Entscheidungsstichwort (Thema)

Bitte als Verwaltungsakt. Abweichung vom BSG-Urteil durch LSG

 

Orientierungssatz

1. Zur Frage, ob "die in Form einer Bitte gekleidete Aufforderung, einen Geldbetrag zu überweisen, ein Verwaltungsakt" ist.

2. Zur Bezeichnung der Abweichung des Urteils eines LSG von einer Entscheidung des BSG sind Ausführungen erforderlich, mit welchem sein Urteil tragenden Rechtssatz das LSG von welchem die Entscheidung des BSG tragenden Rechtssatz in welcher Hinsicht abgewichen ist. Der Vortrag, das BSG habe über einen Sachverhalt geurteilt, der dem der Beschwerde zugrunde liegenden sehr ähnlich sei, reicht hierfür nicht aus.

 

Normenkette

SGG § 160 Abs 2 Nr 1, § 160a Abs 2 S 3

 

Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Urteil vom 21.06.1989; Aktenzeichen L 13 An 57/87)

 

Gründe

Nach § 160 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) darf das Bundessozialgericht (BSG) die Revision gegen das Urteil eines Landessozialgerichts (LSG) ua nur zulassen, wenn - die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - das Urteil von einer Entscheidung des BSG oder des Gemeinsamen

Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht und auf dieser Abweichung beruht.

Die - behauptete - Unrichtigkeit des Urteils des LSG ist hingegen kein Revisionszulassungsgrund. Gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 SGG muß in der Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des LSG abweicht, bezeichnet werden. Genügt die Beschwerdebegründung diesen Anforderungen nicht, ist die Beschwerde in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen.

Die Beklagte hat die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht "dargelegt". Die Beklagte hält die Frage für rechtsgrundsätzlich, ob "die in Form einer Bitte gekleidete Aufforderung, einen Geldbetrag zu überweisen, ein Verwaltungsakt" ist. Es kann dahingestellt bleiben, ob sie damit eine Rechtsfrage hinreichend klar bezeichnet hat (vgl dazu BSG SozR 1500 § 160a Nr 11). Dies ist zweifelhaft, weil die von der Beklagten aufgeworfene Frage nicht auf die Klärung des Rechtsbegriffs "Verwaltungsakt" gerichtet ist, sondern darauf abzielt, ob bestimmte Formen behördlicher Äußerungen unter diesen Rechtsbegriff zu subsumieren sind. Hierauf ist nicht näher einzugehen, weil die Beklagte darüber hinaus ua die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage hätte darstellen müssen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 59; § 160 Nr 17). In der Rechtsprechung des BSG ist jedoch geklärt, daß die Frage, ob ein Verwaltungsakt vorliegt danach zu beantworten ist, ob der äußeren Erscheinungsform nach eine hoheitliche Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts getroffen wurde, ob also das Verwaltungshandeln seinem Inhalt nach die Merkmale des § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) erfüllt und erkennbar den Willen der Behörde ausdrückt, auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts einen Einzelfall verbindlich zu regeln (ua BSGE 60, 87, 89 mwN = SozR 1200 § 53 Nr 6). Hierzu trägt die Beschwerdeführerin selbst zutreffend vor, das BSG habe bereits entschieden, daß die allgemeinen, für Willenserklärungen geltenden Auslegungsregeln (§ 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB) zu beachten sind (BSG SozR 2200 § 1409 Nr 2) und maßgebend ist, wie der verständige Adressat die behördliche Erklärung nach den Umständen des Einzelfalles verstehen mußte (Urteil des erkennenden Senats vom 31. Mai 1989 - 4 RA 19/88 - mwN, zur Veröffentlichung vorgesehen). Das BSG hat somit bereits die Kriterien geklärt, nach denen im Einzelfall zu beurteilen ist, ob eine behördliche Erklärung ein Verwaltungsakt ist. Der Vortrag der Beklagten, eine "urteilstragende Darstellung des BSG zu dem aufgezeigten Problemkreis sei wünschenswert", reicht nicht aus aufzuzeigen, welche Begriffsmerkmale oder Auslegungskriterien des Verwaltungsakts noch höchstrichterlicher Klärung bedürfen.

Die Beklagte hat die von ihr gleichfalls geltend gemachte Abweichung des Urteils des LSG von dem Urteil des 5. Senats des BSG vom 28. Januar 1982 (5a/5 RKn 18/80) nicht hinreichend "bezeichnet" (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Es wäre darzulegen gewesen, welche Rechtsfrage das LSG anders als das BSG entschieden hat (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 21). Erforderlich sind Ausführungen, mit welchem sein Urteil tragenden Rechtssatz das LSG von welchem die Entscheidung des BSG tragenden Rechtssatz in welcher Hinsicht abgewichen ist. Die Beschwerdebegründung enthält keine derartige Gegenüberstellung von Rechtssätzen, aus denen eine Abweichung des LSG von der höchstrichterlichen Rechtsprechung erkennbar wäre. Der Vortrag, das BSG habe über einen Sachverhalt geurteilt, der dem dieser Beschwerde zugrunde liegenden sehr ähnlich sei, reicht hierfür nicht aus. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 160a Abs 4 Satz 3 Halbsatz 2 SGG ab.

Die Kostenentscheidung folgt aus entsprechender Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1666451

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