Verfahrensgang
LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 16.06.2016; Aktenzeichen L 15 AS 372/13) |
SG Bremen (Aktenzeichen S 16 AS 1700/11) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 16. Juni 2016 wird als unzulässig verworfen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im bezeichneten Urteil des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 Satz 2 SGG).
Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision ua zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Beide hier allein geltend gemachten Zulassungsgründe hat die Klägerin in der Begründung der Beschwerde nicht schlüssig dargelegt oder bezeichnet (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) erfordert die Formulierung einer bestimmten abstrakten Rechtsfrage, der in dem Rechtsstreit eine grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung beigemessen wird (vgl BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11). Die abstrakte Rechtsfrage ist klar zu formulieren, um an ihr die weiteren Voraussetzungen für die Revisionszulassung prüfen zu können (Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, IX. Kap, RdNr 181). Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn zu erwarten ist, dass die Revisionsentscheidung die Rechtseinheit in ihrem Bestand erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird. Daher ist aufzuzeigen, ob und inwieweit zu der aufgeworfenen Frage bereits Rechtsgrundsätze herausgearbeitet sind und in welchem Rahmen noch eine weitere Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung derselben durch das Revisionsgericht zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits erforderlich erscheint (vgl Krasney/Udsching, aaO, IX. Kap, RdNr 65 f). Es ist aufzuzeigen, dass die Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und die Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16). Hierfür ist eine substantielle Auseinandersetzung mit den einschlägigen oberstgerichtlichen Entscheidungen ebenso erforderlich wie die Darlegung, dass sich aus diesen keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage ergeben (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8).
Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Als grundsätzlich klärungsbedürftig erachtet sie zum einen die Frage, "ob eine Nachzahlungsmitteilung, wie die des Beklagten vom 02.10.13, 'aufgrund des Urteils des Sozialgerichts', mit dem ausschließlich über die für die Beteiligten allein streitige Frage, hier die Existenz einer Bedarfsgemeinschaft, für einen bestimmten begrenzten Zeitraum entschieden hat, wie vorliegend für die Zeit vom 01.02. - 30.11.11, im Hinblick auf eine ganz andere, zwischen den Beteiligten eigentlich (bis zum Berufungsurteil) nicht streitigen Frage, hier die Anrechnung/Berücksichtigung von Vermögen aus dem Rückkaufwert der Lebensversicherung der Klägerin im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung; wirklich, wie das Landessozialgericht auf S. 7, Ziff. 1 der Urteilsbegründung unter Bezugnahme auf die Entscheidung des 11. Senats vom 21.02.59 - 11 RV 724/58 argumentiert, als 'allenfalls Ausführungsbescheid' bedeutungslos ist und mit Aufhebung des Urteils, auf dem er beruht, ohne weiteres komplett hinfällig wird".
Diese Frage ist weder klar noch abstrakt formuliert. Vielmehr stellt die Frage ganz auf den vom LSG entschiedenen Einzelfall ab. Im Übrigen wird ihre Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit mehr behauptet denn begründet.
Als grundsätzlich klärungsbedürftig erachtet die Beschwerdebegründung zum anderen die Frage, "ob bei einer nachträglichen Bedürftigkeitsprüfung nach Maßgabe der §§ 7, 9, 12 SGB II für bestimmte zurückliegende Zeiträume auch Vermögen eines Antragstellers/einer Antragstellerin berücksichtigt werden darf, das zu einem späteren Zeitpunkt für einen späteren Bewilligungszeitraum vom gleichen SGB II-Leistungsträger, der für diesen ersten bestimmten Zeitraum zuständig war, tatsächlich - mit welchem Ergebnis auch immer - berücksichtigt wurde und die entsprechenden Bescheide für die Zeiträume, für die das Vermögen berücksichtigt wurde, bestandskräftig, unanfechtbar und (nach Maßgabe des § 45 Abs 4 SGB X) auch für den SGB II-Leistungsträger nicht mehr korrigierbar sind".
Zu dieser Frage fehlt, ungeachtet der Maßstäbe der Klarheit und Abstraktheit, in der Beschwerdebegründung jede Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des BSG zur Prüfung der Hilfebedürftigkeit in gerichtlichen Verfahren, in denen um Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Vergangenheit gestritten wird. Zur Klärungsbedürftigkeit der Frage hätte es indes Darlegungen dazu bedurft, dass und warum sich aus der Vielzahl einschlägiger Entscheidungen (vgl nur beispielhaft BSG Urteil vom 11.12.2012 - B 4 AS 29/12 R - Juris RdNr 12 f, 31; BSG Urteil vom 28.10.2014 - B 14 AS 36/13 R - BSGE 117, 179 = SozR 4-4200 § 37 Nr 7 RdNr 10-14, 36-39) keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Beantwortung der aufgeworfenen Frage ergeben.
Als grundsätzlich klärungsbedürftig erachtet die Beschwerdebegründung schließlich die Fragen, "ob die Berücksichtigung auch eines solchen Vermögens aus dem Rückkaufswert einer Lebensversicherung nicht auch davon abhängen muss, ob dieses Vermögen 'als bereites' Mittel während des fraglichen und zeitlich begrenzten Bewilligungszeitraums wirklich zur Verfügung steht und zur Bestreitung des Lebensunterhalts wirklich verwendet werden kann", und hieran anschließend, "ob ein Antragsteller verpflichtet ist, ein zumindest temporär und ohne Weiteres (Vertragsänderung, Beleihung, Kündigung) nicht verfügbares Vermögen, wie eine Kapitallebensversicherung, von sich aus, also ohne entsprechende Aufforderung oder wenigstens entsprechende Hinweise des Leistungsträgers entweder im Rahmen der die Leistung ablehnenden Entscheidung oder durch entsprechend eindeutige Hinweise durch den Leistungsträger vor Bekanntgabe eines Ablehnungsbescheides hierzu veranlasst worden zu sein, das entsprechend gebundene Vermögen eigeninitiativ vor der Antragstellung oder innerhalb des Bewilligungszeitraums, für den die Leistungen beantragt wurden, eben durch eine Vertragsänderung, Beleihung oder Kündigung verfügbar zu machen".
Auch zu diesen Fragen fehlt, ungeachtet der Maßstäbe der Klarheit und Abstraktheit, in der Beschwerdebegründung jede Auseinandersetzung mit der einschlägigen Rechtsprechung des BSG, hier zum Vermögen als bereites Mittel (vgl nur BSG Urteil vom 30.8.2010 - B 4 AS 70/09 R - Juris RdNr 15 f; BSG Urteil vom 20.2.2014 - B 14 AS 10/13 R - BSGE 115, 148 = SozR 4-4200 § 12 Nr 23, RdNr 32) und zur Verpflichtung zu Verwertungsbemühungen (vgl nur BSG Urteil vom 18.9.2014 - B 14 AS 58/13 R - SozR 4-4200 § 12 Nr 24 RdNr 15). Zur Klärungsbedürftigkeit der Fragen hätte es indes Darlegungen dazu bedurft, dass und warum sich aus den bereits vorliegenden Entscheidungen keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Beantwortung der aufgeworfenen Fragen ergeben.
Auch ein Verfahrensmangel ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen, auf dem iS des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG die angefochtene Entscheidung des LSG beruhen kann. Soweit die Klägerin eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör rügt, ergibt sich aus ihrer Beschwerdebegründung, dass die Berichterstatterin des LSG-Senats in einem Erörterungstermin am 27.11.2015 erstmals in die "Problematik" mangelnder Hilfebedürftigkeit wegen Vermögens in Gestalt einer Versicherung eingeführt habe. Dass und warum trotz dieses rechtlichen Hinweises mit zeitlichem Abstand vor der Entscheidung des LSG über die Berufung durch das angefochtene Urteil vom 16.6.2016 das Recht der im Berufungsverfahren anwaltlich vertretenen Klägerin, sich im Verfahren äußern zu können und gehört zu werden, verletzt sein könnte, lässt die Beschwerdebegründung nicht genügend erkennen. Entgegen der in ihr angedeuteten Auffassung kann durch einen richterlichen Hinweis eines Berichterstatters nicht die künftige Senatsentscheidung rechtsverbindlich vorweggenommen werden.
Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI10448854 |