werden soll, jedoch von einer Begründung abgesehen werden kann, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 SGG), beschränkt sich der Senat auf folgende Hinweise:

Der Kläger stützt seine Beschwerde zunächst auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG. Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache erfordert die Formulierung einer bestimmten abstrakten Rechtsfrage, der in dem Rechtsstreit eine grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung beigemessen wird (BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; BSG SozR 1500 § 160a Nr 60). Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn zu erwarten ist, dass die Revisionsentscheidung die Rechtseinheit in ihrem Bestand erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird. Daher ist aufzuzeigen, ob und inwieweit zu der aufgeworfenen Frage bereits Rechtsgrundsätze herausgearbeitet sind und in welchem Rahmen noch eine weitere Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung derselben durch das Revisionsgericht zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits erforderlich erscheint (vgl Krasney/ Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, IX, RdNr 65 f).

Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Der Kläger hat zwar mehrere Fragen insbesondere zum Leistungsausschluss nach § 7 Abs 4a Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und der örtlichen Zuständigkeit des Beklagten nach § 36 SGB II formuliert, er hat sich aber nicht mit der zu diesen Vorschriften schon ergangenen Rechtsprechung des Senats (vgl Urteil vom 23.5.2012 - B 14 AS 133/11 R) auseinandergesetzt und aufgezeigt, inwieweit diese angesichts seines Verfahrens einer Fortentwicklung bedarf.

Auch die erhobenen Verfahrensrügen können nicht zur Zulassung der Revision führen. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 (Anhörung eines bestimmten Arztes) und 128 Abs 1 Satz 1 SGG (freie richterliche Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

Die Rüge einer überlangen Verfahrensdauer kann zumindest seit dem Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren vom 24.11.2011 (BGBl I 2302) nicht zur einer Zulassung der Revision führen (vgl im Übrigen zu dem angeführten Beschluss des BSG vom 13.12.2005 - B 4 RA 220/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 11 nur: BSG vom 21.5.2007 - B 1 KR 4/07 S - SozR 4-1500 § 160a Nr 17; BSG vom 4.9.2007 - B 2 U 308/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 18).

Die Rüge einer Verletzung der Aufklärungspflicht durch das LSG scheitert schon an der mangelnden Bezeichnung eines Beweisantrags. Die Rüge einer Verletzung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör scheitert an der mangelnden konkreten Benennung der Feststellungen des LSG in dessen Urteil durch die der Kläger überrascht worden sein soll.

Prozesskostenhilfe gemäß § 73a SGG iVm § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) ist dem Kläger nicht zu bewilligen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung nach den obigen Ausführungen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Der Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwaltes (§ 73a SGG iVm § 121 ZPO) ist abzulehnen, weil der Kläger keinen Anspruch auf Prozesskostenhilfe hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI4714783

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