Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 2. Februar 2017 wird als unzulässig verworfen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen, weil die zu ihrer Begründung angeführten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) sowie der Abweichung (Divergenz, § 160 Abs 2 Nr 2 SGG) nicht in der gebotenen Weise schlüssig dargelegt oder bezeichnet sind (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG); das gilt auch für sinngemäß gerügte Verfahrensmängel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Der Senat konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 SGG entscheiden.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist (vgl BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; BSG SozR 1500 § 160a Nr 13). Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache erfordert die Formulierung einer bestimmten abstrakten Rechtsfrage, der in dem Rechtsstreit eine grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung beigemessen wird (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60) sowie die Darlegung, dass die Revisionsentscheidung die Rechtseinheit in ihrem Bestand erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird. Daher ist herauszuarbeiten, ob und inwieweit zu der aufgeworfenen Frage bereits Rechtsgrundsätze bestehen und in welchem Rahmen noch eine weitere Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung derselben durch das Revisionsgericht zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits erforderlich erscheint (vgl Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, IX. Kap, RdNr 65 f). Weiterhin ist aufzuzeigen, dass die Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und die Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16). Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Die Klägerin hat folgende Rechtsfrage formuliert:
"Ob §§ 22 Abs. 1 Satz 1, 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II im Lichte der Verfassung, insbesondere der Art. 1 Abs. 1 und Abs. 3, Art. 3 Abs. 1, 19 Abs. 4, 20 Abs. 1 GG verfassungskonform unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und des Bundesverfassungsgerichts so auszulegen sind, dass das sozialrechtliche Existenzminimum nicht unterschritten werden darf, wenn:
- bei der Abwägung der Güter der fachlich hochqualifizierten im großen Ballungsgebiet wohnenden Klägerin - bei der dadurch jedenfalls eine Prognose der lebenslangen Arbeitslosigkeit verneint werden kann - und des Beklagten eine Mehrbelastung der öffentlichen Hand vermieden werden kann,
- dadurch die öffentlichen Ressourcen nach den Vorgaben der Haushaltsordnungen zur schonenden Mittelverwendung im Ergebnis nicht unnötig geschmälert, sondern im Gegenteil geschont werden,
- jedoch dadurch ausschließlich das Schonvermögen des SGB II-Beziehers gemäß § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II im Gleichklang mit einfachgesetzlichen Regelungen des Wohngeldrechts als - bei Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - in SGB II integrierten lex-specialis-Regelungen nach § 68 Nr. 10 SGB I (Einheitlichkeit der Rechtsordnung) gebildet wird,
- die selbstgenutzte mit angemessener Größe Wohnung vor dem Beginn des Leistungsbezugs erworben worden ist und
- die Gesamtrate (Zins- und Tilgungsanteil) auf Grund der Herabsetzung auf die im Bankvertrag vereinbarte Mindesthöhe unterhalb oder innerhalb der angemessenen örtlichen KdU-Leistung (Vergleichsmaßstab: angemessene Kaltmiete netto) für Mieter liegt?"
Der Frage fehlt es bereits an der nötigen Abstraktheit, denn unter den aufgeführten Spiegelstrichen wird sie auf den vorliegenden Einzelfall zugeschnitten, indem konkrete Tatsachen des Einzelfalls ("fachlich hochqualifiziert") mit Prognosen (Vermeidung einer Mehrbelastung der öffentlichen Hand bei Anwendung der von der Klägerin vertretenen Rechtsauffassung) sowie rechtliche Bewertungen (Gesamtrate bestehend aus Zins- und Tilgungsanteil liege unterhalb oder innerhalb der angemessenen Bedarfe für Unterkunft) zugrunde gelegt werden, ohne dass ein Bezug zu dem abstrakten Eingangsteil der Frage hergestellt wird. Dem entspricht, dass in der Beschwerdebegründung ausgeführt wird, eine Rechtssicherheit lasse sich nur sicherstellen, sofern eine "weitere höchstrichterliche Entscheidung" für eine hier maßgebliche Rechtsfrage getroffen und dadurch eine "weitere Feindifferenzierung" als Unterscheidungskriterium für die fachgerichtliche Rechtsprechung vorgenommen werde.
Es fehlt aber diesbezüglich eine ausreichende Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des BSG zur Berücksichtigung von Tilgungsleistungen für selbst genutzte Eigentumswohnungen oder Häuser bei der Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft gemäß § 22 Abs 1 SGB II. Zwar hat die Klägerin im Verlauf ihrer Beschwerdebegründung im Rahmen der ebenfalls gerügten Divergenz (siehe dazu unten) zum Teil Entscheidungen des BSG mit einzelnen Aussagen herausgegriffen (in Reihenfolge der Nennung: BSG vom 3.12.2015 - B 4 AS 49/14 R -; BSG vom 4.6.2014 - B 14 AS 42/13 R - sowie BSG vom 18.6.2008 - B 14/11b AS 67/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 13), sie hat aber nicht die Entwicklung in der Rechtsprechung herausgearbeitet und - damit verbunden - die Darlegung, welche Einzelfragen bereits beantwortet sind oder sich anhand der schon aufgestellten Maßstäbe beantworten lassen (siehe dazu insbesondere BSG vom 7.7.2011 - B 14 AS 79/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 48 mit ausdrücklicher Abgrenzung zu B 14/11b AS 67/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 13). Die Klärungsbedürftigkeit einer Frage kann nicht dadurch dargelegt werden, dass einzelne "passende" Ausschnitte aus bestimmten Urteilen zitiert werden, während andere, weiterführende Entscheidungen unberücksichtigt bleiben. Zum verfassungsrechtlichen Teil der Frage fehlen darüber hinaus jegliche Ausführungen.
Der weiterhin geltend gemachte Zulassungsgrund einer Abweichung (Divergenz, § 160 Abs 2 Nr 2 SGG) ist ebenfalls nicht ausreichend dargetan. Es ist darzulegen, mit welcher genau bezeichneten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage die angefochtene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage des BVerfG oder des BSG abweicht. Eine Abweichung liegt nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BVerfG oder das BSG aufgestellt hat, weil die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall nicht die Zulassung einer Revision wegen Abweichung rechtfertigt. Erforderlich ist vielmehr, dass das LSG diesen Kriterien widersprochen und mit diesen unvereinbare, über den Einzelfall hinausgehende andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die - behauptete - Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die fehlende Übereinstimmung im Grundsätzlichen vermag die Zulassung der Revision wegen Abweichung zu begründen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29, 54 und 67; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, IX. Kap, RdNr 196 mwN).
Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung ebenfalls nicht gerecht. Zwar benennt sie sowohl ein Urteil des BSG (Verweis auf BSG vom 3.12.2015 - B 4 AS 49/14 R) als auch eine Entscheidung des BVerfG (Kammerbeschluss vom 12.5.2005 - 1 BvR 569/05 - RdNr 19 mwN), von denen das LSG abgewichen sein soll. Es ist jedoch kein einzelner Rechtssatz bezeichnet, auf dem das LSG seine Entscheidung tragend gestützt hat und der im Widerspruch zu einem ebenfalls ausdrücklich bezeichneten Rechtssatz des BSG oder des BVerfG steht. Die Übernahme redaktioneller Leitsätze oder - bezüglich des Beschlusses des BVerfG - die Interpretation dieser Entscheidung aus der Sicht der Klägerin, erfüllt nicht die Voraussetzung der genauen Bezeichnung eines Rechtssatzes. Die Klägerin leitet aus den Entscheidungen vielmehr Aussagen ab, denen sie Wertungen gegenüberstellt, die nicht nur der Entscheidung des LSG, sondern auch der des SG zugrunde lägen und mit denen die Gerichte abweichende Anforderungen aufstellten (Nichtberücksichtigung des "absehbaren" Endes der Arbeitslosigkeit). Damit wird allenfalls eine fehlerhafte Anwendung revisionsgerichtlicher Maßstäbe im Einzelfall gerügt, nicht aber eine Abweichung im dargelegten Sinne.
Soweit in diesem Zusammenhang mit der Rüge des nicht vollständig erfassten Sachverhalts sinngemäß auch ein Verfahrensmangel durch eine Verletzung des § 103 SGG (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) geltend gemacht sein soll, ist dieser nur schlüssig bezeichnet, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG). Ein solcher gestellter Beweisantrag der vor dem LSG anwaltlich vertretenen Klägerin lässt sich dem Beschwerdevorbringen nicht entnehmen.
Soweit die Klägerin ausdrücklich die tatrichterliche Würdigung ihres Einzelfalls und die Außerachtlassung bestimmter bei ihr bestehender Umstände rügt, scheidet ein Verfahrensmangel aus, weil ein solcher gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG nicht auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG bezüglich der freien Überzeugungsbildung des Gerichts gestützt werden kann.
Das Ersuchen, bei einer Nichtzulassung der Revision den Fall gemäß Art 100 Abs 1 GG dem BVerfG vorzulegen, geht ins Leere, weil die Voraussetzungen für die Einholung einer verfassungsgerichtlichen Entscheidung hier unter keinem denkbaren Gesichtspunkt vorliegen können.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI11371847 |