Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 10.03.1993) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. März 1993 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte ihre Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) wegen fehlender Verfügbarkeit des Klägers aufheben und überzahlte Leistungen zurückfordern durfte.
Der Kläger erhielt ab 6. September 1984 von der Beklagten Alhi im Anschluß an den Bezug von Arbeitslosengeld. In den ihm in den Jahren 1985 und 1986 übersandten Fragebögen zur Alhi gab der Kläger an, daß sich seine Postanschrift gegenüber den früheren Angaben nicht geändert habe; außerdem machte er keine Angaben in der Rubrik „Partner in einer eheähnlichen Gemeinschaft”. Die Beklagte gewährte ihm daraufhin Alhi weiter bis zum 4. Juni 1987. Erstmals in seinem Antrag auf Fortzahlung der Alhi vom 27. Oktober 1987 gab der Kläger an, mit Frau D. … in einer eheähnlichen Gemeinschaft zu leben, und zwar bereits seit 5 Jahren. Die Beklagte hob daraufhin ihre Entscheidungen über die Bewilligung von Alhi für die Zeit vom 1. August 1985 bis 4. Juni 1987 teilweise auf und forderte die Erstattung von überzahlten Leistungen iHv insgesamt 14.892,37 DM (Bescheid vom 12. Januar 1989; Widerspruchsbescheid vom 12. Januar 1990). In dem sich anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) gab der Kläger an, Frau D. … habe in der Zeit von März 1985 bis Herbst 1987 alleine in seiner Wohnung gewohnt; er selbst habe sich während dieses Zeitraums bei der Familie seines Bruders aufgehalten. Postalisch habe er allerdings seine ursprüngliche Wohnung beibehalten, weil Frau D. … ihn jederzeit von eingehenden Briefen unterrichtet habe. Nach Anhörung des Klägers nahm die Beklagte daraufhin ihre Entscheidung über die Bewilligung von Alhi für die Zeit vom 1. März 1985 bis 4. Juni 1987 ganz zurück und forderte den Kläger zur Erstattung von überzahlten Leistungen iHv 28.599,70 DM auf (Änderungsbescheid vom 18. Oktober 1990).
Die Klage ist in beiden Instanzen erfolglos geblieben (Urteil des SG vom 2. Mai 1991, Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 10. März 1993). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 18. Oktober 1990 sei nicht zu beanstanden, weil der Kläger als Folge des Wohnsitzwechsels mangels Erreichbarkeit für das Arbeitsamt der Arbeitsvermittlung nicht mehr zur Verfügung gestanden habe. Für die Zeit vom 1. März bis 31. Juli 1985 rechtfertige sich die Rücknahme der Bewilligung aus § 48 Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren – (SGB X), im übrigen aus § 45 SGB X. Die Pflicht des Klägers zur Erstattung des rechnerisch richtig festgestellten Betrages von 28.599,70 DM ergebe sich aus § 50 Abs 1 SGB X.
Entscheidungsgründe
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde, mit der der Kläger das zweitinstanzliche Urteil angreift, ist unzulässig. Er hat den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫), auf den er sich allein beruft, nicht in der erforderlichen Weise aufgezeigt.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, daß die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe, muß diese in der Begründung dargelegt werden (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die – über den Einzelfall hinaus – aus Gründen der Rechtseinheit oder -fortbildung einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Es muß anhand des anwendbaren Rechts angegeben werden, welche Rechtsfragen sich stellen, sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums dargelegt werden, daß diese Rechtsfragen noch nicht geklärt sind, weshalb ihre Klärung aus Gründen der Rechtseinheit und Fortbildung des Rechts erforderlich ist und daß das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten läßt (BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nrn 7, 11, 13, 31, 39, 59 und 65; Hennig/Danckwerts/König, SGG, Stand März 1993, § 160 Anm 7 und § 160a Anm 7.7; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 1990, RdNrn 106 ff; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 1991, IX. Kap RdNrn 180 ff; Meyer-Ladewig, SGG, 5. Aufl 1993, § 160a RdNr 14). Diesen Anforderungen ist vorliegend nicht genügt.
Aus dem Beschwerdevorbringen des Klägers läßt sich mit hinreichender Deutlichkeit ableiten, daß es ihm um die Klärung der Rechtsfrage geht, wie der Begriff der „Erreichbarkeit” iS von § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 3 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) zu interpretieren ist – insbesondere, ob gefordert werden darf, daß der Arbeitslose unter der Wohnanschrift, die er im Leistungsantrag bekannt gegeben hat, von der Beklagten und ihren Bediensteten täglich zumindest während der üblichen Zeit des Eingangs der Briefpost auch tatsächlich angetroffen werden kann. Damit hat der Kläger ein konkretes Rechtsproblem aufgezeigt, welches einer revisionsgerichtlichen Überprüfung zugänglich wäre.
Der Kläger hat jedoch die Klärungsbedürftigkeit der von ihm aufgeworfenen Rechtsfrage nicht in genügender Weise dargelegt. In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist diese Rechtsfrage – zu Recht hat schon der Kläger darauf hingewiesen – bereits dahingehend entschieden, daß „Erreichbarkeit” iS von § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 3 AFG iVm § 1 Satz 1 der Anordnung des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Arbeit über den Aufenthalt von Arbeitslosen während des Leistungsbezuges vom 3. Oktober 1979 nur dann anzunehmen ist, wenn der Arbeitslose unter der Wohnanschrift, die er im Leistungsantrag der Beklagten gegenüber bekannt gegeben hat, von dieser und deren Bediensteten täglich zumindest während der üblichen Zeit des Eingangs der Briefpost auch tatsächlich dort angetroffen werden kann (BSGE 58, 104, 108 = SozR 4100 § 103 Nr 36; BSGE 66, 103 = SozR 4100 § 103 Nr 47; BSG, Urteil vom 25. April 1990 – 7 RAr 20/89 – ≪unveröffentlicht≫). Trotz dieser bereits vorhandenen höchstrichterlichen Klärung der vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfrage hätte diese gleichwohl klärungsbedürftig geblieben oder wieder klärungsbedürftig geworden sein können, wenn etwa den höchstrichterlichen Entscheidungen in nicht geringem Umfange widersprochen wird oder nun Einwendungen erhoben werden, die nicht von vornherein abwegig sind (BSG SozR 1500 § 160a Nr 13; Kummer, aaO, RdNr 119 mwN). Diese Voraussetzungen sind indessen vom Kläger nicht aufgezeigt worden. Er hat zwar darauf hingewiesen, daß die Rechtsprechung des BSG zu der von ihm aufgeworfenen Rechtsfrage Kritik erfahren hat (SG Mannheim, info also 1986, 131; Gagel/Steinmeyer, AFG, § 103 RdNrn 203 ff ≪Stand dieser Kommentierung: 3. Erglief Juli 1987≫); diese Kritik bezieht sich jedoch auf frühere Entscheidungen des BSG. Mit Urteilen vom 29. November 1989 (7 RAr 138/88 ≪SozR 4100 § 103 Nr 47≫) und vom 25. April 1990 (7 RAr 20/89 ≪unveröffentlicht≫) hat das BSG jedoch seine frühere Rechtsprechung ausdrücklich aufrechterhalten und fortgeführt und sich dabei auch mit den vom Kläger bezeichneten abweichenden Meinungen auseinandergesetzt. Zumindest die BSG-Entscheidung vom 25. April 1990 ist dem Kläger bekannt, da er sie in der Begründung seiner Nichtzulassungsbeschwerde selbst zitiert hat. Um darzulegen, daß die von ihm aufgeworfene Rechtsfrage gleichwohl klärungsbedürftig geblieben oder wieder klärungsbedürftig geworden ist, hätte er deshalb aufzeigen müssen, daß nunmehr erneut Kritik und Widerspruch in Rechtsprechung und Literatur entstanden sind, aufgrund derer sich das BSG nochmals im Rahmen eines Revisionsverfahrens mit der aufgeworfenen Problematik beschäftigen müßte. Dies ist nicht geschehen.
Bei dieser Sachlage kann der Senat dahingestellt bleiben lassen, ob der Kläger die Klärungsfähigkeit sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm aufgeworfenen Rechtsfrage in ausreichender Weise dargelegt hat.
Da die Begründung der Beschwerde somit nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht, muß sie in entsprechender Anwendung des § 169 SGG als unzulässig verworfen werden (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 1 und 5).
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen