Leitsatz (amtlich)

Der Verband der Heimkehrer gehört nicht zu den Vereinigungen, deren Mitglieder und Angestellte als Prozeßbevollmächtigte vor dem Bundessozialgericht zugelassen werden können.

 

Normenkette

SGG § 166 Fassung: 1953-09-03

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 8. Juli 1958 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Revision des Klägers ist nicht zulässig, weil sie nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form eingelegt worden ist.

Das Urteil des Landessozialgerichts, gegen das sich die Revision richtet, ist dem Kläger am 26. Juli 1958 zugestellt worden. Er hat die Revision zunächst mit einem von ihm unterzeichneten Schreiben vom 21. August 1958 - beim Bundessozialgericht eingegangen am 22. August 1958 - eingelegt und darin mitgeteilt, er wolle sich durch einen Angehörigen des Verbandes der Heimkehrer vertreten lassen. Am 23. August 1958 ist beim Bundessozialgericht ein weiteres Revisionsschreiben vom 21. August 1958 eingegangen, das vom Sozialreferenten K K des Bezirksverbandes Oberbayern im "Verband der Heimkehrer, Kriegsgefangenen und Vermißtenangehörigen Deutschlands e. V." - nachstehend als "Verband der Heimkehrer" bezeichnet - unterzeichnet ist. Es enthält einen Revisionsantrag und eine vorläufige Revisionsbegründung. Mit Schreiben vom 25. August 1958 - eingegangen am 26. August 1958 - hat Rechtsanwalt L in Bad R unter Hinweis auf die durch den Sozialreferenten K eingelegte Revision und Beifügung einer Vollmacht angezeigt, er vertrete "gleichfalls" den Kläger und bitte, ihm Abschriften der Schriftsätze mitzuteilen. Die diesem Rechtsanwalt erteilte Prozeßvollmacht hat der Kläger später zurückgezogen. Er wird im weiteren Verlauf des Revisionsverfahrens von seinem derzeitigen Prozeßbevollmächtigten vertreten, der die Revision innerhalb der bis zum 27. Oktober 1958 verlängerten Revisionsbegründungsfrist begründet hat.

Von den drei bis zum Ablauf der Revisionsfrist (26. August 1958) beim Bundessozialgericht eingegangenen Schreiben entspricht keines den Anforderungen, die das Gesetz an eine wirksame Revisionseinlegung stellt. Vor dem Bundessozialgericht müssen sich die Beteiligten, soweit es sich nicht um Behörden oder Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts handelt, durch besondere Prozeßbevollmächtigte vertreten lassen (§ 166 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Dies gilt schon für die Einlegung der Revision; die Revisionsschrift muß daher, soweit Vertretungszwang besteht, von einem vor dem Bundessozialgericht zugelassenen Prozeßbevollmächtigten unterzeichnet sein. Deshalb genügt nicht die vom Kläger selbst eingelegte Revision; sie ist auch nicht deshalb zulässig, weil die Revisionsbegründung fristgerecht von einem zugelassenen Prozeßbevollmächtigten eingereicht worden ist (vgl. BSG. im SozR. Da 1 Nr. 1 und Da 2 Nr. 5 zu § 166 SGG).

Auch die Revisionsschrift, die der Sozialreferent K unterzeichnet hat, genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen. Zwar liegt für ihn eine (nachträglich ausgestellte) Vollmacht des Verbands der Heimkehrer vor, die ihn ermächtigt, für den Kläger die Revision beim Bundessozialgericht einzulegen. Der Verband der Heimkehrer zählt aber nicht zu den Vereinigungen, deren Mitglieder und Angestellte als Prozeßbevollmächtigte vor dem Bundessozialgericht zugelassen sind. Zwar ist der Verband nach einem dem Senat vorliegenden Zeugnis des Amtsgerichts Bonn im dortigen Vereinsregister eingetragen und deshalb als Vereinigung im Sinne von § 166 Abs. 2 Satz 1 SGG anzusehen. Es fehlt aber an den weiteren Voraussetzungen, die nach dieser Vorschrift für die Vertretungsbefugnis vor dem Bundessozialgericht gegeben sein müssen. Der Verband der Heimkehrer ist weder eine Gewerkschaft, noch eine Vereinigung, der nur Personen einer bestimmten Gruppe der Sozialpartner (Arbeitgeber oder Arbeitnehmer) angehören. Nach der Satzung "in der am 19. Oktober 1957 in das Vereinsregister Nr. 1026 des Amtsgerichts Bonn eingetragenen Fassung" nimmt der Verband Personen aller Art als Mitglieder auf, außer Heimkehrern aus Krieg und Kriegsgefangenschaft und ihren Angehörigen, auch Angehörige der in Krieg oder Gefangenschaft Verschollenen, Vermißten, Gefallenen oder Verstorbenen, ebenso ehemalige und künftige deutsche Soldaten, ferner juristische oder natürliche Personen, die für die Zwecke des Verbands eintreten und seine Zwecke unterstützen. Dieser praktisch nicht beschränkte Mitgliederkreis und die Aufgaben, die sich der Verband gesetzt hat, sprechen auch gegen die Annahme, daß es sich um eine Vereinigung der Kriegsopfer im Sinne von § 166 Abs. 2 SGG handelt. Nach der Satzung sieht der Verband u. a. als seine Aufgaben an: Mitwirkung bei der Rückführung der deutschen Kriegsgefangenen aus den Gewahrsamsländern und ihre Betreuung, Unterstützung der Such- und Benachrichtigungsdienste, Unterstützung der deutschen Kriegsgräberfürsorge, Erfassung ehemaliger deutscher Kriegsteilnehmer, Förderung und Vertretung ihrer sozialen und wirtschaftlichen Interessen, Nutzbarmachung der durch Krieg, Gefangenschaft und Heimkehr gewonnenen Erfahrungen und Erkenntnisse für das deutsche Volk und für ein vereintes Europa, Unterstützung des Kampfes um die deutsche Einheit, Förderung der Mitarbeit an einer lebendigen Demokratie. Um diese Ziele zu erreichen, sieht die Satzung eine Reihe von Maßnahmen vor: Beratung und Mitarbeit bei Gesetzgebung und Verwaltung, Förderung der Berufsfürsorge einschließlich Berufsvermittlung, Beschaffung von Arbeitsplätzen und Wohnraum, Selbsthilfemaßnahmen durch Einschaltung beim Siedlungsbau, Errichtung von Patenstellen, Ausbau des ärztlichen Dienstes, der Kinderlandverschickung und des Heimkehrererholungswerks, Pflege der Verbundenheit zwischen Soldaten von gestern und morgen und Förderung ihrer sozialen und wirtschaftlichen Interessen. Dementsprechend nimmt der Verband die Belange seiner Mitglieder bei Regierungsstellen, Behörden und öffentlich-rechtlichen Körperschaften wahr, berät und unterstützt sie in ihren Ansprüchen vor den Sozial- Arbeits- und Verwaltungsgerichten in Angelegenheiten der Unterhaltsbeihilfe, Sozialversicherung und Fürsorge, bei Geltendmachung von Pensionsansprüchen und bei der Inanspruchnahme sonstiger sozialer Einrichtungen, er gewährt Notstandsbeihilfen und vermittelt Erholungsaufenthalte (§§ 2 und 3 der Satzung). Damit beschränkt sich der Verband nicht auf solche Aufgaben, wie sie die Vereinigung der Kriegsopfer herkömmlicherweise haben. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts fallen unter die Vorschrift in § 166 Abs. 2 SGG nur diejenigen Kriegsopferverbände, die sich nach ihrer Zwecksetzung ausschließlich oder mindestens in der Hauptsache die Aufgabe gestellt haben, die gemeinschaftlichen Interessen der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen zu wahren, die nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) und früheren Versorgungsgesetzen anspruchsberechtigt sind (BSG. im SozR. Da 4 Nr. 14 zu § 166 SGG). Mit solchen Aufgaben befaßt sich aber der Verband der Heimkehrer nach seiner Satzung jedenfalls nicht ausschließlich oder in der Hauptsache; er kann daher nicht zu den Vereinigungen der Kriegsopfer gerechnet werden, deren Mitglieder und Angestellte nach § 166 Abs. 2 SGG Prozeßbevollmächtigte vor dem Bundessozialgericht sein können.

Das Schreiben des Rechtsanwalts L vom 25./26. August 1958 enthält schon nach seinem Wortlaut keine Revisionseinlegung; er nimmt ausdrücklich nur auf die zuvor vom Sozialreferenten K eingelegte Revision Bezug. Aber selbst wenn dieses Schreiben als Revision anzusehen wäre, würde es nicht den Erfordernissen des Gesetzes genügen, weil es keinen bestimmten Sachantrag enthält (§ 164 Abs. 2 SGG). In der Bitte des Prozeßbevollmächtigten, ihm die in der Sache anfallenden Schriftsätze zuzustellen, kann kein Antrag im Sinne von § 164 Abs. 2 SGG erblickt werden. Das Erfordernis, im Revisionsschreiben einen bestimmten Antrag zu stellen (BSG. 1 S. 47 und 50), kann nach Sinn und Wortlaut des Gesetzes auch nicht durch den bloßen Hinweis auf einen anderen Schriftsatz erfüllt werden, in dem ein solcher Antrag enthalten ist (BSG. im SozR. Da 3 Nr. 14 zu § 164 SGG). Es genügt deshalb nicht, daß das Revisionsschreiben des Sozialreferenten K, das in dem Schreiben des Rechtsanwalts L erwähnt ist, einen bestimmten Antrag enthält. Ein solcher Antrag hätte vielmehr im Schreiben des Prozeßbevollmächtigten selbst enthalten sein müssen.

Da hiernach die Revision nicht ordnungsgemäß eingelegt wurde, muß sie als unzulässig verworfen werden (§ 169 SGG), ohne daß geprüft zu werden braucht, ob sie auch aus anderen Gründen unzulässig ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2387484

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