Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde. grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache. Klärungsbedürftigkeit. Elterngeldberechtigung. inländischer Wohnsitz. Auslandsaufenthalt eines Stipendiaten und seiner als Richterin tätigen Ehefrau. Gleichbehandlungsgrundsatz. Auseinandersetzung mit vorhandener BSG-Rechtsprechung. Darlegungsanforderungen
Orientierungssatz
1. Im Hinblick auf die Klärungsbedürftigkeit muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG zu dem geltend gemachten Problemkreis (hier: Elterngeldberechtigung bei befristetem Auslandsaufenthalt und Voraussetzung eines inländischen Wohnsitzes) substantiiert vorgetragen werden, dass das BSG zu diesem Fragenbereich noch keine Entscheidung gefällt oder durch die schon vorliegenden Urteile die hierbei maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet hat.
2. Auch wer sich auf die Verfassungswidrigkeit einer Regelung beruft, darf sich nicht auf die Benennung angeblich verletzter Rechtsgrundsätze beschränken, sondern muss unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG darlegen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (vgl BSG vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 = BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11).
3. Die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss wurde nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG 1. Senat 2. Kammer vom 30.11.2017 - 1 BvR 1145/17).
Normenkette
SGG § 160a Abs. 2 S. 3, § 160 Abs. 2 Nr. 1; BEEG § 1 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1, S. 2; SGB 1 § 30 Abs. 3 S. 1; GG Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 26. Oktober 2016 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I. Mit Urteil vom 26.10.2016 hat das Bayerische LSG einen Anspruch der Klägerin auf Elterngeld nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) für ihren am 24.11.2013 in den USA geborenen Sohn verneint, weil diese im maßgeblichen Zeitraum vom 24.11.2013 bis 23.11.2014 keinen inländischen Wohnsitz iS von § 1 Abs 1 Nr 1 BEEG iVm § 30 Abs 3 S 1 SGB I gehabt habe. Sie habe sich seit Anfang September 2013 in den USA aufgehalten, weil ihr Ehemann für die geplante Dauer von zunächst eineinhalb Jahren im Rahmen eines durch die A. geförderten Auslandsaufenthaltes in N. tätig sein sollte. Die Klägerin habe sich mit ihrer gesamten Familie von Anfang September 2013 bis August 2015 in den USA aufgehalten, sodass sich der Lebensmittelpunkt während des streitgegenständlichen Zeitraums in den USA befunden habe. Die Familie habe zwar ursprünglich eine Wohnung in Deutschland zur Verfügung gehabt, die vollständig eingerichtet gewesen sei. Diese Wohnung sei jedoch für die Zeit des Auslandsaufenthaltes an eine befreundete Familie untervermietet gewesen, sodass sie bei Deutschlandaufenthalten von der Familie der Klägerin nicht habe genutzt werden können. Eine jederzeitige Rückkehr in die Wohnung sei daher nicht möglich gewesen. Auch habe keiner der Ausnahmetatbestände des § 1 Abs 2 BEEG vorgelegen, der Ehemann der Klägerin habe insbesondere nicht nach § 4 SGB IV dem deutschen Sozialversicherungsrecht (§ 1 Abs 2 S 1 Nr 1, S 2 BEEG) unterlegen. Schließlich scheide eine entsprechende Anwendung des § 1 Abs 2 S 1 Nr 1 BEEG auf den vorliegenden Fall aus, weil nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes Voraussetzung sei, das § 4 SGB IV erfüllt werde.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin beim BSG Beschwerde eingelegt, die sie mit dem Bestehen einer grundsätzlichen Bedeutung begründet.
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen (§ 160a Abs 2 S 3 SGG). Keiner der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe ist ordnungsgemäß dargetan worden.
Grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung erforderlich ist, und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17; BSG SozR 1500 § 160a Nr 7, 13, 31, 59, 65). Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen: (1.) eine bestimmte Rechtsfrage, (2.) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3.) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit sowie (4.) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung. Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Beschwerdebegründung nicht.
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Die Klägerin misst folgenden Rechtsfragen grundsätzliche Bedeutung bei: |
"1. |
Müssen deutsche Beamte, die ein inländisches aktives Dienstverhältnis haben, den nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 BEEG begünstigten Personengruppen gemäß Art. 3 Abs. 1 GG gleichgestellt werden, sodass sie auch ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland (während der Elternzeit/im Bezugszeitraum) Anspruch auf Elterngeld haben? |
2. |
Müssen deutsche Stipendiaten, die von einer deutschen Stiftung mit deutschen Geldern im Interesse Deutschlands zeitlich befristet ins Ausland geschickt werden, den nach Par. 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 BEEG begünstigten Personengruppen gemäß Art. 3 Abs. 1 GG gleichgestellt werden, sodass sie und ihre Ehepartner auch ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland Anspruch auf Elterngeld haben? |
3. |
Muss der gewöhnliche Aufenthalt in Deutschland während eines von vornherein befristeten Auslandsaufenthalts von weniger als zwei Jahren weiterhin bejaht werden, weil der Auslandsaufenthalt seinerseits nur ein vorübergehender ist?" |
Ungeachtet des Umstandes, ob die Klägerin mit den von ihr bezeichneten Fragen hinreichend konkrete Rechtsfragen gestellt hat, zeigt sie bereits deren Klärungsbedarf nicht auf. Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Als höchstrichterlich geklärt, ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht bzw das BVerfG diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage ergeben (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17). Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG zu dem Problemkreis substantiiert vorgetragen werden, dass das BSG zu diesem Fragenbereich noch keine Entscheidung gefällt oder durch die schon vorliegenden Urteile die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet hat. Auch wer sich auf die Verfassungswidrigkeit einer Regelung beruft, darf sich nicht auf die Benennung angeblich verletzter Rechtsgrundsätze beschränken, sondern muss unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG darlegen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (vgl zB BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; BSG Beschlüsse vom 4.4.2006 - B 12 RA 16/05 B - Juris und vom 16.2.2009 - B 1 KR 87/08 B - Juris). Hierzu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfach gesetzlichen Normen, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verletzung der konkreten Regelung des GG dargelegt werden. Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung insgesamt nicht. Die Beschwerdebegründung geht weder auf die vom LSG in der angefochtenen Entscheidung dargestellte Rechtsprechung zum Begriff des Wohnsitzes in § 1 Abs 1 Nr 1 BEEG in der seinerzeit geltenden Fassung sowie nach § 30 Abs 3 S 1 SGB I ein noch setzt sie sich damit auseinander. Gleiches gilt hinsichtlich der Verneinung der Ausnahmetatbestände nach § 1 Abs 2 BEEG durch das LSG. Das trotz dieser vorhandenen höchstrichterlichen Rechtsprechung noch oder wieder Klärungsbedarf bestehe, hat die Klägerin nicht vorgetragen. Um darzulegen, dass einer bereits geklärten Rechtfrage gleichwohl noch grundsätzliche Bedeutung zukomme, hat ein Beschwerdeführer auch aufzuzeigen, in welchem Umfang, von welcher Seite und mit welcher Begründung der Rechtsprechung widersprochen werde bzw die Beantwortung der Rechtsfrage umstritten sei (BSG SozR 1500 § 160 Nr 51). Dasselbe gilt für die Behauptung, dass neue erhebliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen seien, die zu einer über die bisherige Erörterung hinausgehenden Betrachtung der grundsätzlich bereits entschiedenen Rechtsfrage führen könnten und die Möglichkeit einer anderweitigen Entscheidung nicht offensichtlich ausschlössen (vgl hierzu BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht, sie setzt sich in keiner Weise mit der Rechtsprechung des BSG oder des BVerfG auseinander. Tatsächlich kritisiert die Klägerin die Rechtsanwendung durch das LSG im Einzelfall, die aber nicht zulässigerweise zum Gegenstand einer Nichtzulassungsbeschwerde gemacht werden kann (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).
Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
Die Verwerfung der nicht formgerecht begründeten Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI10700249 |