Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Revisionsbegründung bei mehreren, das Urteil voneinander unabhängig tragenden Entscheidungsgründen. Umfang der Überprüfbarkeit der Beweiswürdigung des LSG durch die Revisionsinstanz. Gewichtung mehrerer Risikofaktoren für Verursachung einer Berufskrankheit. Koronare Herzerkrankung
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Revision muss sorgfältig und nach Umfang und Zweck zweifelsfrei begründet sein (st.Rspr.; vgl. BSGE 70, 186, 187 f.; SozR 3-2500 § 106 Nr 12); es ist darzulegen, dass und weshalb die Rechtsansicht des Berufungsgerichts nicht geteilt wird. Notwendig sind Rechtsausführungen, die geeignet sind, zumindest einen der das angefochtene Urteil tragenden Gründe in Frage zu stellen (BSG SozR 3-1500 § 164 Nr 5).
2. Ist das angefochtene Urteil auf mehrere, voneinander unabhängige selbstständig tragende Erwägungen gestützt, muss der Revisionskläger für jede dieser Erwägungen darlegen, warum sie die Entscheidung nicht trägt; anderenfalls ist die Revision insgesamt unzulässig (Bezugnahme auf BVerwG, NJW 1980, 2268; BGH, SGb 1996, 572).
3. Die Beweiswürdigung des Tatsachengerichts darf das Revisionsgericht nur darauf prüfen, ob das Tatsachengericht die Grenzen der freien Beweiswürdigung nicht überschritten hat (st.Rspr.; vgl. BSG, HVBG-Info 1996, 2071; BSG SozR 3-2200 § 539 Nr 19 m.w.N.). Daher kann das Revisionsgericht bei geltend gemachten Verstößen gegen sie nur prüfen, ob das Tatsachengericht bei der Beweiswürdigung gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen hat und ob es das Gesamtergebnis des Verfahrens berücksichtigt hat (vgl. BSG, SozR 1500 § 164 Nr 31; BSG SozR 3-2200 § 539 Nr 19).
4. Der Vortrag eines Klägers, das LSG habe bei der Prüfung der Kausalität einer Dioxinbelastung für eine koronare Herzerkrankung als Berufskrankheit im Einzelfall statistische Erkenntnisse nicht verwenden dürfen, weil epidemiologische Erkenntnisse wegen ihrer begrenzten Aussagekraft bei der individuellen Zurechnung regelmäßig nur noch eine untergeordnete Rolle spielten, erfüllt keines der Kriterien für einen zulässigen Angriff der Beweiswürdigung des Berufungsgerichts im Revisionsverfahren. Es wird lediglich dargetan, das vom LSG herangezogene Beweismittel sei anders zu bewerten bzw. zu gewichten. Ein Verstoß gegen allgemeine Erfahrungssätze bzw. die Denkgesetze oder eine Nichtberücksichtigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens werden nicht dargelegt.
Normenkette
SGG § 164 Abs. 2 Sätze 1, 3, §§ 169, 128 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LSG Hamburg (Urteil vom 29.08.2001) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 29. August 2001 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Klägerin ist die Witwe des am 11. Dezember 1989 verstorbenen Karl H. … (Versicherter). Streitig ist, ob dieser an den Folgen einer Berufskrankheit (BK) verstorben ist und die Klägerin deshalb einen Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen gegen die Beklagte hat.
Der Versicherte arbeitete in der Zeit von 1969 bis Ende 1984 als Betriebsschlosser bei der Firma C. H. B. … Sohn in H. …, wo er insbesondere einer Exposition gegenüber Dioxin ausgesetzt war. Im Juni 1989 wurde bei ihm im Rahmen einer stationären Krankenhausbehandlung eine koronare Herzkrankheit (KHK) in der Form einer Zweigefäßerkrankung diagnostiziert. Am 24. November 1989 erfolgte im Deutschen Herzzentrum Berlin eine Bypass-Operation; am 11. Dezember 1989 verstarb der Versicherte dort infolge eines therapiefraktären septischen Schocks. Der Versicherte hatte seit seiner Jugend ca 25 bis 30 Zigaretten täglich geraucht, und bei ihm lagen seit Ende 1972 eine Hepatopathie, seit 1984 eine leichte Hypertriglyceridämie, ein labiler Bluthochdruck, eine tablettenpflichtige Zuckerkrankheit, eine Hyperlipidämie sowie ein Übergewicht vor.
Aufgrund einer bei ihr im Januar 1990 eingegangenen ärztliche Anzeige von Prof. Dr. M. … über das Vorliegen einer BK nach Nr 1310 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO) bei dem Versicherten führte die Beklagte entsprechende Ermittlungen durch. Nachdem die staatliche Gewerbeärztin in einer von der Beklagten eingeholten Stellungnahme einen Zusammenhang zwischen der beruflichen Dioxinexposition und der KHK als nicht hinreichend wahrscheinlich angesehen hatte, lehnte die Beklagte die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung an die Klägerin ab (Bescheid vom 27. Juni 1991, Widerspruchsbescheid vom 8. November 1991).
Das Sozialgericht Hamburg (SG) hat die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide dem Grunde nach verurteilt, der Klägerin wegen des Todes ihres Ehemannes infolge einer BK nach Nr 1310 der Anlage 1 zur BKVO Hinterbliebenenleistungen zu gewähren (Urteil vom 17. Juni 1997). In Würdigung der vorliegenden epidemiologischen Studien sei mit dem gerichtlichen Sachverständigen Dr. P. … mit Wahrscheinlichkeit eine generelle Eignung der Dioxinbelastung für die Verursachung einer KHK anzunehmen. Dieser Ursachenzusammenhang entfalle auch nicht bei Berücksichtigung der bei dem Versicherten vorhandenen außerberuflichen Faktoren; jedenfalls stelle die hohe Dioxinbelastung eine gleichwertig mitwirkende Teilursache für die KHK dar, die zum Tode des Versicherten geführt habe.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht Hamburg (LSG) das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 29. August 2001). Bei der KHK, an deren Folgen der Versicherte verstorben sei, habe es sich nicht um eine BK gemäß § 551 Abs 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) iVm Nr 1310 der Anlage 1 zur BKVO gehandelt. Im Hinblick auf den bei dem Versicherten festgestellten sehr hohen Dioxinwert von 506 ppt bestünden für den Senat keine Zweifel, dass er während seiner versicherten beruflichen Tätigkeit der schädigenden Einwirkung von Dioxin ausgesetzt gewesen und damit die haftungsbegründende Kausalität gegeben sei. In Würdigung der gesamten Aktenlage, insbesondere aller vorliegender Sachverständigengutachten auf epidemiologischem, arbeitsmedizinischem und internistischem Fachgebiet fehle es jedoch an der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit des Zusammenhangs zwischen dieser schädigenden Einwirkung und der festgestellten KHK.
Zur Überzeugung des Senates seien die Voraussetzungen für die Annahme einer generellen Geeignetheit von Dioxin, eine KHK zu verursachen, erfüllt, wie sich aus den überzeugenden schriftlichen Gutachten und Aussagen des Epidemiologen Prof. Dr. U. … in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG ergebe. Mit der Bejahung der generellen Geeignetheit von Dioxinen, eine KHK zu verursachen, sei allerdings die Frage der hinreichenden Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs im Einzelfall noch nicht beantwortet. Der Senat gehe mit Prof. Dr. U. … davon aus, dass bei einer Gesamtwürdigung aller vorliegenden Studien auch bei den am höchsten gegenüber Dioxin Exponierten das relative Risiko unter 2,0 liege. Dieser Wert reiche zur Überzeugung des Senats nicht aus, um die erforderliche hinreichende Wahrscheinlichkeit für die haftungsausfüllende Kausalität zu bejahen. Mangels Vorliegens sonstiger (individueller) Erkenntnisse halte der Senat dieses mit statistischen Mitteln gewonnene Ergebnis auch für einen geeigneten Maßstab für die Prüfung der hinreichenden Wahrscheinlichkeit im individuellen Einzelfall.
Zusätzlich hätten zur Überzeugung des Senats die bei dem Versicherten bestehenden außerberuflichen Risikofaktoren ein so erhebliches Gewicht, dass sie – unabhängig von der fehlenden Risikoverdoppelung – als weit überwiegende Ursachen für die Verursachung der KHK zu werten sein. Der Dioxinexposition komme demgegenüber nur der Wert einer nicht gleichwertigen und damit rechtlich nicht wesentlichen Teilursache zu. Dabei lasse der Senat dahinstehen, wie die Faktoren langjähriges Zigarettenrauchen, labiler arterieller Bluthochdruck, Zuckerkrankheit und Übergewicht im Einzelnen zu gewichten seien.
Zum einen habe der medizinische Sachverständige Dr. S. … auf die überragende Bedeutung des Zigarettenkonsums für die Entstehung einer KHK hingewiesen. Zum anderen habe auch nach den Ausführungen des medizinischen Sachverständigen Dr. P. … im Vergleich zum durchschnittlichen Herzinfarktrisiko eines 62-jährigen Mannes (18,4 %) bei dem Versicherten wegen der außerberuflichen Faktoren ein Risiko von 26,88 % bestanden, das um 8,48 Prozent-Punkte höher als bei der Gesamtgruppe der 62-jährigen liege. Vergleiche man diese Risikoerhöhung aufgrund außerberuflicher Faktoren mit der Risikoerhöhung infolge Dioxinexposition, so sei die Gefährdung des Versicherten im Vergleich zum Durchschnitt der 62-jährigen Männer aufgrund außerberuflicher Faktoren wesentlich höher als aufgrund der Dioxinexposition (8,48 im Verhältnis zu 5,15). Weiter sei zu berücksichtigen, dass in die von dem Arbeitsmediziner Dr. P. … vorgelegte Risikoberechnung der außerberuflichen Faktoren das erhebliche Übergewicht des Versicherten nicht einbezogen worden sei; gerade dieses bilde jedoch ein zusätzliches erhebliches Risiko, an einer KHK zu erkranken. Aus all diesen Gründen habe der Senat trotz der hohen Dioxinexposition, welcher der Versicherte während seiner langjährigen beruflichen Tätigkeit ausgesetzt gewesen sei, die haftungsausfüllende Kausalität und damit die Voraussetzungen für die Annahme einer BK gemäß Nr 1310 der Anlage 1 zur BKVO nicht zu bejahen vermocht.
Mit ihrer – vom LSG zugelassenen – Revision rügt die Klägerin einen Verstoß gegen §§ 589, 551 RVO iVm Nr 1310 der Anlage 1 zur BKVO. Die Feststellung des LSG, dass das unter 2,0 liegende relative Risiko zur Bejahung der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit nicht ausreiche, entspreche nicht dem Gesetz und auch kaum Sinn und Zweck der Regelung der Nr 1310 der Anlage 1 zur BKVO. Obwohl das LSG zutreffend die generelle Geeignetheit des Dioxin zur Verursachung einer KHK trotz des unter 2,0 liegenden Risikos angenommen habe, halte es die fehlende Risikoverdoppelung für einen geeigneten Maßstab für die Prüfung der Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs im Einzelfall. Das Bundessozialgericht (BSG) habe indes ausdrücklich zur BK Nr 2108 der Anlage 1 zur BKVO darauf hingewiesen, dass sich keine Anhaltspunkte für eine vom Gesetzgeber geforderte Risikoverdoppelung fänden (Hinweis auf BSG, Urteil vom 23. März 1999 – B 2 U 12/98 R).
Das LSG hätte hierfür auch andere statistische Erkenntnisse nicht verwenden dürfen, da „eine Überhöhung statistischer Resultate und deren Übertragung auf den Einzelfall” nicht zulässig sei. Epidemiologische Erkenntnisse spielten bei der individuellen Zurechnung wegen ihrer begrenzten Aussagekraft regelmäßig nur noch eine untergeordnete Rolle. Das Vorhandensein von Alternativursachen diene lediglich für den Ausschluss der gesetzlichen Vermutung, die erhöhte Gefahr, an einer KHK zu erkranken, reiche zur Anerkennung der BK aus. Nachdem das LSG als konkurrierende Ursachen für die KHK das Übergewicht und das Zigarettenrauchen festgestellt habe, hätte es die wesentlichen Mitursachen nach der Kausallehre von der rechtlich wesentlichen Bedingung suchen müssen. Im vorliegenden Fall treffe „eine gesicherte langjährige extrem hohe Dioxineinwirkung mit gesicherter KHK mit einem langjährigen Zigarettenrauchen (fraglich, weil unterschiedlich auch mit einem langen Übergewicht) zusammen”. Hier sei „die berufliche Einwirkung des Dioxin als unlöslich verbundene gleichwertig mitwirkende Teilbedingung für die Erkrankung zu werten, selbst wenn im langjährigen Zigarettenrauchen für sich bewertet bei diesem gedanklichen Prozess gleichfalls eine wesentliche Bedingung für die Erkrankung des Versicherten zu sehen” sei (Hinweis auf BSG Urteil vom 28. Juni 1991 – 2 RU 59/90). Rechtlich allein wesentliche Ursache wären hier das Rauchen oder das Übergewicht nur dann gewesen, wenn „die paralleleinwirkende Berufsnoxe ganz in den Hintergrund gedrängt würde”. Zwar habe das LSG die Dioxinexposition als nicht gleichwertige und damit rechtlich nicht wesentliche Teilursache angesehen, habe dies aber auf die Bedeutung des Zigarettenkonsums und nur – unzulässigerweise – mit rechnerischen Mitteln zu begründen versucht. Zudem entwerte selbst die Feststellung des Zigarettenkonsums als weit überwiegende Verursachung der KHK „nicht den rechtlich vorzunehmenden Schluss, dass die berufliche Dioxin-Einwirkung eine wesentliche Bedingung für die Erkrankung des Versicherten war, weil auch das LSG nicht feststellen konnte, allein aufgrund des Zigarettenkonsums oder aufgrund des Übergewichts des Versicherten sei die berufliche Verursachung ganz in den Hintergrund gedrängt worden”. Somit habe das LSG die Kausallehre von der rechtlich wesentlichen Bedingung verletzt und sei damit zu Unrecht zu dem Schluss gekommen, die als wesentlich höher zu bewertenden außerberuflichen Faktoren im Gegensatz zur Dioxinexposition sprächen gegen eine hinreichende Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs und führten letztlich dazu, dass nicht festzustellen sei, dass der Versicherte an den Folgen einer BK nach Nr 1310 verstorben sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG Hamburg vom 29. August 2001 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Hamburg vom 17. Juni 1997 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision als unzulässig zu verwerfen,
hilfsweise,
sie als unbegründet zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die Begründung der Revision entspreche nicht den sich aus § 164 Abs 2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ergebenden Anforderungen.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist unzulässig. Sie hat ihr Rechtsmittel nicht ausreichend begründet.
Gemäß § 164 Abs 2 Satz 1 und 3 SGG ist die Revision zu begründen. Die Pflicht zur schriftlichen Begründung des Rechtsmittels soll eine umfassende Vorbereitung des Revisionsverfahrens gewährleisten. Daher muss nach ständiger Rechtsprechung des BSG die Revision sorgfältig und nach Umfang und Zweck zweifelsfrei begründet sein (s ua BSGE 70, 186, 187 f = SozR 3-1200 § 53 Nr 4; BSG SozR 1500 § 164 Nr 12, 20, 25; SozR 3-1500 § 164 Nr 9; SozR 3-5555 § 15 Nr 1; SozR 3-2500 § 106 Nr 12, jeweils mwN; BVerfG SozR 1500 § 164 Nr 17). Es ist darzulegen, dass und weshalb die Rechtsansicht des Berufungsgerichts nicht geteilt wird; dies kann nur mit rechtlichen Erwägungen geschehen. Die Revisionsbegründung muss nicht nur die eigene Meinung des Revisionsklägers wiedergeben, sondern sich – zumindest kurz – mit den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils auseinandersetzen und erkennen lassen, dass und warum die als verletzt gerügte Vorschrift des materiellen Rechts nicht oder nicht richtig angewandt worden ist (vgl schon BSG SozR 1500 § 164 Nr 12). Aus dem Inhalt der Darlegung muss sich ergeben, dass der Revisionskläger sich mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung rechtlich auseinandergesetzt hat, und inwieweit er bei der Auslegung der angewandten Rechtsvorschriften anderer Auffassung ist. Hierzu reicht es nicht aus, lediglich Rechtsansichten der Vorinstanz als unrichtig zu bezeichnen und auf deren Unvereinbarkeit mit den eigenen hinzuweisen.
Notwendig sind Rechtsausführungen, die geeignet sind, zumindest einen der das angefochtene Urteil tragenden Gründe in Frage zu stellen (BSG SozR 3-1500 § 164 Nr 5). Letzteres bezieht sich allerdings nur auf tragende Gründe, die von einander in dem Sinne abhängig sind, dass das geltend gemachte Recht vom Vorliegen eines jeden der tragenden Rechtsgründe abhängt. Ist das angefochtene Urteil auf mehrere, voneinander unabhängige selbständig tragende Erwägungen gestützt, muss der Revisionskläger für jede dieser Erwägungen darlegen, warum sie die Entscheidung nicht tragen; anderenfalls ist die Revision insgesamt unzulässig (vgl BVerwG, Beschluss vom 30. April 1980 – 7 C 88/79 – NJW 1980, 2268; BGH, Beschluss vom 10. Januar 1996 – IV ZB 29/95- SGb 1996, 572; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 2. Aufl, IX, RdNr 317; Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl, § 164 RdNr 9a). Dieser Auffassung hat sich der Senat gerade auch im Hinblick darauf angeschlossen, dass das BSG bei Nichtzulassungsbeschwerden in ständiger Rechtsprechung vom Beschwerdeführer eine entsprechende Darlegung verlangt (vgl etwa BSG SozR 1500 § 160a Nr 5, 38) und es bei Beachtung dieser Rechtsprechung erst gar nicht zu einer Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung oder Divergenz bei einem Berufungsurteil kommt, das auf mehrere die Entscheidung tragende Begründungen gestützt ist, von denen nur eine zur Zulassung der Revision führen kann (BSG, Beschluss vom 18. Juni 2002 – B 2 U 34/01 R).
Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung der Klägerin nicht gerecht. Es kann dahingestellt bleiben, ob ihre Ausführungen zu der Feststellung des LSG, das unter 2,0 liegende relative Risiko reiche zur Bejahung der erforderlichen Wahrscheinlichkeit der haftungsausfüllenden Kausalität im Einzelfall nicht aus, hinsichtlich dieses das angefochtene Urteil tragenden Grundes eine hinreichende Revisionsbegründung darstellt. Denn das LSG hat seine Entscheidung außerdem „zusätzlich”) darauf gestützt, dass die bei dem Versicherten bestehenden außerberuflichen Risikofaktoren (langjähriges Zigarettenrauchen, labiler arterieller Bluthochdruck, Zuckerkrankheit und Übergewicht) ein so erhebliches Gewicht gehabt hätten, dass sie als weit überwiegende Ursachen für die Verursachung der KHK zu werten seien, während der Dioxinexposition demgegenüber nur der Wert einer rechtlich nicht wesentlichen Teilursache zukomme; dabei hat es sich insbesondere auf den Hinweis des Dr. S. … auf die überragende Bedeutung des Zigarettenkonsums für die Entstehung einer KHK gestützt und betont, dass in der von ihm weiter herangezogenen Risikoberechnung des Dr. P. … nicht einmal das erhebliche Übergewicht des Versicherten als weiterer außerberuflicher Risikofaktor einbezogen worden sei. Diese Begründung hat das LSG ausdrücklich „unabhängig von der fehlenden Risikoverdoppelung”) neben die erste Begründung gestellt; aus der insoweit maßgeblichen rechtlichen Sicht des LSG ist das Urteil damit auf mehrere die Entscheidung tragende Begründungen gestützt. Die Klägerin hat nicht in schlüssiger Weise dargelegt, dass und aus welchen Gründen sie die rechtliche Grundlage für diese zweite tragende Begründung erschüttern will.
Insoweit greift die Klägerin im Wesentlichen die Beweiswürdigung des LSG an. Diese vom Tatsachengericht gemäß § 128 Abs 1 Satz 1 SGG nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens unter Einschluss der Beweisaufnahme nach der Überzeugungskraft der jeweiligen Beweismittel frei vorzunehmende Würdigung (vgl Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl, § 128 RdNr 4 mwN) darf das Revisionsgericht nur darauf prüfen, ob das Tatsachengericht die Grenzen der freien Beweiswürdigung nicht überschritten hat (BSG, Urteil vom 31. Mai 1996 – 2 RU 24/95 – HVBG-Info 1996, 2071; BSG SozR 3-2200 § 539 Nr 19 mwN). Daher kann das Revisionsgericht bei geltend gemachten Verstößen gegen sie nur prüfen, ob das Tatsachengericht bei der Beweiswürdigung gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen hat und ob es das Gesamtergebnis des Verfahrens berücksichtigt hat (BSG, Urteil vom 6. April 1989 – 2 RU 69/87 – HV-Info 1989, 1368; BSG SozR 1500 § 164 Nr 31; BSG SozR 3-2200 § 539 Nr 19; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 2. Aufl, III, RdNr 162 f sowie IX, RdNr 286). Von einem Verstoß gegen Denkgesetze kann dabei nur gesprochen werden, wenn aus den gesamten Gegebenheiten nur eine Folgerung gezogen werden kann, jede andere nicht „denkbar” ist und das Gericht die allein denkbare nicht gezogen hat (BSG SozR 3-2200 § 539 Nr 19 mwN). Ein allgemeiner Erfahrungssatz ist verletzt, wenn das Gericht einen bestehenden Erfahrungssatz nicht berücksichtigt (BSG SozR 1500 § 128 Nr 4; BSG SozR 1500 § 103 Nr 25) oder einen tatsächlich nicht existierenden Erfahrungssatz angewendet hat (vgl BSGE 36, 35, 36 = SozR Nr 40 zu § 548 RVO; BSG SozR Nr 72 und 89 zu § 128 SGG; BSG SozR 1500 § 103 Nr 25).
An einer entsprechenden schlüssigen Darlegung mangelt es. Der Vortrag der Klägerin, das LSG habe bei der Prüfung der Kausalität im Einzelfall statistische Erkenntnisse nicht verwenden dürfen, weil epidemiologische Erkenntnisse wegen ihrer begrenzten Aussagekraft bei der individuellen Zurechnung regelmäßig nur noch eine untergeordnete Rolle spielten, erfüllt keines der Kriterien für einen zulässigen Angriff der Beweiswürdigung des Berufungsgerichts im Revisionsverfahren. Damit wird lediglich dargetan, das vom LSG herangezogene Beweismittel sei anders zu bewerten bzw zu gewichten; ein Verstoß gegen allgemeine Erfahrungssätze bzw die Denkgesetze oder eine Nichtberücksichtigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens werden nicht dargelegt. Zudem hat sich das LSG bei dieser Feststellung insbesondere auf die von ärztlicher Sachkunde und Erfahrung gestützten Ausführungen des Sachverständigen Dr. P. … und nicht lediglich auf statistisches Material gestützt.
Für die weitere Erwägung der Klägerin, die Feststellung des LSG, „der Zigarettenkonsum sei als weit überwiegende Ursache für die Verursachung der koronaren Herzkrankheit zu werten”, entwerte nicht den „Schluss, dass die berufliche Dioxineinwirkung eine wesentliche Bedingung für die Erkrankung des Versicherten war, weil auch das LSG nicht feststellen konnte, allein aufgrund des Zigarettenkonsums oder aufgrund des Übergewichts des Versicherten sei die berufliche Verursachung ganz in den Hintergrund gedrängt worden”, gilt Ähnliches. Damit greift die Klägerin im Kern wiederum in unschlüssiger Weise die vom Berufungsgericht vorgenommene Beweiswürdigung an, indem sie eine andere – von ihr für richtig gehaltene – Gewichtung der für die Entstehung der KHK des Versicherten verantwortlichen Faktoren postuliert „entwertet nicht”), dabei aber auch übersieht, dass das LSG gerade in schlüssiger Weise die ursächliche Auswirkung der einzelnen außerberuflichen Faktoren für die Entstehung einer KHK insgesamt betrachtet und der der beruflichen Exposition gegenübergestellt hat, ohne die einzelnen Faktoren jeweils für sich zu bewerten.
Die nicht hinreichend begründete Revision der Klägerin musste daher als unzulässig ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter verworfen werden (§ 169 Satz 2 und 3 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen