Verfahrensgang

SG Itzehoe (Entscheidung vom 13.11.2018; Aktenzeichen S 9 U 42/16)

Schleswig-Holsteinisches LSG (Urteil vom 15.12.2021; Aktenzeichen L 8 U 77/18)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 15. Dezember 2021 wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Mit vorgenanntem Urteil hat es das LSG abgelehnt, ein Ereignis vom 27.10.2014 als Arbeitsunfall anzuerkennen. Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin beim BSG Beschwerde eingelegt. In der Beschwerdebegründung macht sie die Verletzung rechtlichen Gehörs geltend.

II

1. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil sie den geltend gemachten Zulassungsgrund des Vorliegens von Verfahrensmängeln (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) in Gestalt einer Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG; § 62 SGG) nicht formgerecht bezeichnet (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels zunächst die diesen vermeintlich begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist - außer im Fall von absoluten Revisionsgründen - die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung der Klägerin nicht gerecht. Sie rügt eine Verletzung rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG; § 62 SGG), weil in der ersten Instanz durch Gerichtsbescheid entschieden und in der Berufungsverhandlung nur ihr Prozessvertreter anwesend gewesen sei.

Soweit die Klägerin sich gegen den Erlass eines Gerichtsbescheids wenden und damit einen Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens vor dem SG rügen möchte, ist dies grundsätzlich unbeachtlich. Denn revisible Verfahrensmängel müssen das Verfahren im unmittelbar vorangegangenen Berufungsrechtszug betreffen, wie bereits aus dem Wortlaut des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG folgt ("… auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann …"). Wenn Verfahrensmängel des SG geltend gemacht werden, muss daher schlüssig aufgezeigt werden, dass diese im Berufungsverfahren von Amts wegen zu beachten gewesen wären, fortgewirkt hätten und daher ausnahmsweise als Fehler des LSG anzusehen seien (stRspr; zB BSG Beschluss vom 19.4.2022 - B 2 U 70/21 B - juris RdNr 12 mwN; BSG Beschluss vom 25.4.2001 - B 9 V 70/00 B - SozR 3-1500 § 73 Nr 10 S 31). Daran fehlt es hier.

Die Klägerin bezeichnet mit dem Vorbringen, in der Berufung sei nur ihr Vertreter vor Gericht anwesend gewesen, auch keinen Mangel im Verfahren vor dem LSG. Der Grundsatz rechtlichen Gehörs gebietet, dass eine gerichtliche Entscheidung nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden darf, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten (§ 128 Abs 2 SGG). Dem Gebot ist indes Genüge getan, wenn die Beteiligten die maßgeblichen Tatsachen erfahren und ausreichend Gelegenheit haben, sachgemäße Erklärungen innerhalb einer angemessenen Frist vorzubringen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 31.5.2022 - B 2 U 120/21 B - juris RdNr 16 mwN; BVerfG Beschluss vom 29.5.1991 - 1 BvR 1383/90 - juris RdNr 7).

Es fehlt bereits an der schlüssigen Schilderung der den gerügten Verfahrensmangel vermeintlich begründenden Tatsachen. "Bezeichnet" iS des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG ist ein Verfahrensmangel nur dann, wenn die ihn begründenden Tatsachen im Zusammenhang mit dem Verfahrensgang dargetan und einer rechtlichen Wertung unterzogen werden. Erforderlich ist die zusammenhängende, vollständige und aus sich heraus verständliche Darlegung des Streitgegenstands, der Verfahrens- und Prozessgeschichte sowie des vom LSG festgestellten Sachverhalts und damit der Umstände, die möglicherweise zu einem entscheidungsrelevanten Verfahrensfehler geführt haben. Es ist dagegen nicht Aufgabe des Beschwerdegerichts, sich die erforderlichen Tatsachen aus dem Urteil und erst recht nicht aus den Verfahrensakten herauszusuchen (zB BSG Beschluss vom 17.5.2022 - B 2 U 91/21 B - juris RdNr 8 mwN; BSG Beschluss vom 11.6.2021 - B 9 SB 64/20 B - juris RdNr 9; BSG Beschluss vom 29.9.1975 - 8 BU 64/75 - SozR 1500 § 160a Nr 14 S 21 = juris RdNr 3). Bereits an der Mitteilung dieser Tatsachengrundlage fehlt es.

Zur Begründung eines Verfahrensmangels wegen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG; § 62 SGG) ist ferner nicht nur der Verstoß gegen diesen Grundsatz selbst zu bezeichnen, sondern auch darzutun, an welchem Vorbringen der Beschwerdeführer gehindert worden ist und inwiefern die angefochtene Entscheidung darauf beruhen kann (zB BSG Beschluss vom 28.11.2022 - B 2 U 84/22 B - juris RdNr 16; BSG Beschluss vom 7.10.2016 - B 9 V 28/16 B - juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - SozR 1500 § 160a Nr 36 S 53) sowie, dass der Beschwerdeführer darlegt, seinerseits alles getan zu haben, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen (zB BSG Beschluss vom 30.8.2018 - B 2 U 230/17 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 38 RdNr 5; BSG Beschluss vom 25.1.2023 - B 9 V 32/22 B - juris RdNr 15 mwN; BSG Beschluss vom 20.1.1998 - B 13 RJ 207/97 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 22 S 35 = juris RdNr 5). Hierzu verhält sich die Beschwerdebegründung indes nicht.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 Satz 2 und 3 SGG).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.

Roos

Karmanski

Karl

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15741847

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