Verfahrensgang

SG Halle (Saale) (Entscheidung vom 21.03.2019; Aktenzeichen S 13 SO 142/16)

LSG Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 22.03.2021; Aktenzeichen L 8 SO 24/19)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 22. März 2021 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Im Streit ist ein Anspruch auf Leistungen nach dem Dritten bzw Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) für die Zeit vom 1.7.2015 bis zum 30.9.2016.

Der im Juli 1950 geborene Kläger bezieht eine Altersrente. Seinen Antrag auf ergänzende Leistungen nach dem Dritten bzw Vierten Kapitel des SGB XII lehnte der Beklagte für die Zeit vom 1.7.2015 bis zum 30.9.2016 ab, weil der Kläger über Vermögen aus dem Verkauf eines von ihm selbst bewohnten Hausgrundstücks verfüge (Bescheid vom 25.9.2015; Widerspruchsbescheid vom 30.9.2016). Die Klage hat keinen Erfolg gehabt (Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ Halle vom 21.3.2019; Beschluss des Landessozialgerichts ≪LSG≫ Sachsen-Anhalt vom 22.3.2021). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG unter anderem ausgeführt, die Voraussetzungen für eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss lägen vor, weil nicht erkennbar sei, dass dem Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem SG, die 57 Minuten gedauert habe, nicht ausreichend rechtliches Gehör gewährt worden sei. Weitere Ermittlungen, insbesondere durch Vernehmung des Zeugen K (im Folgenden K), seien nicht erforderlich gewesen, weil der Kläger schon nicht mitgeteilt habe, zum Beweis welcher Tatsache K hätte vernommen werden sollen. In der Sache habe er keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Dritten bzw Vierten Kapitel des SGB XII, weil sein Regelbedarf durch die Rente gedeckt gewesen sei und er keine Kosten für Unterkunft und Heizung zu zahlen gehabt habe. Es sei kein rechtswirksamer Mietvertrag zwischen ihm und K vorgelegt worden und K sei (unterstelle man die weiteren Angaben des Klägers als wahr) mangels Zahlung des Kaufpreises an ihn - den Kläger - weder Eigentümer noch Besitzer des vom Kläger bewohnten Hausgrundstücks gewesen und habe also auch nicht Vermieter sein können.

Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde und macht als Verfahrensmangel einen Verstoß gegen die Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen (vgl § 103 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) geltend, weil das LSG ohne hinreichende Begründung dem Beweisantrag nicht gefolgt sei. Zudem habe das LSG mit der Entscheidung nach § 153 Abs 4 SGG seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt; es hätte ihn vielmehr in einer mündlichen Verhandlung selbst anhören müssen.

II

Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des allein geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes des Verfahrensmangels.

Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (stRspr; vgl zB Bundessozialgericht ≪BSG≫ vom 16.6.2020 - B 8 SO 69/19 B - RdNr 11). Wer sich - wie hier der Kläger - auf eine Verletzung des § 103 SGG stützt, muss einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, die Rechtsauffassung des LSG wiedergeben, aufgrund der bestimmte Tatsachen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen und die von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände darlegen, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten (vgl zB BSG vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 mwN). Hierzu gehört nach ständiger Rechtsprechung des BSG die Darlegung, dass ein anwaltlich vertretener Beteiligter einen Beweisantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt und noch zumindest hilfsweise aufrechterhalten hat (vgl dazu BSG vom 20.9.2013 - B 8 SO 15/13 B - RdNr 10; BSG vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN) oder einen im schriftlichen Verfahren gestellten Beweisantrag aufrechterhalten hat (BSG vom 18.12.2000 - B 2 U 336/00 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 31 S 52; BSG vom 18.2.2003 - B 11 AL 273/02 B - juris RdNr 3). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

Der Kläger trägt zwar vor, dass er auf die Anhörung durch das LSG zur beabsichtigten Vorgehensweise nach § 153 Abs 4 SGG hin beantragt habe, K als Zeugen zu hören. Mit der Aussage des K hätte er - der Kläger - seine Sachverhaltsdarstellung beweisen können; sie sei geeignet, die Feststellungen des Beklagten im angegriffenen Bescheid zu widerlegen. Sowohl die Fragen in Bezug auf sein tatsächliches Vermögen wären so geklärt als auch der "(erfundene) angebliche Nichtbedarf" an Kosten der Unterkunft und Heizung widerlegt worden. Mit diesen Ausführungen hat er schon keinen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag iS von § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG iVm § 118 Abs 1 Satz 1 SGG, § 403 Zivilprozessordnung (ZPO) bezeichnet. Dafür muss nicht nur die Stellung des Antrags, sondern auch aufgezeigt werden, über welche im Einzelnen bezeichneten Punkte Beweis erhoben werden soll. Merkmal eines substantiierten Beweisantrags ist eine bestimmte Tatsachenbehauptung und die Angabe des Beweismittels für diese Tatsache (vgl zB BSG vom 6.4.2017 - B 9 V 89/16 B - RdNr 7 mwN). Dafür ist die behauptete Tatsache möglichst präzise und bestimmt aufzuzeigen und zumindest hypothetisch zu umreißen, was die Beweisaufnahme ergeben hätte. Nur dies versetzt die Vorinstanz in die Lage, die Entscheidungserheblichkeit eines Antrags zu prüfen und ggf seine Ablehnung iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ausreichend zu begründen. Unbestimmte bzw unsubstantiierte Beweisanträge brauchen dem Gericht dagegen keine Beweisaufnahme nahe zu legen. Mit dem Vortrag, die Aussage des K hätte seine Sachverhaltsdarstellung bewiesen und die Annahmen des Beklagten widerlegt, trägt der Kläger aber schon keine konkrete Tatsachenbehauptung vor, die Thema der Zeugenvernehmung hätte sein sollen; ebenso fehlen nähere Ausführungen dazu, was die Vernehmung des K als Beweisergebnis ergeben hätte.

Schließlich fehlt es auch an ausreichenden Darlegungen dazu, dass das LSG dem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Insoweit sind Darlegungen erforderlich, dass das Gericht sich aus seiner rechtlichen Sicht zur beantragten Beweiserhebung hätte gedrängt fühlen müssen. Insoweit trägt der Kläger nur vor, das LSG habe gegen seine Ermittlungspflicht verstoßen, weil es die zwischen den Beteiligten maßgeblich gewesene Frage, ob das Schonvermögen überschritten gewesen sei, im Ergebnis gänzlich dahingestellt gelassen habe. Es fehlen damit Ausführungen dazu, weshalb die Vernehmung des Zeugen ausgehend von der Rechtsauffassung des LSG, K habe - den klägerischen Vortrag als wahr unterstellt - aus rechtlichen Gründen nicht Vermieter des vom Kläger bewohnten Hausgrundstücks sein können, entscheidungserheblich gewesen sein sollte. Der Kläger, der dieses Ergebnis für "erfunden" hält, greift insoweit lediglich die Rechtsauffassung des Gerichts an, wenn er sinngemäß meint, das LSG habe von dem Sachverhalt, wie der Beklagte ihn bei seiner Entscheidung zugrunde gelegt habe, nicht abweichen dürfen.

Auch einen Verstoß gegen § 154 Abs 4 SGG bezeichnet der Kläger nicht hinreichend. Nach § 153 Abs 4 Satz 1 SGG kann das LSG, außer in den Fällen, in denen das SG durch Gerichtsbescheid (§ 105 Abs 2 Satz 1 SGG) entschieden hat, die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Damit ist dem Berufungsgericht Ermessen eingeräumt, durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden. Die Ermessensentscheidung für eine Entscheidung im Beschlusswege kann vom Revisionsgericht lediglich darauf geprüft werden, ob das Berufungsgericht von seinem Ermessen unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe erkennbar fehlerhaften Gebrauch gemacht hat, etwa wenn der Beurteilung sachfremde Erwägungen oder eine grobe Fehleinschätzung zugrunde liegen (vgl nur BSG vom 9.9.2003 - B 9 VS 2/03 B; BSG vom 2.5.2001 - B 2 U 29/00 R - SozR 3-1500 § 153 Nr 13 S 35, 38 mwN; zum Ganzen auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 153 RdNr 15b). Der Kläger behauptet nur, bereits in der ersten Instanz sei der Sachverhalt mangelhaft aufgeklärt worden und das LSG hätte ihn in einer mündlichen Verhandlung anhören müssen, damit er sein Anliegen persönlich vortragen kann. Damit wird aber nicht nachvollziehbar, welche Aspekte im Einzelnen dazu hätten führen sollen, dass das Ermessen des LSG, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, hier auf Null reduziert gewesen sein sollte. Er trägt nichts im Einzelnen dazu vor, zu welchen aus Sicht des LSG entscheidungserheblichen Punkten er noch in einer mündlichen Verhandlung hätte gehört werden müssen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Krauß                                           Luik                                           Scholz

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15134750

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