Entscheidungsstichwort (Thema)
Beweiswürdigung
Orientierungssatz
Gemäß § 128 Abs 1 S 1 SGG entscheidet das Tatsachengericht aufgrund seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung, ohne festen Beweisregeln unterworfen zu sein; insbesondere ist keine Rangfolge im Sinne einer unterschiedlichen Beweiskraft der vorhandenen Beweismittel zu beachten.
Normenkette
SGG § 128 Abs 1 S 1, § 160 Abs 2 Nr 1, § 160a Abs 2 S 3
Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 24.11.1988; Aktenzeichen L 10 U 121/87) |
Gründe
Der Kläger ist mit seinem Begehren, ihn wegen der Folgen der Arbeitsunfälle vom 11. Oktober 1973 und vom 22.April 1974 zu entschädigen, ohne Erfolg geblieben (Bescheide der Beklagten vom 3. Februar 1986 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 30. Juni 1986; Urteile des Sozialgerichts -SG- vom 9. Februar 1987 und des Landessozialgerichts -LSG- vom 24. November 1988). Das LSG ist zu der Überzeugung gelangt, die Arbeitsunfälle hätten nach Ablauf von jeweils 13 Wochen nach ihrem Eintritt keine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) meßbaren Grades zur Folge gehabt. Dies stehe fest aufgrund des im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten Aktenlagegutachtens von Dr. U. , der im Berufungsverfahren eine weitere gutachterliche Stellungnahme zum Gutachten des Dr. T. abgegeben habe. Demgegenüber könnten die Ausführungen des nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) gehörten Sachverständigen Dr. T. nicht überzeugen, weil dessen - für den Kläger günstige - Beurteilung auf unbewiesenen Annahmen beruhten.
Mit seiner hiergegen gerichteten Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung; auch liege ein Verfahrensmangel vor, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne. Grundsätzlich bedeutsam sei die Frage, ob ein lediglich auf Aktenlage basierendes Gutachten einem auf aktueller Untersuchung beruhenden Gutachten vorgezogen werden dürfe. Ferner sei es von grundsätzlicher Bedeutung, ob einer Diagnose der Vorrang eingeräumt werden dürfe, die auf einer nach heutigen Maßstäben überholten Untersuchungsmethode beruhe, und inwieweit die Gerichte verpflichtet seien, hinsichtlich dieser neuesten Erkenntnisse Ermittlungen anzustellen. Die Nichtberücksichtigung insoweit bestehender medizinischer Erkenntnisse stelle darüber hinaus einen Verfahrensmangel dar. Das LSG hätte weitere Sachverständigengutachten von Amts wegen einholen müssen.
Die Beschwerde ist unzulässig. Sie entspricht nicht den in § 160 Abs 2 und § 160a Abs 2 Satz 3 SGG festgelegten Erfordernissen.
Nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn die Sache grundsätzliche Bedeutung hat. In der Beschwerdebegründung muß nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt werden. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn zu erwarten ist, daß die Revisionsentscheidung die Rechtseinheit in ihrem Bestand erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird (vgl Weyreuther, Revisionszulassung und Nichtzulassungsbeschwerde in der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte, RdNr 84 mwN). Es muß eine klärungsbedürftige Rechtsfrage aufgeworfen sein, welche bisher revisionsgerichtlich noch nicht - ausreichend - geklärt ist (s ua BSG SozR 1500 § 160 Nr 17; BSG Beschluß vom 9. Dezember 1988 - 2 BU 97/88 -). Demgemäß muß der Beschwerdeführer, welcher die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darzulegen hat, aufzeigen, ob und inwieweit zu der aufgeworfenen Frage bereits Rechtsgrundsätze herausgearbeitet sind, und in welchem Rahmen noch eine weitere Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung derselben durch das Revisionsgericht erforderlich erscheint. Hierzu enthält die Beschwerdebegründung keine Ausführungen. Sie kritisiert im wesentlichen die vom LSG vorgenommene Beweiswürdigung und möchte geklärt wissen, ob das LSG die Gutachten der Dres. U. und T. in der vorgenommenen Weise hätte würdigen dürfen. Die als grundsätzlich bedeutsam bezeichneten Fragen beziehen sich sämtlich auf den Wert und den Rang von Beweismitteln, ohne daß sich der Beschwerdeführer mit der zu § 128 Abs 1 Satz 1 SGG ergangenen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auseinandersetzt. Danach entscheidet das Tatsachengericht aufgrund seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung, ohne festen Beweisregeln unterworfen zu sein; insbesondere ist keine Rangfolge im Sinne einer unterschiedlichen Beweiskraft der vorhandenen Beweismittel zu beachten (vgl BSG SozR 1500 § 128 Nr 31; zuletzt Urteil vom 6. April 1989 - 2 RU 55/88 - mwN). Inwieweit diese Rechtsprechung einer Änderung oder einer weiteren Ausgestaltung bedarf, legt die Beschwerde nicht dar.
Auf eine Verletzung des § 103 SGG (Verletzung der Amtsermittlungspflicht) darf die Beschwerde nur gestützt werden, wenn sich der Verfahrensmangel auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht; es fehlt schon an der Bezeichnung eines entsprechenden Beweisantrages.
Die Beschwerde war daher als unzulässig zu verwerfen (§ 169 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen