Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 29. Februar 2024 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger begehrt in der Hauptsache die Gewährung einer höheren Pflegezulage und im Wege eines Neufeststellungsverfahrens eine höhere Schwerstbeschädigtenzulage nach dem Opferentschädigungsgesetz iVm dem Bundesversorgungsgesetz aufgrund eines im Juni 2009 erlittenen Überfalls. Klage und Berufung des Klägers gegen die ablehnende Entscheidung des Beklagten sind erfolglos geblieben. Das LSG ist mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 29.2.2024 zu der Überzeugung gelangt, dass es der Beklagte ebenso wie nachfolgend das SG zu Recht abgelehnt habe, die Schwerstbeschädigtenzulage neu festzustellen und Pflegezulage nach einer höheren Stufe zu gewähren.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde zum BSG eingelegt. Er macht einen Verfahrensmangel und die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung verfehlt die gesetzlichen Anforderungen, weil weder ein Verfahrensmangel noch die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ordnungsgemäß dargetan worden sind(vgl§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG ) .
1. Hierfür fehlt es schon an einer ausreichenden Darstellung des vom LSG festgestellten entscheidungserheblichen Sachverhalts. Denn zu den Mindestanforderungen der Darlegung eines Revisionszulassungsgrundes gehört eine verständliche Sachverhaltsschilderung. Allein die wörtliche Wiedergabe der Entscheidungsgründe der LSG-Entscheidung reicht insoweit nicht. Vielmehr hätte es in der Beschwerdebegründung weiterer Ausführungen zum Ablauf des Verwaltungs- und Gerichtsverfahrens, den dort erhobenen Beweisen und insbesondere zu den tatsächlichen Feststellungen des LSG bedurft. Daran mangelt es. Es ist nicht Aufgabe des BSG, sich den maßgeblichen Sachverhalt aus den Akten oder der angegriffenen Entscheidung des LSG selbst herauszusuchen(stRspr; zBBSG Beschluss vom 19.3.2024 - B 9 SB 32/23 B - juris RdNr 5 ;BSG Beschluss vom 28.9.2021 - B 9 SB 12/21 B - juris RdNr 5 ) .
2. Unabhängig davon hat der Kläger aber auch einen Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG nicht in zulässiger Weise bezeichnet.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen für seine Bezeichnung nicht nur die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
a) Soweit der Kläger einen Verstoß des LSG gegen die Sachaufklärungspflicht(§ 103 SGG ) rügt, erfüllt sein Beschwerdevortrag nicht die Darlegungsanforderungen einer Sachaufklärungsrüge. Hierzu gehört nach ständiger Rechtsprechung des BSG die Darlegung, dass ein - wie der Kläger - bereits in der Berufungsinstanz anwaltlich vertretener Beteiligter einen Beweisantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt und zumindest noch hilfsweise aufrechterhalten hat(stRspr; zBBSG Beschluss vom 11.6.2022 - B 9 V 5/22 B - juris RdNr 4 ;BSG Beschluss vom 25.3.2021 - B 13 R 40/20 B - juris RdNr 5 ) . Ergeht die angefochtene Entscheidung - wie vorliegend - ohne mündliche Verhandlung, muss aufgezeigt werden, dass dieser Antrag trotz der Erteilung des Einverständnisses mit dieser Verfahrensweise(vgl§ 124 Abs 2 SGG ) weiter aufrechterhalten worden ist(vgl zu diesem ErfordernisBSG Beschluss vom 28.11.2022 - B 9 SB 28/22 B - juris RdNr 8 mwN) . Denn ein Beweisantrag hat Warnfunktion. Er soll der Tatsacheninstanz unmittelbar vor der Entscheidung signalisieren, dass ein Beteiligter die gerichtliche Aufklärungspflicht noch für defizitär hält. Diese Warnfunktion verfehlen bloße Beweisgesuche, die lediglich in der Berufungsschrift oder sonstigen Schriftsätzen enthalten sind, weil es sich insoweit nur um Hinweise oder bloße Anregungen handelt(BSG Beschluss vom 10.3.2023 - B 9 SB 43/22 B - juris RdNr 6 mwN) .
Der Kläger macht geltend, das LSG habe weder die behandelnden Ärzte als Zeugen noch die "gerichtlich bestellte Gutachterin" angehört, "obgleich dies" von ihm "beantragt" und bereits in der Berufungsbegründung "gerügt" worden sei.
Mit diesem und seinem weiteren Vortrag trägt er aber nicht vor, einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag iS des§ 160 Abs 2 Nr 3 iVm§ 118 Abs 1 Satz 1 SGG , § 403 und § 414 ZPO gestellt zu haben. Bloße Beweisanregungen haben prozessual und im Hinblick auf die Sachaufklärungsrüge nicht dieselbe Bedeutung wie ein Beweisantrag; sie können ihn deshalb nicht ersetzen(vglBSG Beschluss vom 28.11.2022 - B 9 SB 28/22 B - juris RdNr 8 ;BSG Beschluss vom 8.5.2017 - B 9 V 78/16 B - juris RdNr 8 ) . Der Beschwerdebegründung ist nicht zu entnehmen, dass das Begehren des Klägers über eine solche Anregung hinausging. Überdies hat der Kläger aber auch nicht aufgezeigt, sein Beweisbegehren bis zuletzt aufrechterhalten und auf einer Beweiserhebung bestanden zu haben, obwohl er einer Entscheidung des LSG ohne mündliche Verhandlung zugestimmt hatte(vglBSG Beschluss vom 24.10.2023 - B 5 R 93/23 B - juris RdNr 14 ;BSG Beschluss vom 25.11.2013 - B 13 R 339/13 B - juris RdNr 6 und 10) .
b) Soweit der Kläger mit seinem Vorbringen eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör(Art 103 Abs 1 GG ,§ 62 SGG ) rügt, hat er einen solchen Verstoß ebenfalls nicht hinreichend bezeichnet. Insbesondere genügt dieses Vorbringen nicht den Anforderungen an die Bezeichnung eines solchen Verfahrensmangels in Form des gesetzlichen Fragerechts aus § 116 Satz 2, § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm§§ 397 ,402 ,411 Abs 4 ZPO . Der Kläger hat - wie oben bereits ausgeführt - schon nicht dargelegt, einen solchen Antrag bis zuletzt vor dem LSG aufrechterhalten zu haben. Überdies setzt die Ausübung des Fragerechts an einen Sachverständigen eine hinreichend konkrete Bezeichnung der noch erläuterungsbedürftigen Punkte voraus. Dafür muss ein - wie der Kläger - anwaltlich vertretener Beteiligter die im bisherigen Verfahren zu den beabsichtigten Fragen bereits getroffenen medizinischen Feststellungen des Sachverständigen näher benennen, sodann auf dieser Grundlage auf Lücken, Widersprüche oder Unklarheiten in dessen Ausführungen hinweisen und davon ausgehend schließlich die konkret - aus seiner Sicht - noch erläuterungsbedürftigen Punkte formulieren(stRspr; zBBSG Beschluss vom 18.10.2023 - B 9 V 9/23 B - juris RdNr 21 mwN) . Auch hieran fehlt es.
3. Ebenso wenig hat der Kläger schließlich die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG dargelegt.
Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen(stRspr; zBBSG Beschluss vom 19.3.2024 - B 9 SB 32/23 B - juris RdNr 7 ;BSG Beschluss vom 8.3.2021 - B 9 BL 3/20 B - juris RdNr 14 ) .
Der Kläger meint, grundsätzlich zu klären sei, "ob die Richter hier nicht mit Rücksicht auf das rechtliche Gehör die behandelnden Ärzte und den gerichtlich bestellten Sachverständigen anhören müssen, zumindest wenn seit Vorlage der Attest- und Arztunterlagen neue Untersuchungen stattgefunden haben und diese den Sachvortrag des Klägers stützen und der Gerichtsgutachter die Ärzte noch nicht einmal im Rahmen seiner Gutachtenerstellung konsultiert hat". Dementsprechend hält er die Frage für grundsätzlich bedeutsam, "ob und unter welchen Voraussetzungen die persönliche Anhörung der Ärzte und eines Gerichtsgutachters erfolgen muss".
Mit den aufgeworfenen Fragestellungen hat der Kläger - anders als notwendig - bereits keine abstrakt-generelle Rechtsfragen iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG bezeichnet. Dass der Kläger das prozessuale Vorgehen und die Entscheidung des LSG in der Sache für unrichtig hält, reicht zur Darlegung einer Grundsatzrüge allein nicht aus. § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ermöglicht es nicht, dass im Gewand einer Grundsatzrüge eine aus Sicht des Beschwerdeführers unrichtige Rechtsanwendung des Berufungsgerichts in seinem Einzelfall zur Überprüfung gestellt werden kann(vgl stRspr; zBBSG Beschluss vom 18.9.2023 - B 9 SB 11/23 B - juris RdNr 10 ;BSG Beschluss vom 25.1.2023 - B 9 V 32/22 B - juris RdNr 20 ) . Gerade dies macht der Kläger aber im Kern seines Vorbringens zum Gegenstand seiner Nichtzulassungsbeschwerde, wenn er in der Sache rügt, dass die Richter des Berufungsgerichts "hier" die behandelnden Ärzte und die Sachverständigen nicht angehört haben. Vor diesem Hintergrund kann der insoweit gestellten Frage von vornherein keine Breitenwirkung zukommen(vglBSG Beschluss vom 6.4.2020 - B 9 V 1/20 B - juris RdNr 5 mwN) .
Letztlich versucht der Kläger, die von ihm gerügten Verfahrensmängel in eine Grundsatzrüge zu kleiden. Zwar können auch prozessuale Fragen grundsätzliche Bedeutung haben und eine Rechtsfortbildung im Verfahrensrecht erfordern. Dies darf aber nicht zur Umgehung von § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG führen, soweit dieser die Nachprüfbarkeit von Verfahrensmängeln einschränkt(stRspr; zBBSG Beschluss vom 3.5.2023 - B 9 SB 39/22 B - juris RdNr 9 ;BSG Beschluss vom 15.7.2019 - B 13 R 3/18 B - juris RdNr 12 ;BSG Beschluss vom 12.10.2017 - B 9 V 32/17 B - juris RdNr 22 ) . Der Kläger zeigt aber nicht auf, dass dies hier nicht der Fall wäre. Unabhängig davon versäumt er es aber ohnehin, sich mit der einschlägigen Rechtsprechung des BSG zu den von ihm aufgeworfenen prozessualen Fragen auseinanderzusetzen und prüft deshalb auch nicht, ob sich mithilfe der hierzu bereits ergangenen Rechtsprechung Anhaltspunkte für deren Beantwortung ergeben. Ist dies aber der Fall, so gilt eine Rechtsfrage als höchstrichterlich geklärt(vgl stRspr; zBBSG Beschluss vom 22.12.2023 - B 9 V 6/23 B - juris RdNr 8 mwN) .
4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab(vgl§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ) .
5. Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von§ 193 SGG .
Fundstellen
Dokument-Index HI16526226 |