Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 11. Juni 2021 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Das LSG hat die Berufung des Klägers, der sich als Rechtsanwalt selbst vertritt, gegen einen erstinstanzlichen Gerichtsbescheid aufgrund mündlicher Verhandlung, an der der Kläger nicht teilgenommen hat, mit Urteil vom 11.6.2021 zurückgewiesen.
Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht der Kläger geltend, dass das LSG ihn nicht zur mündlichen Verhandlung geladen habe. Außerdem sei nicht ansatzweise ersichtlich, wie und wann ein ordnungsgemäßer Aufruf der Sache erfolgt sei; hierüber schweige das Sitzungsprotokoll.
II
Die Beschwerde des Klägers ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet, so dass sie insgesamt zurückzuweisen ist (vgl BSG vom 25.3.2021 - B 1 KR 36/20 B - juris RdNr 3; BSG vom 25.6.2021 - B 13 R 93/20 B - juris RdNr 5).
1. Die Beschwerde, mit der der Kläger ausschließlich Verfahrensmängel durch Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend macht, ist teilweise unzulässig.
Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 (Anhörung eines bestimmten Arztes) und 128 Abs 1 Satz 1 SGG (freie richterliche Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Wer eine Nichtzulassungsbeschwerde auf diesen Zulassungsgrund stützt, muss zu seiner Bezeichnung (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) die diesen Verfahrensmangel des LSG (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dartun, also die Umstände schlüssig darlegen, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (stRspr; siehe bereits BSG vom 29.9.1975 - 8 BU 64/75 - SozR 1500 § 160a Nr 14; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160a RdNr 16 mwN). Darüber hinaus ist aufzuzeigen, dass und warum die Entscheidung - ausgehend von der Rechtsansicht des LSG - auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit der Beeinflussung des Urteils besteht (stRspr; vgl bereits BSG vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - SozR 1500 § 160a Nr 36).
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, soweit der Kläger einen Verfahrensmangel in Form einer Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör dadurch behauptet, dass nicht ersichtlich sei, dass seine Sache vom LSG ordnungsgemäß aufgerufen worden sei. Der Beschwerdebegründung lässt sich schon nicht entnehmen, ob der Kläger den (eigentlichen) Aufruf durch den Vorsitzenden gemäß § 112 Abs 1 Satz 2 SGG oder den Aufruf auf dem Gerichtsflur, also die Aufforderung zum Eintritt in den Saal, meint (vgl zu diesem Unterschied Müller in Roos/Wahrendorf/Müller, BeckOGK SGG, 2. Aufl 2021, § 112 RdNr 9, Stand 1.11.2021; Roller in Berchtold, SGG, 6. Aufl 2021, § 112 RdNr 6 f; Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 112 RdNr 4).
Soweit der Kläger den Aufruf gemäß § 112 Abs 1 Satz 2 SGG meint, hat er nicht vorgetragen, inwieweit in dessen Unterlassen eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör liegen kann. Aber auch soweit der Kläger die Aufforderung zum Eintritt in den Saal meint, ist eine Verletzung des Gehörsanspruchs nicht hinreichend bezeichnet. Durch den Aufruf durch einen Richter oder Gerichtsbediensteten, ggf über einen Lautsprecher, wird den anwesenden Beteiligten bekanntgemacht, dass nunmehr in die mündliche Verhandlung eingetreten werde. Besteht eine Gewohnheit, außerhalb des Sitzungsraums auf den Aufruf zu warten, so muss die Sache deutlich hörbar und verständlich auch außerhalb des Raums aufgerufen werden (BSG vom 16.12.2014 - B 9 SB 56/14 B - juris RdNr 8). Der Kläger hat indes nicht einmal behauptet, am Terminstag vor dem Gerichtsaal auf einen Aufruf der Sache gewartet zu haben. Entsprechend rügt der Kläger auch nur, dass nicht ersichtlich sei, wie und wann ein Aufruf der Sache erfolgt sein soll; er behauptet hingegen nicht, dass ein Aufruf der Sache nicht erfolgt sei. Der Aufruf der Sache ist aber kein Selbstzweck, sondern er dient dazu, die anwesenden Beteiligten effektiv in die Lage zu versetzen, den Termin auch tatsächlich wahrzunehmen (vgl BSG vom 16.12.2014 - B 9 SB 56/14 B - juris RdNr 8). Dieser Zweck kann von vorneherein nicht erfüllt werden, wenn der betroffene Beteiligte nicht anwesend ist.
2. Im Übrigen ist die Beschwerde zulässig, aber unbegründet. Der zulässigerweise als Revisionszulassungsgrund geltend gemachte Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), dass der Kläger nicht zur mündlichen Verhandlung des LSG geladen worden sei, liegt nicht vor.
Eine Verletzung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) liegt nicht vor, weil der Kläger zur mündlichen Verhandlung vor dem LSG ordnungsgemäß geladen worden ist. Gemäß § 63 Abs 1 Satz 2 SGG sind Terminsbestimmungen und Ladungen bekannt zu geben. Eine Zustellung ist also nicht erforderlich, aber zum Nachweis der Bekanntgabe zweckdienlich (vgl Senger in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2017, § 63 RdNr 21). Entscheidet sich das Gericht, die Ladung zuzustellen, gelten die Vorschriften der ZPO (§ 63 Abs 2 SGG).
Ausweislich der in der Akte des LSG enthaltenen, die Voraussetzungen des § 182 Abs 2 ZPO wahrenden Zustellungsurkunde ist dem Kläger die Ladung zur mündlichen Verhandlung am 18.5.2021 in Übereinstimmung mit § 180 ZPO zugestellt worden, indem das Schriftstück in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt worden ist, nachdem die Übergabe des Schriftstücks in der Wohnung/in dem Geschäftsraum nicht möglich war.
Nach § 182 Abs 1 Satz 2 ZPO gilt für die Zustellungsurkunde § 418 ZPO, so dass es sich bei der Zustellungsurkunde um eine öffentliche Urkunde handelt, die den vollen Beweis der in ihr bezeugten Tatsachen begründet. Ein Gegenbeweis kann nach § 418 Abs 2 ZPO nur durch den Beweis der Unrichtigkeit der in der Zustellungsurkunde bezeugten Tatsachen geführt werden. Dieser Gegenbeweis wird nicht schon durch die bloße Behauptung, das betreffende Schriftstück nicht erhalten zu haben, erbracht, weil es für die Wirksamkeit der Zustellung nicht darauf ankommt, ob und wann der Adressat das Schriftstück seinem Briefkasten entnommen und ob er es tatsächlich zur Kenntnis genommen hat (BSG vom 27.1.2005 - B 7a/7 AL 194/04 B - juris RdNr 5 mwN). Der Gegenbeweis der Unrichtigkeit der in der Zustellungsurkunde bezeugten Tatsachen erfordert vielmehr den Beweis eines anderen als des beurkundeten Geschehensablaufs, der damit ein Fehlverhalten des Zustellers und eine Falschbeurkundung in der Zustellungsurkunde belegt (BSG vom 27.1.2005 - B 7a/7 AL 194/04 B - juris RdNr 5 mwN). Gefordert wird der volle Gegenbeweis in der Weise, dass die Beweiswirkung der Zustellungsurkunde vollständig entkräftet und jede Möglichkeit der Richtigkeit der in ihr bezeugten Tatsachen ausgeschlossen wird (BSG vom 27.1.2005 - B 7a/7 AL 194/04 B - juris RdNr 5).
Einen solchen Gegenbeweis hat der Kläger nicht angetreten. Sein Vorbringen hat sich auf die schlichte Behauptung beschränkt, die Ladung nicht erhalten zu haben; damit hat er den Beweis für den beurkundeten Zustellungsvorgang nicht widerlegt (vgl BSG vom 27.1.2005 - B 7a/7 AL 194/04 B - juris RdNr 5 mwN).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG.
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Fundstellen
Dokument-Index HI15098645 |