Beteiligte
Klägerin und Beschwerdeführerin |
Beklagte und Beschwerdegegnerin |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Beiträge, die die Klägerin für die in ihrem Parkhaus beschäftigten Kassierer für die Jahre 1979 und 1980 zu entrichten hat.
Auf der Grundlage des für die genannten Jahre maßgebend gewesenen 17. Gefahrtarifs der Beklagten wurde das Unternehmen der Klägerin zur Tarifstelle 1/Gefahrklasse 1 ("Kaufmännischer Teil") und zur Tarifstelle 4/Gefahrklasse 6 ("Garage, Autohof, Bootshaus" - Schlüsselzahl 670 -) veranlagt. Die Klägerin machte geltend, die Kassierer seien dem kaufmännischen Teil zuzuordnen, weil sie ausschließlich in einem geschlossenen Kassenhaus tätig seien. Zumindest sei aber eine Herabsetzung der Gefahrklasse nach Teil II, Ziffer 2 des Gefahrtarifs geboten. Die Beklagte vertrat demgegenüber die Meinung, die Kassierertätigkeit sei dem technischen Bereich des Parkhauses zuzurechnen (Bescheide vom 14. April 1980, 13. April 1981 und 26. Oktober 1983).
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 22. November 1984 abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Beitragsbescheide verurteilt, bei der Neuberechnung der Beiträge die bei der Klägerin tätigen Kassierer der Gefahrklasse 1 zuzuordnen (Urteil vom 10. November 1987). Das Bundessozialgericht (BSG) hat diese Entscheidung durch Urteil vom 22. September 1988 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Die Kassierer seien dem technischen Teil des Unternehmens zuzuordnen, doch sei zu prüfen, ob der 17. Gefahrtarif der Beklagten rechtmäßig sei, oder ob jedenfalls eine Herabsetzung nach Teil II, Ziffer 2 in Betracht komme.
Nach erneuter Prüfung, insbesondere unter Bezugnahme auf das von der Beklagten vorgelegte Zahlenmaterial, hat das LSG die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 18. Dezember 1990). Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, der 17. Gefahrtarif der Beklagten werde den Zielvorstellungen des Gesetzgebers noch gerecht. Zwar seien die Tatsachen nicht in dem wünschenswerten Umfang zu ermitteln gewesen, doch sei das von der Beklagten für das Jahr 1987 vorgelegte Zahlenmaterial letztlich nicht ausreichend. Daraus ergebe sich für die in der Gefahrklasse 6 zusammengefaßten Unternehmen ein Verhältnis von gut 80% für die Parkhäuser und knapp 20% für die sonstigen Unternehmen (Garage, Autohof, Bootshäuser), wobei sich für die sonstigen Unternehmen - gemessen an der dreifach höheren Entschädigungslast - ein deutlich höheres Unfallrisiko feststellen lasse. Aus diesem Mißverhältnis allein lasse sich die behauptete Rechtswidrigkeit des 17. Gefahrtarifs aber nicht herleiten. Die Schaffung von Gefahrtarifen fordere vielmehr eine Reihe komplexer Erwägungen. Bei der Zusammenfassung technologisch artverwandter Betriebe seien nicht nur sachbezogene Überlegungen anzustellen; einzubeziehen seien auch das Solidaritätsprinzip und die historische Entwicklung. So müsse der Unfallversicherungsträger darauf Bedacht nehmen, daß bei der Schaffung einer Gefahrtarifstelle eine hinreichend große Anzahl von Betrieben zusammengefaßt werde. Erst von einer gewissen Mindestgröße an werde dem Versicherungsprinzip Rechnung getragen. So ergebe sich aus dem von der Beklagten vorgelegten Zahlenmaterial, daß bei den sonstigen Unternehmen bereits ein schwerer Unfall zu einer Verdoppelung der Entschädigungs- bzw. Beitragslast führen könne. Darüber hinaus müsse den Unfallversicherungsträgern hinsichtlich der Auseinanderentwicklung ursprünglich artverwandter Betriebe ein langer Beobachtungszeitraum bis zur Berücksichtigung der Veränderung im Gefahrtarif eingeräumt werden. Der insoweit "inzwischen abgeschlossene Prozeß erfordere jedenfalls für die hier maßgebliche Zeit (1979/80) keine Neugliederung des Gefahrtarifs. Auch die Voraussetzungen für eine Herabsetzung der Gefahrklasse wegen einer erheblich abweichenden Betriebsweise seien nicht erfüllt.
Ihre dagegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde stützt die Klägerin auf mehrere Gründe. Das LSG habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, indem es die Vorgaben des zurückverweisenden BSG-Urteils vom 22. September 1988 unerwartet nicht berücksichtigt habe. Nach der zurückverweisenden Revisionsentscheidung habe die Klägerin nämlich davon ausgehen können, daß das LSG die Berufung jedenfalls nicht aufgrund des von der Beklagten vorgelegten Zahlenmaterials zurückweisen würde. Genau dies aber habe das LSG getan, indem es überraschenderweise ausführe, die Tatsachen seien zwar nicht in dem wünschenswerten Umfang zu ermitteln gewesen, letztlich aber noch ausreichend. In der Sache selbst weiche das LSG sowohl von dem zurückverweisenden BSG-Urteil, als auch von dem Urteil des BSG vom 12. Dezember 1985 (SozR 2200 § 731 Nr. 2) ab. In den genannten Entscheidungen habe das BSG ausgeführt, daß die Zusammenfassung mehrerer Gewerbezweige in einem Gefahrtarif die Schaffung enger Gefahrgemeinschaften erfordere. Demgemäß habe eine Gefahrklasse Gewerbezweige mit annähernd gleichen Unfallrisiken zusammenzufassen. Von diesen Rechtssätzen sei das LSG abgewichen, indem es trotz des festgestellten Mißverhältnisses (340%) zwischen der Entschädigungslast bei Parkhausbetrieben und den sonstigen Unternehmen noch von einer engen Gefahrgemeinschaft spreche. Im übrigen komme der aufgeworfenen Rechtsfrage auch grundsätzliche Bedeutung zu. Bislang sei höchstrichterlich noch ungeklärt, welche Belastungsdifferenzen innerhalb einer Gefahrklasse noch hinnehmbar seien, bzw. von welchem Ausmaß an eine Differenz gegen die Bestimmung des § 730 der Reichsversicherungsordnung (RVO) verstoßen würde.
Die Beschwerde ist unbegründet, soweit sie sich nicht bereits als unzulässig erweist.
Der Vorwurf der Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art 103 des Grundgesetzes, §§ 62, 128 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫) ist nicht schlüssig dargelegt. Nach § 160 Abs. 2 Nr. 3 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Zu diesem Kausalitätserfordernis enthält die Beschwerdebegründung keine Ausführen. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, welches möglicherweise entscheidungserhebliche Vorbringen ihr durch die Verfahrensweise des LSG abgeschnitten worden sei (vgl. hierzu BSG SozR 1500 § 160a Nr. 36). Die Klägerin trägt lediglich vor, das LSG habe die Berufung - für sie überraschend - zurückgewiesen, obwohl die Beklagte nur unvollständiges Zahlenmaterial vorgelegt habe. Dabei übersieht sie jedoch, daß das LSG selbst von diesem Mangel sowie wegen des "noch ausreichenden" Ermittlungsergebnisses zugunsten der Klägerin von einem erheblichen Mißverhältnis zwischen der Entschädigungslast für die Parkhäuser und den übrigen in der Gefahrklasse 6 zusammengefaßten Unternehmen ausgegangen ist. Mit Blick auf die tragende Begründung des angefochtenen Urteils, wonach das LSG die Rechtmäßigkeit des 17. Gefahrtarifs trotz des gegebenen Mißverhältnisses aus anderen Gegebenheiten und Prinzipien bis zum Jahre 1980 als "noch" gegeben erachtet hat, hätte die Klägerin deshalb vortragen müssen, welche tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte ohne ausreichendes rechtliches Gehör unerörtert geblieben sind.
Eine Divergenz i.S. des § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG ist nicht gegeben. Das LSG hat den in den zitierten Entscheidungen des BSG vom 12. Dezember 1985 (SozR 2200 § 731 Nr. 2) und vom 22. September 1988 enthaltenen Rechtssätzen, wonach bei einem nach Gewerbezweigen erstellten Gefahrtarif enge Gefahrgemeinschaften mit annähernd gleichen Unfallrisiken zu schaffen sind, keinen abweichenden Rechtssatz gegenübergestellt. Es hat nicht entschieden, daß auch bei einer Belastungsdifferenz von 340% noch eine enge Gefahrgemeinschaft verschiedener Gewerbezweige vorliege, sondern hat ausgeführt, weshalb im vorliegenden Fall eine gemeinsame Erfassung der verschiedenen Gewerbezweige trotz des erheblichen Mißverhältnisses noch rechtens war.
Aus diesem Grunde kommt der Frage, bis zu welchem Grenzwert eine Belastungsdifferenz noch tolerabel ist, keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zu. Klärungsbedürftig wäre diese Frage nur, wenn es für die Entscheidung darauf ankäme, ob bestimmte Belastungsdifferenzen generell die Ausgliederung signifikant abweichender Gewerbezweige aus der gemeinsamen Gefahrklasse erfordern. Hier aber stand nicht die Frage des allenfalls tolerablen Grenzwertes, sondern die Frage, bis zu welchem Zeitpunkt die Zusammenfassung verschiedener Gewerbezweige - wegen des vom LSG erkannten Mißverhältnisses - rechtmäßig war, im Mittelpunkt des Rechtsstreits. Zur Beantwortung dieser Frage hat das LSG auf die Gesamtumstände des konkreten Einzelfalles abgestellt und hierbei dem Solidaritätsprinzip (Lastenverteilung einschließlich der Altlasten), der historischen Entwicklung (längerer Beobachtungszeitraum) und dem Versicherungsprinzip (Mindestgröße von Gefahrklassen) Rechnung getragen.
Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.2 BU 42/91
Bundessozialgericht
Beschluß
Fundstellen