Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. keine Kostenübernahme einer Krankenbehandlung in einer Privatklinik. Wahlrecht des Versicherten nur in Bezug auf zugelassene Ärzte und Krankenhäuser. sozialgerichtliches Verfahren. Nichtzulassungsbeschwerde. Erfordernis der Formulierung der konkreten noch klärungsbedürftigen Rechtsfrage in Revisionsbegründung durch Rechtsanwalt
Orientierungssatz
1. Der Anspruch auf Krankenbehandlung (§ 27 SGB 5) ist zwar unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse und des medizinisch-technischen Fortschritts (§ 2 Abs 1 SGB 5) zu erfüllen, er ist aber nicht darauf gerichtet, nur von einem ganz bestimmten - aus Sicht des Versicherten am besten qualifizierten - Arzt behandelt zu werden. Das Wahlrecht eines Betroffenen bei der Krankenbehandlung beschränkt sich auf zur Versorgung der Versicherten zugelassene Ärzte und Krankenhäuser, umfasst also nicht auch die Behandlung in Privatkliniken, mag der behandelnde Arzt ansonsten auch vertragsärztlich tätig sein.
2. Es ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, im Beschwerdeverfahren nach § 160a SGG aus der Gesamtheit des unterbreiteten Beschwerdevorbringens die noch klärungsbedürftigen Rechtsfragen selbst herauszuarbeiten.
Normenkette
SGB 5 § 2 Abs. 1, § 27; SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1, § 160a
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger erlitt bei einem Motorradunfall am 16.4.2004 erhebliche Verletzungen des rechten Kniegelenks (Riss des Innenbandes und Teilriss des hinteren Kreuzbandes), deren Behandlung in zwei Vertragskrankenhäusern in G. und Bad M. nicht den angestrebten Heilungserfolg erbrachte. Zur notwendigen operativen Rekonstruktion des hinteren Kreuzbandes befand sich der Kläger in der Zeit vom 6. bis zum 16.3.2005 in der Privatklinik St. W. in Bad Griesbach, wo er von Prof. Dr. S., einem Spezialisten für Kreuzband-Ersatzplastiken, erfolgreich operiert wurde. Er machte geltend, mit diesem Arzt verbinde ihn ein Vertrauensverhältnis. Andere Ärzte in Deutschland seien nicht ausreichend qualifiziert, den Eingriff sicher zum Erfolg zu führen. Eine Behandlung im E.-Krankenhaus (Vertragskrankenhaus) in Straubing, in dem Prof. Dr. S. als Belegarzt behandele, sei wegen der angekündigten Wartezeit von mindestens zwei Jahren unzumutbar gewesen. Die begehrte Erstattung der Kosten der Privatbehandlung in Höhe von 6.000 Euro lehnte die Beklagte ab.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 18.6.2007). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 4.9.2008). Es hat ausgeführt, die Voraussetzungen für einen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 SGB seien nicht erfüllt. Der Eingriff sei weder unaufschiebbar gewesen noch habe die Beklagte die Kostenübernahme zu Unrecht abgelehnt. Die Behandlung hätte ebenso gut in einem der fünf von der Beklagten vor dem Eingriff benannten zugelassenen Krankenhäuser im Rhein-Main-Gebiet zeitnah stattfinden können. Mangels Verletzung von Aufklärungs- oder Beratungspflichten (§§ 13, 14 SGB I) scheide auch ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch aus.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG wendet sich der Kläger mit der - fristgerecht eingelegten - Beschwerde.
Entscheidungsgründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht in der durch die §§ 160 Abs 2, 160a Abs 2 Satz 3 SGG normierten Form begründet worden ist. Sie ist deshalb ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§§ 160a Abs 4 Satz 1, 169 SGG).
1. Der Kläger macht in erster Linie geltend, die angegriffene Entscheidung betreffe eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) . Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist es erforderlich, die grundsätzliche Rechtsfrage klar zu formulieren und aufzuzeigen, dass sie über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitzt (BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11 und SozR 1500 § 160a Nr 39) und dass sie klärungsbedürftig sowie klärungsfähig ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 13 und 65), sie also im Falle der Revisionszulassung entscheidungserheblich wäre (BSG SozR 1500 § 160a Nr 54). In der Regel fehlt es an der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage, wenn diese höchstrichterlich bereits entschieden ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr 51, § 160a Nr 13 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8) oder sich ihre Beantwortung eindeutig aus dem Gesetz ergibt (Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Aufl 2008, Kap IX, RdNr 66 mwN) . Diese Erfordernisse betreffen die gesetzliche Form iS des § 169 Satz 1 SGG (vgl BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 48 und BVerfG SozR 4-1500 § 160a Nr 12). Deren Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
a) Es fehlt bereits an der Formulierung einer konkreten Rechtsfrage, über die das Bundessozialgericht (BSG) in dem angestrebten Revisionsverfahren eine grundsätzliche Entscheidung treffen könnte. In der Beschwerdebegründung übt der Kläger lediglich in allgemeiner Form Kritik am prozessualen Vorgehen des LSG im Berufungsverfahren sowie am Ergebnis der getroffenen Berufungsentscheidung. Er bemängelt insbesondere die Entscheidung des Rechtsstreits ohne Durchführung einer Beweisaufnahme. Der Kläger spricht zwar einige Punkte an (zB Qualifikation der in Betracht kommenden Krankenhäuser; Wartezeit im E.-Krankenhaus; Dringlichkeit des Eingriffs; Systemversagen bzw Systemschwäche; keine höheren Kosten als bei Behandlung durch Sachleistung), ohne aber die Problematik des Falles auf eine bestimmte Rechtsfrage zurückzuführen. Es ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, im Beschwerdeverfahren nach § 160a SGG aus der Gesamtheit des unterbreiteten Beschwerdevorbringens die noch klärungsbedürftigen Rechtsfragen selbst herauszuarbeiten.
b) Selbst wenn hier aber die Formulierung einer konkreten Rechtsfrage unterstellt würde, fehlt es jedenfalls an der Darlegung der Klärungsbedürftigkeit der in der Beschwerdebegründung angesprochenen Punkte. Der Kläger setzt sich nicht mit der bereits vorhandenen, eine Vielzahl der denkbaren Fallgestaltungen ausleuchtenden Rechtsprechung des BSG zu den Kostenerstattungsansprüchen nach § 13 Abs 3 SGB V auseinander, sodass nicht erkennbar wird, dass der Fall noch (oder wieder) klärungsbedürftige Fragen von allgemeinem Interesse aufwirft. Außerdem weicht der Kläger vom festgestellten Sachverhalt ab, soweit er von einer "Notfalloperation" spricht. Das LSG hat weder die äußerste Dringlichkeit des Eingriffs noch die medizinische Unvertretbarkeit einer Verschiebung der Behandlung festgestellt. Im Übrigen ist festzuhalten, dass der Anspruch auf Krankenbehandlung (§ 27 SGB V) zwar unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse und des medizinisch-technischen Fortschritts (§ 2 Abs 1 SGB V) zu erfüllen ist, er aber nicht darauf gerichtet ist, nur von einem ganz bestimmten - aus Sicht des Versicherten am besten qualifizierten - Arzt behandelt zu werden. Das Wahlrecht eines Betroffenen bei der Krankenbehandlung beschränkt sich auf zur Versorgung der Versicherten zugelassene Ärzte und Krankenhäuser, umfasst also nicht auch die Behandlung in Privatkliniken, mag der behandelnde Arzt ansonsten auch vertragsärztlich tätig sein.
2. Ein Verfahrensfehler (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) ist nur dann formgerecht bezeichnet, wenn die ihn begründenden Tatsachen im Einzelnen angegeben sind und - in sich verständlich - den behaupteten Verfahrensfehler ergeben; außerdem muss dargelegt werden, dass und warum die angefochtene Entscheidung darauf beruhen kann (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14) . Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung ebenfalls nicht gerecht, weil die - hier allein erhobene - Rüge eines Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103 SGG ) gemäß § 160 Abs 2 Nr 3, 2. Halbsatz SGG nur darauf gestützt werden kann, dass das LSG einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Dies ist nicht geschehen.
a) Der Kläger hat ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 4.9.2008 und des Tatbestandes des Berufungsurteils (Umdruck S 6) in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG hilfsweise beantragt, durch den zum Sachverständigen zu bestellenden Prof. Dr. S. Beweis zu erheben zu der Behauptung, "dass eine sachgerechte und fristgerechte Behandlung in den von der Beklagten genannten Kliniken nicht zu erwarten gewesen wäre". Soweit dieser protokollierte Beweisantrag eine Ungenauigkeit enthalten sollte, weil nach der Behauptung des Klägers der Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens und alternativ auf die Vernehmung von Prof. Dr. S. als sachverständiger Zeuge gerichtet gewesen sei, hätte der Kläger die Berichtigung der Sitzungsniederschrift (§ 122 SGG) oder des Urteilstatbestandes (§§ 138, 139 SGG) beantragen müssen. Das LSG hat die Ablehnung des Hilfsantrages eingehend begründet (Urteilsumdruck S 8, letzter Absatz). Der Kläger legt nicht nachvollziehbar dar, dass das LSG auf der Grundlage seiner Auffassung zur Sach- und Rechtslage den angebotenen Beweis dennoch hätte erheben müssen.
b) Soweit der Kläger die Feststellung des LSG, die benannten fünf Kliniken aus dem Rhein-Main-Gebiet seien renommiert und hätten den Eingriff ebenso sach- und fachgerecht ausführen können, als unzutreffend rügt, weil diese Kliniken selbst eingeräumt hätten, die Operation könne nur durch einen Fachkundigen wie Prof. Dr. S. erfolgen, weicht der Kläger wiederum vom festgestellten Sachverhalt ab. Der Kläger zeigt auch nicht auf, an welcher Stelle im Urteil oder in den Akten eine solche Mitteilung zu finden sein soll. Gleiches gilt für seine Behauptung, es gebe für diese Art von Verletzungen "keinen besseren Operateur" als Prof. Dr. S.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen