Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. Juli 2023 wird als unzulässig verworfen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 300 Euro festgesetzt.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten um die Zahlung einer Aufwandspauschale nebst Zinsen.
Die Klägerin behandelte in dem von ihr betriebenen Krankenhaus einen Versicherten der beklagten Krankenkasse vom 14. bis 17.1.2019. In ihrer Rechnung kodierte sie als Hauptdiagnose ICD-10-GM M48.02 (Sonstige Spondylopathien, Spinalkanalstenose, Zervikalbereich) sowie die Prozeduren 5-033.0 (Inzision des Spinalkanals, Dekompression) und 5-836.50 (Spondylodese, ventral, 1 Segment) des Operationen- und Prozedurenschlüssels (OPS). OPS 5-836 bestimmt insbesondere:
"Eine zusätzlich durchgeführte Osteosynthese oder eine dynamische Stabilisierung sind gesondert zu kodieren (5-83b ff.)
Die Art der verwendeten Knochenersatzmaterialien oder Knochentransplantate ist gesondert zu kodieren (5-835 ff.)
(…)
Eine Spondylodese liegt nur bei Verwendung von Knochenersatzmaterialien oder Knochentransplantaten vor, nicht bei alleiniger Instrumentierung oder Osteosynthese (5-83b ff.)"
Nach Begleichung der Rechnung beauftragte die Beklagte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Rechnungsprüfung. Der vom MDK an die Klägerin übermittelte Prüfauftrag der Beklagten lautete: "Ist die DRG korrekt? Ist die Hauptdiagnose (HD) korrekt? Ist /sind die Prozeduren korrekt? Wurden die Prozeduren richtig kodiert und dokumentiert?". Eine "gesonderte Prüfung" gerade auch der vorgenannten OPS-Kodes wurde erbeten. Der MDK gelangte nach Übersendung der von der Klägerin angeforderten Unterlagen zu dem Ergebnis, die Hauptdiagnose ICD-10-GM M48.02 sei nicht plausibel. Vielmehr sei als Hauptdiagnose ICD-10-GM M50.1:B (Zervikaler Bandscheibenschaden mit Radikulopathie, beidseitig) und anstelle des OPS 5-836.50 sei der OPS 5-83b.70 (Osteosynthese ≪dynamische Stabilisierung≫ an der Wirbelsäule durch intervertebrale Cages, 1 Segment) zu verschlüsseln. An der abgerechneten Fallpauschale änderte sich dadurch nichts. Da deshalb der Abrechnungsbetrag unvermindert blieb, stellte die Klägerin der Beklagten die Aufwandspauschale in Rechnung, die eine Begleichung wegen fehlerhafter Kodierung ablehnte. Denn ohne eine zusätzliche Kodierung der verwendeten Knochenersatzmaterialien oder -transplantate sei die Kodierung von OPS 5-836.50 nicht plausibel.
Das SG hat die Beklagte zur Zahlung der Aufwandspauschale nebst Zinsen verurteilt, da es allein auf die fehlende Abrechnungsminderung ankomme. Ein Ausschluss des Anspruchs auf die Aufwandspauschale bei fehlerhaften Kodierungen lasse sich weder dem Wortlaut noch dem Zweck entnehmen. Das SG hat die Berufung zugelassen (Urteil vom 24.9.2020). Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und ausgeführt: Die Voraussetzungen der Aufwandspauschale seien erfüllt. Die Beklagte habe eine Prüfung iS des § 275 Abs 1c Satz 1 und 2 SGB V veranlasst und der MDK habe bei der Klägerin Unterlagen angefordert, sodass bei ihr Verwaltungsaufwand entstanden sei. Die Geltendmachung der Aufwandspauschale seitens der Klägerin sei auch nicht treuwidrig. Zwar entfalle der Anspruch auf die Aufwandspauschale im Falle einer nachgewiesen fehlerhaften Abrechnung oder eines sonstigen Fehlverhaltens des Krankenhauses. Ein solcher Fall liege hier allerdings nicht vor. Die Klägerin bestreite den Kodierfehler und habe die vom MDK vorgeschlagenen Änderungen der Diagnosen und Prozeduren nicht akzeptiert, insbesondere ihre Rechnung nicht geändert. Die vom MDK behauptete fehlende medizinische Plausibilität der kodierten Hauptdiagnose könne nur durch weitere medizinische Ermittlungen geklärt werden, was aber mit dem Zweck der Aufwandspauschale nicht vereinbar sei (Urteil vom 26.7.2023).
Die Beklagte wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.
II
Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des allein geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung.
Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Maßstabs BVerfG vom 14.4.2010 - 1 BvR 2856/07 - SozR 4-1500 § 160a Nr 24 RdNr 5 ff mwN). Dem wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Die Beklagte hält folgende Rechtsfragen für grundsätzlich bedeutsam:
"1. Führt ein Verstoß gegen einen Hinweis im OPS zur Mehrfachkodierung dazu, dass eine Abrechnung nachweislich fehlerhaft ist?
2. Schließt ein Verstoß gegen die DKR oder sonstige Abrechnungsvorschriften den Anspruch auf die Aufwandspauschale bei nicht gemindertem Abrechnungsbetrag auch dann aus, wenn über den Prüfanlass hinaus weitere Kodierungen geprüft wurden, die einer medizinischen Überprüfung bedurften und deren Änderung das Krankenhaus nicht zustimmt?"
1. Die Beklagte legt weder die Klärungsbedürftigkeit noch die Klärungsfähigkeit der ersten Rechtsfrage hinreichend dar.
a) Eine Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, wenn sie bereits höchstrichterlich entschieden ist. Eine Rechtsfrage, die das BSG noch nicht ausdrücklich behandelt hat, ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sodass eine weitere Klärung oder Fortentwicklung des Rechts nicht mehr zu erwarten ist (stRspr; vgl zB BSG vom 16.4.2012 - B 1 KR 25/11 B - juris RdNr 7 mwN). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das Revisionsgericht schon eine oder mehrere Entscheidungen getroffen hat, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der Frage geben (vgl BSG vom 18.9.2023 - B 1 KR 6/23 B - juris RdNr 10; BSG vom 16.4.2018 - B 8 SO 2/18 B - juris RdNr 9 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG vom 22.2.2017 - B 1 KR 73/16 B - juris RdNr 8 mwN; vgl zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit eines entsprechenden Maßstabs BVerfG ≪Kammer≫ vom 12.9.1991 - 1 BvR 765/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 6 S 10 f = juris RdNr 4).
Die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Fragen ist nicht formgerecht dargelegt, weil sich die Beschwerdebegründung nicht hinreichend mit der bisher bereits ergangenen Rechtsprechung zum Wegfall des Anspruchs auf die Aufwandspauschale im Fall einer Pflichtverletzung des Krankenhauses im Zusammenhang mit fehlerhaften Kodierungen befasst (vgl BSG vom 23.6.2015 - B 1 KR 13/14 R - SozR 4-5560 § 17b Nr 6 RdNr 23; BSG vom 23.6.2015 - B 1 KR 24/14 R - NZS 2015, 745 = juris RdNr 11). Die Beklagte benennt zwar zwei weitere Urteile des BSG vom 22.6.2010 (B 1 KR 1/10 R - BSGE 106, 214 = SozR 4-2500 § 275 Nr 3, RdNr 26) und vom 28.11.2013 (B 3 KR 4/13 R - SozR 4-2500 § 275 Nr 16 RdNr 20), setzt sich aber nicht mit deren Begründungen auseinander. Ob und inwieweit sich den bereits ergangenen Entscheidungen des Senats Anhaltspunkte zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen entnehmen lassen, ergibt sich aus ihren Darlegungen nicht.
b) Im Übrigen legt die Beklagte auch die Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Frage nicht hinreichend dar. Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage nur dann, wenn das BSG im angestrebten Revisionsverfahren überhaupt hierüber entscheiden müsste, die Frage also entscheidungserheblich ist (vgl BSG vom 13.1.2017 - B 12 R 23/16 B - juris RdNr 20; vgl zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Maßstabs BVerfG vom 18.12.1991 - 1 BvR 1411/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 7 S 14 = juris RdNr 8). Wie das Vorliegen grundsätzlicher Bedeutung insgesamt, ist dies auf der Tatsachengrundlage der Vorinstanz zu beurteilen. Auch Darlegungen zur Klärungsfähigkeit müssen sich also auf die Tatsachen beziehen, die das LSG im angegriffenen Urteil mit Bindungswirkung für das BSG (§ 163 SGG) festgestellt hat (vgl BSG vom 12.8.2020 - B 1 KR 46/19 B - juris RdNr 10 mwN).
Das LSG hat ausdrücklich keinen nachweislichen Kodierfehler hinsichtlich der Hauptdiagnose feststellen können, sondern hierfür weitere medizinische Ermittlungen für erforderlich gehalten, die mit dem Zweck der Aufwandspauschale unvereinbar seien. Hierauf hat das LSG unter Zugrundlegung der Rechtsprechung des erkennenden Senats die Zurückweisung der Berufung gestützt. Zu dieser Begründung verhält sich die Beklagte nicht, obwohl der Prüfauftrag auch auf die Überprüfung der Hauptdiagnose gerichtet war.
2. Die Beklagte legt auch die Klärungsbedürftigkeit der zweiten Rechtsfrage nicht dar.
Die Beklagte formuliert zur Herbeiführung der Klärungsfähigkeit ihres rechtlichen Anliegens nicht ausdrücklich eine Rechtsfrage, die darauf abzielt zu klären, ob eine hinsichtlich der Kodierung des OPS 5-836.50 hier evidente Implausibilität genügt, um einen Anspruch auf die Aufwandspauschale wegen nachweislicher Fehlerhaftigkeit der Kodierung zu verneinen, wenn der Prüfauftrag - wie hier - weit über die Abklärung dieser Implausibilität hinausgeht. Sofern die Beklagte mit ihrer zweiten Frage konkludent eine dahingehende Rechtsfrage gestellt haben sollte, beschränkt sich die Beschwerdebegründung auf eine Beschreibung des aus ihrer Sicht bestehenden Rechtsproblems, ohne jedoch darauf einzugehen, ob schon aus der aufgezeigten Rechtsprechung des erkennenden Senats dieses einer Lösung zugeführt werden könnte.
3. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO, diejenige über den Streitwert auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG.
Fundstellen
Dokument-Index HI16708740 |