Verfahrensgang
SG Chemnitz (Entscheidung vom 19.09.2017; Aktenzeichen S 9 R 1474/14) |
Sächsisches LSG (Urteil vom 03.02.2020; Aktenzeichen L 6 R 769/17) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 3. Februar 2020 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Mit Urteil vom 3.2.2020 hat das Sächsische LSG einen Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung verneint.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin Beschwerde zum BSG eingelegt, die sie mit Schriftsatz vom 11.5.2020 begründet hat.
II
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen. Die Beschwerdebegründung genügt nicht der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Form. Die Klägerin hat darin weder die geltend gemachten Verfahrensmängel (Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG) noch den zudem sinngemäß geltend gemachten Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise bezeichnet bzw dargelegt.
a) Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass iS von § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels zunächst die ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des Berufungsgerichts ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht (stRspr; zB BSG Beschluss vom 27.10.2010 - B 12 KR 2/10 B - juris RdNr 5; jüngst BSG Beschluss vom 9.12.2019 - B 13 R 259/19 B - juris RdNr 4). Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Berufungsgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Die Klägerin rügt darin vor allem einen Verstoß gegen die Begründungspflicht (§ 128 Abs 1 Satz 2 SGG iVm § 136 Abs 1 Nr 6 SGG). Nach ihrem Dafürhalten hat sich das LSG in den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils unzureichend mit dem Vorliegen einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen auseinandergesetzt, indem es lediglich ausgeführt habe, den vorliegenden Akten seien Anhaltspunkte hierfür nicht zu entnehmen. Damit sind keine Umstände dargetan, die einen Verstoß gegen die Begründungspflicht zu stützen in der Lage wären. Wie die Klägerin selbst mitteilt, hat das LSG überhaupt Ausführungen zu diesem für sie zentralen Vorbringen gemacht. Entscheidungsgründe fehlen aber nicht bereits dann, wenn die Gründe (vermeintlich) sachlich unvollständig, unzureichend, unrichtig oder sonst rechtsfehlerhaft sind (stRspr; vgl etwa BSG Beschluss vom 25.10.2017 - B 1 KR 18/17 B - juris RdNr 6 mwN). Mit ihrem Vorbringen zur Begründungspflicht wendet die Klägerin sich letztlich gegen die Würdigung der Ermittlungsergebnisse durch das LSG und die inhaltliche Richtigkeit seiner Entscheidung. Dass ein Beteiligter das angegriffene Urteil für inhaltlich falsch hält, kann indes nicht zur Revisionszulassung führen (stRspr; vgl etwa BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; BSG Beschluss vom 21.4.2020 - B 13 R 44/19 B - juris RdNr 8; BVerfG Beschluss vom 6.5.2010 - 1 BvR 96/10 - SozR 4-1500 § 178a Nr 11 RdNr 28 mwN). Gleiches gilt für das Vorbringen der Klägerin, das LSG habe die insbesondere vom Behandler K mitgeteilten Befunde nicht angemessen gewürdigt.
Indem die Klägerin vorbringt, das LSG habe sich nicht mit ihrem Vorbringen im Schriftsatz vom 6.5.2019 zu Menge und Art der bei ihr vorliegenden Funktionseinschränkungen auseinandergesetzt, rügt sie zudem sinngemäß eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG; Art 103 Abs 1 GG). Auch insoweit fehlt es an der anforderungsgerechten Bezeichnung eines Verfahrensmangels. Bei vom Gericht entgegengenommenen Vorbringen der Beteiligten ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Ausführungen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen worden sind (vgl BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 27.5.2016 - 1 BvR 1890/15 - juris RdNr 14 f). Im Übrigen sind die Gerichte nicht verpflichtet, jedes Vorbringen der Beteiligten ausdrücklich zu bescheiden; sie müssen nur das wesentliche, der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung dienende Vorbringen in den Entscheidungsgründen verarbeiten (stRspr; zB BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 20.2.2008 - 1 BvR 2722/06 - BVerfGK 13, 303, 304 f = juris RdNr 9 ff mwN; BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 31.3.2006 - 1 BvR 2444/04 - BVerfGK 7, 485, 488). Ausgehend von den Ausführungen der Klägerin hat das LSG ihren Vortrag, bei ihr liege angesichts der festgestellten Funktionseinschränkungen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor, gerade nicht unberücksichtigt gelassen. Vielmehr hat es das Vorliegen eines Summierungsfalls verneint und die Beteiligten hierüber in den von der Klägerin mitgeteilten Entscheidungsgründen in Kenntnis gesetzt. Allein darauf, dass das LSG dem Tatsachenvorbringen oder der Rechtsauffassung der Klägerin nicht gefolgt ist, lässt sich die Gehörsrüge nicht zulässig stützen. Das Recht auf rechtliches Gehör gebietet nur, dass die Gerichte die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen; es verpflichtet sie nicht, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen, ihn also zu "erhören" (BVerfG Beschluss vom 8.4.2014 - 1 BvR 2933/13 - NZS 2014, 539 RdNr 13 mwN).
Sollte die bereits im Berufungsverfahren anwaltlich vertretene Klägerin zudem einen Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 103 Satz 1 Halbsatz 1 SGG) rügen wollen, indem das LSG ihrem mit Schriftsatz vom 6.5.2019 gestellten Antrag auf Einholung eines berufskundlichen Sachverständigengutachtens nicht gefolgt sei, legt sie jedenfalls nicht dar, diesen Antrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem LSG nicht nur gestellt, sondern auch zumindest hilfsweise aufrechterhalten zu haben (vgl zu dieser Darlegungsanforderung etwa BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN; BSG Beschlüsse vom 21.2.2018 - B 13 R 28/17 R, B 13 R 285/17 B - juris RdNr 14 mwN). Sollte die Klägerin zudem eine Sachaufklärungsrüge erheben wollen, indem sie vorbringt, das LSG habe ihre orthopädischen Erkrankungen nicht ausreichend festgestellt - es würden Feststellungen zum Zustand nach Radiusköpfchenfraktur links fehlen, zudem sei das aktuelle Ausmaß der Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule wie beider Schultergelenke nicht zutreffend erfasst - hat sie bereits die Stellung entsprechender Beweisanträge nicht dargetan.
b) Mit ihrem Vorbringen, das LSG habe nicht hinreichend geprüft, ob bei ihr eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen im Sinne der Entscheidung des erkennenden Senats vom 11.12.2019 (B 13 R 7/18 R) vorliege, macht die Klägerin der Sache nach den Zulassungsgrund der Divergenz geltend. Sie legt diesen jedoch nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise dar.
Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt sind. Zur ordnungsgemäßen Darlegung einer Divergenz sind ein entscheidungstragender Rechtssatz oder mehrere derartige Rechtssätze aus dem Berufungsurteil und zu demselben Gegenstand gemachte und fortbestehende aktuelle abstrakte Aussagen aus einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG einander gegenüberzustellen; zudem ist näher zu begründen, weshalb diese nicht miteinander vereinbar sind und inwiefern die Entscheidung des LSG auf der Abweichung beruht (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 17; BSG Beschluss vom 19.7.2012 - B 1 KR 65/11 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 32 RdNr 21; ferner Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160a RdNr 15 ff mwN). Nicht ausreichend ist es hingegen, wenn die fehlerhafte Anwendung eines als solchen nicht in Frage gestellten höchstrichterlichen Rechtssatzes durch das Berufungsgericht geltend gemacht wird (bloße Subsumtionsrüge), denn nicht die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall, sondern nur eine Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen ermöglicht die Zulassung der Revision wegen Divergenz (vgl BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 f; BSG Beschluss vom 24.4.2015 - B 13 R 37/15 B - juris RdNr 6).
Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung schon deswegen nicht, weil die Klägerin darin keinen entscheidungstragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem das LSG von einem abstrakten Rechtssatz in der BSG-Entscheidung vom 11.12.2019 oder einer anderen Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abgewichen sei. Vielmehr wendet sie sich im Kern gegen die Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung. Dies reicht, wie erwähnt, zur Darlegung einer Divergenz nicht aus.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14470839 |