Verfahrensgang
SG Stade (Entscheidung vom 13.06.2017; Aktenzeichen S 39 AS 7/17 WA) |
LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 31.05.2021; Aktenzeichen L 11 AS 502/17) |
Tenor
Die Verfahren B 4 AS 238/21 B, B 4 AS 266/21 B, B 4 AS 267/21 B und B 4 AS 271/21 B werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden; führend ist das Verfahren B 4 AS 238/21 B.
Die Beschwerden der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in den Urteilen des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 31. Mai 2021 werden als unzulässig verworfen.
Die Anträge der Kläger, ihnen zur Durchführung der Verfahren der Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Revision in den bezeichneten Urteilen Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwältin S, C, beizuordnen, werden abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten der Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.
Gründe
1. Die gemäß § 113 Abs 1 SGG zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Nichtzulassungsbeschwerden sind unzulässig, weil ein Zulassungsgrund (§ 160 Abs 2 SGG) nicht in der erforderlichen Weise dargelegt bzw bezeichnet worden ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Die Beschwerden sind daher ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 SGG).
a) Grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass eine konkrete Rechtsfrage klar formuliert wird. Weiter muss ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit im jeweiligen Rechtsstreit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) aufgezeigt werden (stRspr; vgl etwa BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).
Diese Voraussetzungen liegen hier schon deswegen nicht vor, weil die Kläger keine konkrete Rechtsfrage benannt haben. Für auslegungsbedürftig halten sie den Begriff des "nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten" in § 7 Abs 3 Nr 3 lit a) SGB II "in Bezug auf die Wahl eines besonderen Ehemodells". Abgesehen von dieser ersichtlich auf die Umstände des Einzelfalls bezogenen und nicht abstrakt verallgemeinerungsfähigen Spezifizierung zeigt die Beschwerdebegründung keinen (weiteren) Klärungsbedarf auf. Sie geht selbst davon aus, dass in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bereits geklärt ist, dass die bloße Erklärung des Getrenntlebens ohne weitere objektive Anhaltspunkte nicht genügt, sondern der Trennungswille unmissverständlich zum Ausdruck gekommen sein muss. Wenn nun die Frage aufgeworfen wird, wann die objektiven Anhaltspunkte ausreichen, um von einem subjektiven Trennungswillen auszugehen, handelt es sich dabei nicht um eine Rechtsfrage, sondern um eine Tatfrage. Im Kern rügen die Kläger die Beweiswürdigung des LSG, das sich im vorliegenden Fall nicht vom Vorliegen des Trennungswillens überzeugen konnte. Dies ist indes nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ausdrücklich ausgeschlossen. Diese Regelung darf auch nicht durch Geltendmachung grundsätzlicher Bedeutung umgangen werden (stRspr; siehe nur BSG vom 22.9.2020 - B 13 R 45/20 B - juris RdNr 11 mwN).
Soweit darüber hinaus die Frage aufgeworfen wird, auf wessen Trennungswillen es in diesem Zusammenhang ankommt, setzt sich die Beschwerdebegründung schon nicht mit dem Wortlaut des § 1567 Abs 1 Satz 1 BGB auseinander, wonach Ehegatten getrennt leben, wenn zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft besteht und ein Ehegatte sie erkennbar nicht herstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt. Auch die zivilgerichtliche Rechtsprechung hierzu bleibt unberücksichtigt (siehe nur BGH vom 27.4.2016 - XII ZB 485/14 - NJW 2016, 2122 f). Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde ist im Übrigen nicht, ob das Berufungsgericht im konkreten Einzelfall richtig entschieden hat (vgl nur BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70).
b) Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 (Anhörung eines bestimmten Arztes) und 128 Abs 1 Satz 1 SGG (freie richterliche Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Wer eine Nichtzulassungsbeschwerde auf diesen Zulassungsgrund stützt, muss zu seiner Bezeichnung (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) die diesen Verfahrensmangel des LSG (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dartun, also die Umstände schlüssig darlegen, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (stRspr; siehe bereits BSG vom 29.9.1975 - 8 BU 64/75 - SozR 1500 § 160a Nr 14; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160a RdNr 16 mwN). Darüber hinaus ist aufzuzeigen, dass und warum die Entscheidung - ausgehend von der Rechtsansicht des LSG - auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit der Beeinflussung des Urteils besteht (stRspr; vgl bereits BSG vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - SozR 1500 § 160a Nr 36).
Die Kläger bezeichnen indes auch einen Verfahrensfehler nicht hinreichend. Sie rügen, das LSG habe sie nicht zur Aufklärung des Sachverhalts persönlich angehört, und leiten daraus eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör ab. Was den damit behaupteten Verstoß gegen § 103 SGG angeht, machen die - schon in der zweiten Instanz anwaltlich vertretenen - Kläger nicht geltend, einen entsprechenden Beweisantrag gestellt und in der mündlichen Verhandlung aufrechterhalten zu haben. Bezüglich der Gehörsrüge legen sie nicht dar, was sie getan haben, um sich in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG Gehör zu verschaffen (vgl dazu etwa BVerfG vom 18.8.2010 - 1 BvR 3268/07; BSG vom 26.7.2016 - B 4 AS 47/15 R - BSGE 122, 25 = SozR 4-1500 § 114 Nr 2, RdNr 36-37; BSG vom 30.8.2018 - B 2 U 230/17 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 38).
2. Weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO), ist den Klägern auch keine PKH zu bewilligen. Damit entfällt zugleich die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG.
Meßling Burkiczak B. Schmidt
Fundstellen
Dokument-Index HI15129266 |