Verfahrensgang
SG Speyer (Entscheidung vom 17.09.2018; Aktenzeichen S 21 R 320/17) |
LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 13.02.2019; Aktenzeichen L 6 R 282/18) |
Tenor
Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 13. Februar 2019 (L 6 R 282/18) Prozesskostenhilfe zu gewähren, wird abgelehnt.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Das LSG Rheinland-Pfalz hat mit Urteil vom 13.2.2019 den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf die Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente verneint. Mit privatschriftlichem Schreiben vom 14.3.2019, das am Folgetag beim BSG eingegangen ist, hat die Klägerin Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung eingelegt. Zugleich hat sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt.
II
1. Der PKH-Antrag ist abzulehnen. Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 ZPO kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Daran fehlt es hier. Die von der Klägerin angestrebte Nichtzulassungsbeschwerde verspricht keine hinreichende Erfolgsaussicht. Die Revision darf gemäß § 160 Abs 2 SGG nur zugelassen werden, wenn einer der dort abschließend genannten Revisionszulassungsgründe vorliegt. Ein solcher Zulassungsgrund ist nach summarischer Prüfung des Streitstoffs anhand der beigezogenen Akten des LSG und derjenigen der Beklagten auch unter Berücksichtigung der Ausführungen der Klägerin nicht ersichtlich.
a) Es ist besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass ein zur Vertretung vor dem BSG zugelassener Prozessbevollmächtigter (§ 73 Abs 2 iVm Abs 4 Satz 1 SGG) erfolgreich geltend machen könnte, der Rechtssache komme eine grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) zu. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Eine derartige Rechtsfrage stellt sich in diesem Rechtsstreit nicht. Die Voraussetzungen, unter denen eine Erwerbsminderungsrente gewährt wird, ergeben sich unmittelbar aus § 43 und § 240 SGB VI.
Das Vorbringen der Klägerin bezieht sich vor allem auf die nach ihrer Ansicht unrichtige Rechtsanwendung des LSG in ihrem konkreten Fall. Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr; vgl etwa BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18; BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; jüngst Senatsbeschluss vom 2.9.2019 - B 13 R 354/18 B - juris RdNr 9).
b) Es ist nach der Aktenlage nicht erkennbar, dass der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) erfolgreich geltend gemacht werden könnte. Insbesondere ergibt sich dies nicht aus dem Vorbringen der Klägerin, sie sei körperlich nicht zur Teilnahme an einer (weiteren) stationären Behandlungsmaßnahme fähig, was sich ihres Erachtens auch aus dem Entlassungsbericht der Klinik am P., aus 2015 ergebe. Damit deutet die Klägerin an, das LSG habe eine Erwerbsminderung mit dem Verweis auf noch nicht ausgeschöpfte Behandlungsmöglichkeiten verneint. Zwar würde darin eine Abweichung von höchstrichterlicher Rechtsprechung liegen, denn das BSG hat bereits 1979 entschieden, dass die Behandlungsfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit einer festgestellten Gesundheitsstörung dem Eintritt des Versicherungsfalls nicht im Wege stehen und dass eine unterbliebene Behandlung es - ohne Rücksicht auf die Ursache der Unterlassung - nicht ausschließt, eine vorhandene Gesundheitsstörung als Krankheit einzuordnen (BSG Urteil vom 19.6.1979 - 5 RJ 122/77 - SozR 2200 § 1277 Nr 2 RdNr 14). Dies gilt unverändert für Renten wegen Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI, denn auch insoweit führt die Verweigerung einer Behandlung nicht dazu, dass eine Gesundheitsstörung nicht als Krankheit iS von § 43 Abs 1 Satz 2 bzw Abs 2 Satz 2 SGB VI anzusehen wäre (Senatsbeschluss vom 31.10.2018 - B 13 R 275/17 B - juris RdNr 9). Ob ein Versicherter teilweise oder voll erwerbsgemindert iS von § 43 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bzw Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI ist, beurteilt sich allein in Anbetracht der Auswirkungen der vorhandenen Gesundheitsstörungen auf sein aktuelles Leistungsvermögen, ohne Hinzudenken einer bislang nicht durchgeführten Behandlung (Senatsbeschluss vom 28.9.2020 - B 13 R 45/19 B - RdNr 6, auch zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; zu den daraus erwachsenden Anforderungen an die gerichtliche Sachaufklärung Senatsbeschluss vom 7.8.2014 - B 13 R 420/13 B - juris RdNr 18). Der angegriffenen Entscheidung lässt sich indes kein aufgestellter Rechtssatz entnehmen, mit dem das LSG von dieser BSG-Rechtsprechung abgewichen wäre. Das LSG hat sich allerdings der vom SG Speyer vorgenommenen Beweiswürdigung angeschlossen. Dieses hat die Behandlungsoptionen als nicht ausgeschöpft erachtet und zudem bei Würdigung der - von der Klägerin als zutreffend erachteten - Leistungsbeurteilung durch die Agentur für Arbeit (Dr. H.) vom 11.8.2016 ua auf die dort fehlende Berücksichtigung der noch vorhandenen Therapieoptionen abgestellt. Wollte man hierin eine Abweichung von der Rechtsprechung des BSG erkennen, würde die angefochtene Entscheidung hierauf jedenfalls nicht beruhen. Nach den insoweit maßgeblichen Feststellungen des LSG ist die Klägerin zur Verrichtung leichter körperlicher Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden arbeitstäglich unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen in der Lage, sodass ihr Leistungsvermögen schon unter der aktuellen (ambulanten) Behandlung nicht im rentenrechtlich relevanten Maß herabgesunken ist.
c) Es lässt sich auch kein Verfahrensmangel feststellen, der gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Zulassung der Revision führen könnte. Insbesondere liegt kein rügefähiger Verfahrensmangel darin, dass das LSG am 13.2.2019 in Abwesenheit der Klägerin über deren Berufung mündlich verhandelt und entschieden hat. Ist einem Beteiligten - wie vorliegend der Klägerin - das Erscheinen zur mündlichen Verhandlung freigestellt worden, kann das Gericht die mündliche Verhandlung auch ohne den ordnungsgemäß geladenen, aber nicht erschienenen Prozessbeteiligten durchführen oder nach § 126 SGG nach Aktenlage entscheiden, ohne dass dessen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt würde (BSG Beschluss vom 21.6.1983 - 4 RJ 3/83 - juris RdNr 12 = VdKMitt 1983, 12, 46; BSG Beschluss vom 3.8.2018 - B 2 U 230/17 B - juris RdNr 5; Senatsbeschluss vom 25.2.2020 - B 13 R 320/18 B - juris RdNr 8). Auf diese Möglichkeit ist die Klägerin in der Ladung auch hingewiesen worden. Es sind keine Umstände ersichtlich, angesichts derer sich das LSG ausnahmsweise zur Vertagung hätte gedrängt fühlen müssen, zumal die Klägerin ihr Nichterscheinen mit Schriftsatz vom 7.2.2019 angekündigt hatte.
Ebenso wenig ist ein rügefähiger Verfahrensmangel darin zu erblicken, dass das LSG von der Anordnung des persönlichen Erscheinens der Klägerin (§ 111 Abs 1 SGG) abgesehen hat. Die Anordnung steht grundsätzlich im Ermessen des Gerichts und lässt ihm einen großen Entscheidungsspielraum (stRspr; vgl BSG Urteil vom 15.7.1992 - 9a RV 3/91 - juris RdNr 11; BSG Beschluss vom 4.5.2017 - B 3 KR 5/17 B - juris RdNr 11; BSG Senatsbeschluss vom 13.11.2017 - B 13 R 152/17 B - juris RdNr 11). Weder Art 103 Abs 1 GG noch § 62 SGG verlangen, dass das Gericht dafür Sorge zu tragen hat, dass jeder Beteiligte auch persönlich vor Gericht auftreten kann. Die Anordnung des persönlichen Erscheinens kann nur im Ausnahmefall geboten sein, etwa wenn der schriftliche Vortrag eines Beteiligten wegen Unbeholfenheit oder Sprachunkenntnis keine Sachverhaltsaufklärung gewährleistet und ein Erscheinen auf eigene Kosten sich als undurchführbar erweist (vgl BSG Urteil vom 15.7.1992 - 9a RV 3/91 - juris RdNr 11; BSG Senatsbeschluss vom 13.11.2017 - B 13 R 152/17 B - juris RdNr 11). Ein derartiger Ausnahmefall hat hier nicht vorgelegen. Selbst eingedenk der Mitteilung der Klägerin, eine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung sei ihr gesundheitlich nicht möglich, ist nicht ersichtlich, dass ihr der Zugang zum Gericht praktisch versperrt oder erschwert worden wäre. Die Klägerin ist zu schriftlichem Vortrag in der Lage gewesen; hat von dieser Möglichkeit, sich Gehör zu verschaffen, auch mit ihrer ausführlichen Berufungsbegründung Gebrauch gemacht, und es spricht nichts dafür, dass ihr schriftsätzliches Vorbringen im konkreten Fall zur Sachaufklärung nicht ausgereicht habe.
Indem die Klägerin vorbringt, das LSG habe den vorliegenden Morbus Menière mit Tinnitus nach einem Gehörsturz in 2007 sowie die Folge einer schweren Mittelohr- und Hirnhautentzündung in 1994 nicht angemessen berücksichtigt, macht sie sinngemäß eine Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 103 Satz 1 Halbsatz 1 SGG) geltend. Gleiches gilt für ihr Vorbringen, die vom SG beauftragte Sachverständige v. P. habe zu Unrecht keine weitere Begutachtung empfohlen, obwohl sie, die Klägerin, während der dortigen Begutachtung einen Schwindelanfall erlitten habe. Hieraus erwächst jedoch kein rügefähiger Verfahrensmangel. Für den Vorhalt, das Berufungsgericht habe seine Verpflichtung zur Amtsermittlung verletzt, bestehen nach § 160a Abs 2 Satz 3 iVm § 160 Abs 2 Nr 3 Teilsatz 3 SGG spezifische Darlegungserfordernisse. Die Verfahrensrüge muss folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist; (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zu weiterer Sachaufklärung drängen müssen; (3) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (4) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigen Ergebnis hätte gelangen können (stRspr; vgl etwa BSG Beschluss vom 19.11.2007 - B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 5; BSG Senatsbeschluss vom 28.2.2018 - B 13 R 73/16 B - juris RdNr 9 mwN). Hierzu gehört nach ständiger Rechtsprechung des BSG ferner die Darlegung, dass ein anwaltlich vertretener Beteiligter einen Beweisantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt und noch zumindest hilfsweise aufrechterhalten hat (vgl etwa BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN; Senatsbeschluss vom 21.2.2018 - B 13 R 28/17 R, B 13 R 285/17 B - juris RdNr 14 mwN). Zwar sind an Form, Inhalt, Formulierung und Präzisierung eines Beweisantrags verminderte Anforderungen zu stellen, wenn ein Beteiligter - wie die Klägerin - in der Berufungsinstanz durch keinen rechtskundigen Prozessbevollmächtigten vertreten gewesen ist (vgl BSG Beschluss vom 18.9.2003 - B 9 SB 11/03 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 1 RdNr 6; BSG Beschluss vom 1.3.2006 - B 2 U 403/05 B - juris RdNr 5). Auch ein unvertretener Kläger muss aber dem Gericht deutlich machen, dass er noch Aufklärungsbedarf sieht (vgl BSG Senatsbeschluss vom 22.7.2010 - B 13 R 585/09 B - juris RdNr 11; BSG Beschluss vom 24.7.2012 - B 2 U 103/12 B - juris RdNr 7; BSG Senatsbeschluss vom 11.4.2019 - B 13 R 74/18 B - juris RdNr 11). Das ist hier nicht geschehen. Zwar hat die Klägerin ihren Rentenantrag ua mit dem vorliegenden Morbus Menìere sowie dem Tinnitus begründet und zuletzt in ihrer Berufungsbegründung wiederkehrende Schwindelanfälle geschildert. Ihren Angaben im Rahmen der mitgeteilten Leidensgeschichte lässt sich aber nicht entnehmen, dass sie eine Begutachtung durch einen HNO-Arzt (weiterhin) für erforderlich halte. Selbst bei Vorliegen eines entsprechenden Beweisantrags wäre das LSG dem Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens durch einen HNO-Arzt mit einer iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG hinreichenden Begründung nicht gefolgt. Das LSG hat dies für nicht erforderlich halten dürfen, nachdem die im Gerichtsverfahren angestellten Ermittlungen keinen Hinweis auf weitergehende qualitative oder sogar quantitative Leistungseinschränkungen aufgrund von Erkrankungen auf diesem Fachgebiet ergeben hatten. Nach Einschätzung der Sachverständigen v. P. sind die von ihr als Nebendiagnosen berücksichtigten Erkrankungen Morbus Menìere und Schwindel (lediglich) durch den Ausschluss von Tätigkeiten an Maschinen, auf Leitern und Gerüsten zu berücksichtigen. Die Klägerin hat auch weder im erstinstanzlichen Verfahren noch im Berufungsverfahren eine aktuelle Behandlung bei einem HNO-Arzt angegeben. Sie hat vielmehr im April 2018 gegenüber der Sachverständigen v. P. angegeben, Arztbesuche möglichst zu vermeiden und zuletzt im Vorjahr beim Hausarzt gewesen zu sein. Den Termin bei einem HNO-Arzt am 18.3.2019, auf den die Klägerin in ihrem Schreiben vom 14.3.2019 hingewiesen hat, hat sie erst nach Abschluss des Berufungsverfahrens wahrgenommen.
Mit ihrem Vorbringen zu den aus ihrer Sicht bestehenden Mängeln der Sachverständigengutachten - sie macht insbesondere eine fehlende Wegefähigkeit geltend - rügt die Klägerin in der Sache eine fehlerhafte Beweiswürdigung durch das LSG. Auf die Rüge eines Verstoßes des Berufungsgerichts gegen die Grundsätze der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) kann die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG aber nicht gestützt werden.
2. Die von der Klägerin selbst eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG). Sie ist bereits deswegen unzulässig, weil sie formunwirksam ist. Schon die Beschwerdeschrift muss von einem vor dem BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§ 73 Abs 2 iVm Abs 4 Satz 1 SGG) eingereicht werden. Hierauf ist die Klägerin in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils ausdrücklich hingewiesen worden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14206926 |