Verfahrensgang
SG Detmold (Entscheidung vom 01.06.2022; Aktenzeichen S 4 AL 35/21) |
LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 06.06.2024; Aktenzeichen L 9 AL 118/22) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 6. Juni 2024 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der Kläger den von ihm allein geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nicht in der gebotenen Weise dargelegt hat (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Die Beschwerde ist daher ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 SGG).
Grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass eine konkrete Rechtsfrage klar formuliert wird. Weiter muss ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit im jeweiligen Rechtsstreit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) aufgezeigt werden (stRspr; vgl etwa BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).
Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Der Kläger begehrt Alg, das mangels Erfüllung der Anwartschaftszeit abgelehnt wurde. Er macht geltend, in dem Verfahren stelle sich folgende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung:
"Ist die in § 26 Abs. 2a S. 1 SGB III vorgenommene Beschränkung der Anerkennung von Kindererziehungszeiten als versicherungspflichtig nur bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes verfassungskonform?"
Schon die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage ist nicht ausreichend dargelegt. Wird die Beschwerde - wie hier - allein mit einem Verfassungsverstoß begründet, hat sie unter Einbeziehung der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung - insbesondere des BVerfG, aber auch des BSG - im Einzelnen aufzuzeigen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll. Die Beschwerdebegründung darf sich bei einer aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Frage nicht darauf beschränken, die Verfassungswidrigkeit zu behaupten und die als verletzt angesehenen Normen des Grundgesetzes zu benennen. Sie muss vielmehr darlegen, welche Vorschrift des Grundgesetzes aus welchen Gründen verletzt ist und sich insoweit auch mit der einschlägigen verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung auseinandersetzen (stRspr; zuletzt etwa BSG vom 29.5.2024 - B 11 AL 6/24 B - juris RdNr 4, zu einer vermeintlichen Verletzung von Art 3 Abs 1 GG; vgl auch Meßling in Krasney/Udsching/Groth/Meßling, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 8. Aufl 2022, IX. Kap RdNr 288; B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl 2023, § 160a RdNr 14e, jeweils mwN).
Diesen Maßgaben entspricht die Beschwerdebegründung nicht. Es wird schon nicht im Einzelnen aufgezeigt, welche verfassungsrechtlichen Regelungen durch § 26 Abs 2a Satz 1 SGB III überhaupt verletzt sein könnten. Rechtsprechung und Schrifttum bleiben unberücksichtigt, mit Ausnahme des Hinweises auf einen Beschluss des BVerfG, in dem aber gerade der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit - auch bezogen auf die Regelung der Anwartschaftszeit als Anspruchsvoraussetzung für Alg - betont wird (BVerfG vom 25.11.2004 - 1 BvR 2303/03 - BVerfGK 4, 215, RdNr 17 ff).
Soweit eine Verletzung von Art 3 Abs 1 GG gerügt werden sollte, genügt es nicht, eine Ungleichbehandlung gegenüber einer anderen Gruppe von potenziell Leistungsberechtigten zu behaupten. Denn die etwaige Verletzung des Art 3 Abs 1 GG verlangt ua, dass eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (stRspr; BVerfG vom 21.11.2001 - 1 BvL 19/93 ua - BVerfGE 104, 126 = SozR 3-8570 § 11 Nr 5, juris RdNr 56; siehe auch BSG vom 16.10.2019 - B 13 R 14/18 R - BSGE 129, 192 = SozR 4-2600 § 70 Nr 3, RdNr 23). Dazu fehlt es in der Beschwerdebegründung an Darlegungen.
Das Vorbringen, dass eine Anerkennung von Versicherungszeiten auch über die Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes hinaus wünschenswert sei, mag zwar sozialpolitisch anschlussfähig sein. Solche außerrechtlichen Erwägungen reichen jedoch nicht aus, um die grundsätzliche Bedeutung einer aufgeworfenen Rechtsfrage aufzuzeigen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
S. Knickrehm |
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Siefert |
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Söhngen |
Fundstellen
Dokument-Index HI16708772 |