Leitsatz (amtlich)
Für einen Beweisantrag iS des SGG § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 genügt es, wenn er in einem vorbereitenden Schriftsatz gestellt worden ist, es sei denn, aus den näheren Umständen ist zu entnehmen, daß er in der letzten mündlichen Verhandlung nicht mehr aufrechterhalten wurde.
Normenkette
SGG § 103 Fassung: 1974-07-30, § 106 Abs 2 Fassung: 1953-09-03, § 122 Fassung: 1953-09-03, § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 Fassung: 1974-07-30; ZPO §§ 159-160
Gründe
Die Klägerin macht mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde Verfahrensmängel geltend (§ 160a Abs 2 Satz 3 iVm § 160 Abs 2 Nr 3 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Sie führt dazu zunächst aus, in dem Behälter, dessen Inhalt den Unfall verursacht habe, könne ein Hexan-Gemisch enthalten gewesen sein, also eine viel leichter brennbare Verdünnung als Waschbenzin, von dem das Landessozialgericht (LSG) ausgegangen sei. Als Beweis für diese Behauptung habe sie die Einholung eines Sachverständigen-Gutachtens beantragt. Dieses Gutachten habe das LSG jedoch zu Unrecht nicht angefordert. Diese Rüge greift nicht durch. Zur Begründetheit einer auf § 160 Abs 2 Nr 3 iVm § 103 SGG gestützten Nichtzulassungsbeschwerde gehört es, daß das LSG seine Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG dadurch verletzt hat, daß es eine Beweiserhebung, die der Beschwerdeführer beantragt hat, nicht durchgeführt hat; dies ist dann der Fall, wenn das LSG sich aus seiner Sicht hätte gedrängt fühlen müssen, diesen Beweis zu erheben (vgl Bundessozialgericht - BSG - vom 31. Juli 1975 - 5 BJ 28/75). Das ist hier nicht der Fall.
Allerdings kommt es im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten und Beschwerdegegnerin nicht darauf an, daß der Beweisantrag in das Protokoll über die mündliche Verhandlung (§ 122 SGG, 159 - 165 Zivilprozeßordnung - ZPO -) aufgenommen worden ist. Nach der eigenständigen Vorschrift des § 160 Abs 2 Nr 3 letzter Halbsatz SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Daß Beweisanträge nur solche sind, die in dem Protokoll über die mündliche Verhandlung aufgenommen wurden, läßt sich aus dieser Vorschrift nicht entnehmen; für das Gegenteil spricht § 103 Satz 2 SGG, wonach das Gericht an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden ist. Wenn in dieser Vorschrift ganz allgemein von Beweisanträgen gesprochen wird, so fallen darunter, da hier das vorbereitende Verfahren behandelt wird, vor allem solche, die in vorbereitenden Schriftsätzen enthalten sind. Das macht auch § 106 Abs 2 SGG deutlich, wonach der Vorsitzende bereits vor der mündlichen Verhandlung alle Maßnahmen zu treffen hat, die notwendig sind, um den Rechtsstreit möglichst in einer mündlichen Verhandlung zu erledigen. Diese Beschleunigungsmaxime erfordert es geradezu, daß von seiten der Beteiligten schon vorher, das heißt schriftlich, die Tatsachen vorgetragen und die Beweisanträge gestellt werden, die nach ihrer Ansicht erforderlich sind, um den Sachverhalt bereits vor der mündlichen Verhandlung so vollständig wie möglich aufzuklären. Sonach genügt also ein in einem vorbereitenden Schriftsatz gestellter Beweisantrag, wenn nicht aus den näheren Umständen entnommen werden muß, daß er in der letzten mündlichen Verhandlung nicht mehr aufrechterhalten worden ist (vgl BSG in SozR Nr 2 zu § 295 ZPO).
Aus seiner Sicht brauchte sich das LSG jedoch nicht gedrängt zu fühlen, dem obengenannten Beweisantrag des Klägers stattzugeben, denn es hat einen Arbeitsunfall im Sinne des § 548 Reichsversicherungsordnung (RVO) deswegen verneint, weil er durch eine von den Beschädigten hervorgerufene selbst verschuldete Gefahr verursacht worden sei und der betriebliche Anteil an dem Zustandekommen des Unfalles als Unfallursache völlig in den Hintergrund trete. Wenn das angebliche Hexangemisch sogar noch "eine viel leichter brennbare Verdünnung" als Waschbenzin darstellen sollte, erschiene das leichtsinnige Verhalten des K. noch weniger entschuldbar. Im übrigen heißt es schon in der Unfallanzeige vom 9. Februar 1972, die vom Sicherheitsbeauftragten des Werkes mit unterzeichnet ist, daß "Waschbenzin" umgefüllt worden ist (vgl ferner die insoweit eindeutige Aussage des vor dem LSG gehörten Zeugen W. (LSG-Akte Bl 109).
Weiter macht die Klägerin geltend, das LSG habe es verabsäumt, die von ihr angetretenen Beweise über die Zuverlässigkeit der Zeugenaussagen zu erheben. Auch damit kann die Klägerin keinen Verfahrensmangel geltend machen. Ganz abgesehen davon, daß eine solche präzise Rüge der von der Klägerin genannten Seite 4 ihres Schriftsatzes vom 20. Januar 1975 an das LSG nicht zu entnehmen ist, zielt dieses Vorbringen und das anschließende auf eine Überschreitung des Beweiswürdigungsrechts des LSG hin. Dabei handelt es sich aber um die unzulässige Geltendmachung eines Verfahrensmangels nach § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Das gilt auch für die Rüge, das LSG hätte die Aussage des Zeugen S., wonach die Explosion in Verbindung mit einer Zigarettenkippe gestanden habe, zumindest gleich glaubhaft einschätzen müssen.
Aus diesen Gründen konnte der Senat die Revision nicht zulassen.
Fundstellen