Verfahrensgang
SG Düsseldorf (Entscheidung vom 02.08.2019; Aktenzeichen S 49 R 2202/17) |
LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 28.06.2023; Aktenzeichen L 3 R 786/19) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 28. Juni 2023 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Der im Jahr 1959 geborene Kläger erhält vom beklagten Rentenversicherungsträger seit dem 1.7.2022 eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen. Er begehrt aufgrund eines Antrags vom 1.9.2016 bis zum Beginn der Altersrente eine Rente wegen Erwerbsminderung. Das lehnte die Beklagte nach sozialmedizinischer Sachaufklärung ab (Bescheid vom 15.9.2016, Widerspruchsbescheid vom 5.12.2017). Das SG hat nach Beiziehung von Befundberichten der behandelnden Ärzte und Einholung eines orthopädischen sowie eines internistisch-pneumologischen Sachverständigengutachtens die Klage abgewiesen (Urteil vom 2.8.2019). Im Berufungsverfahren hat das LSG ein HNO-fachärztliches Gutachten aus einem unfallversicherungsrechtlichen Rechtsstreit des Klägers sowie ein von der Berufsgenossenschaft veranlasstes neues orthopädisch-unfallchirurgisches Gutachten beigezogen und zudem ein weiteres Gutachten beim S in Auftrag gegeben. Auch dieser Sachverständige gelangte zu dem Ergebnis, dass der Kläger noch in der Lage sei, leichte Tätigkeiten bei Beachtung gewisser qualitativer Einschränkungen regelmäßig arbeitstäglich mindestens sechs Stunden zu verrichten. Daraufhin hat das LSG die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 28.6.2023).
Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG hat der Kläger beim BSG Beschwerde eingelegt. Er rügt Verfahrensmängel und macht zudem eine grundsätzliche Bedeutung geltend.
II
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen. Der Kläger hat weder eine grundsätzliche Bedeutung ausreichend dargelegt noch einen Verfahrensmangel ordnungsgemäß bezeichnet. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
a) Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nicht hinreichend dargelegt.
Eine Rechtssache hat nur dann iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage zu revisiblem Recht (§ 162 SGG) aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Zur ordnungsgemäßen Bezeichnung dieses Revisionszulassungsgrundes (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG) muss der Beschwerdeführer daher eine Rechtsfrage benennen und zudem deren (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 4 mwN; BSG Beschluss vom 22.12.2022 - B 5 R 119/22 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 42 RdNr 5; s auch Meßling in Krasney/Udsching/Groth/Meßling, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 8. Aufl 2022, Kap IX RdNr 283 ff). Daran fehlt es hier.
Der Kläger trägt vor, klärungsbedürftig seien in dem Verfahren folgende Rechtsfragen:
"Kann ein Versicherter allein deswegen auf leichteste Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden, nur weil er als Pflegeperson Pflegeleistungen nach dem SGB XI erbringt? Sind Pflegeleistungen nach dem SGB XI Erwerbstätigkeiten im Sinne von § 43 SGB VI?"
Die Beschwerdebegründung, die zur Frage einer grundsätzlichen Bedeutung aus drei Sätzen besteht, versäumt es jedoch darzustellen, inwiefern die genannten Fragen für die Entscheidung des Rechtsstreits von Bedeutung sein könnten. Soweit der Inhalt des LSG-Urteils wiedergegeben wird (vgl Beschwerdebegründung S 5 f), ist dort nicht erwähnt, das LSG habe bei seiner Entscheidung darauf abgestellt, dass der Kläger seine Mutter pflege. Dass das LSG "allein deswegen" das Vorliegen einer Erwerbsminderung in rentenberechtigendem Ausmaß verneint hätte, ergibt sich auch nicht aus dem am Ende des Abschnitts zur Beweiswürdigung (Urteilsumdruck S 15 f) enthaltenen Satz: "Auch hat der Kläger im gesamten streitgegenständlichen Zeitraum weiterhin seine erheblich pflegebedürftige Mutter gepflegt, was ebenfalls für ein ausreichendes Leistungsvermögen spricht." Diese lediglich ergänzende Bemerkung ("auch", "ebenfalls") zeigt im Übrigen, dass die erste Frage im vorliegenden Rechtsstreit ohne Relevanz ist. Auch dazu verhält sich die Beschwerdebegründung nicht. Schließlich wird auch die Sinnhaftigkeit der zweiten Frage und ihre Bedeutung für den Rechtsstreit aus der für den Kläger vorgelegten Beschwerdebegründung nicht ersichtlich. Zudem fehlt es an jeglichen Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit im Lichte der bereits vorhandenen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 43 SGB VI (vgl zusammenfassend BSG Urteil vom 11.12.2019 - B 13 R 7/18 R - BSGE 129, 274 = SozR - 2600 § 43 Nr 22, RdNr 22 ff).
b) Der Kläger hat auch einen Verfahrensmangel nicht ausreichend bezeichnet.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde damit begründet, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), so müssen zur Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) zunächst die Umstände, aus denen sich der Verfahrensfehler ergeben soll, substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist es erforderlich darzulegen, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
Diesen Erfordernissen wird die Beschwerdebegründung des Klägers nicht gerecht. Er trägt vor, das LSG hätte sich zu weiterer Sachaufklärung gedrängt fühlen und ein psychiatrisches Gutachten einholen müssen. Es bestehe die Möglichkeit, dass ein psychiatrischer Sachverständiger zu dem Ergebnis gekommen wäre, dass er - der Kläger - allein wegen einer seelischen Beeinträchtigung oder aufgrund einer Summierung dann ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen erwerbsgemindert sei. Zudem hätte ein Schmerzgutachten eines Schmerztherapeuten in Auftrag gegeben werden müssen und es hätte der Frage näher nachgegangen werden müssen, warum er - der Kläger - beim Belastungs-EKG am 31.10.2018 statt 125 Watt lediglich 25 Watt geschafft habe. Ebenso hätte geklärt werden müssen, ob er aufgrund seiner früheren Berufstätigkeit als Einschaler überhaupt auf die Stufe von einfachsten Tätigkeiten verwiesen werden könne.
Soweit der Kläger damit den Verfahrensmangel einer unzureichenden Sachaufklärung und eine Verletzung des § 103 Satz 1 SGG rügt, fehlt jeglicher Vortrag, inwiefern der Kläger gegenüber dem LSG entsprechende Beweisanträge gestellt und bis zum Schluss aufrechterhalten hat (zu den näheren Anforderungen an die formgerechte Darlegung einer Sachaufklärungsrüge vgl zB BSG Beschluss vom 26.9.2023 - B 5 R 106/23 B - juris RdNr 5 mwN). Auch ein - wie hier zuletzt - im Berufungsverfahren anwaltlich nicht vertretener Kläger muss nach § 160 Abs 2 Nr 3 Teilsatz 2 SGG darlegen, inwiefern er dem Berufungsgericht verdeutlicht hat, dass und weshalb er die Sachaufklärungspflicht noch nicht als erfüllt ansehe (vgl BSG Beschluss vom 27.7.2016 - B 1 KR 38/16 B - juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 8.2.2017 - B 5 R 338/16 B - juris RdNr 8 mwN; s auch Meßling in Krasney/Udsching/Groth/Meßling, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 8. Aufl 2022, Kap IX RdNr 322). Dass dies geschehen ist, lässt sich der Beschwerdebegründung nicht entnehmen.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 183 Satz 1 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI16155044 |