Verfahrensgang
SG Stade (Entscheidung vom 21.06.2017; Aktenzeichen S 4 R 85/15) |
LSG Niedersachsen-Bremen (Beschluss vom 13.07.2018; Aktenzeichen L 2 R 438/17) |
Tenor
Die Beschwerde der Beigeladenen zu 1. gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 13. Juli 2018 wird als unzulässig verworfen.
Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen zu 2. bis 4.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5000 Euro festgesetzt.
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens darüber, ob die Klägerin in der Zeit vom 1.12.2012 bis 31.1.2015 in ihrer Tätigkeit als ambulante Alltagsbetreuerin für die beschwerdeführende gGmbH (Beigeladene zu 1.) aufgrund einer Beschäftigung der Sozialversicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung unterlag (Bescheid vom 15.5.2014, Widerspruchsbescheid vom 29.1.2015, angenommenes Teilanerkenntnis vom 20.6.2016). Das SG Stade hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 21.6.2017), das LSG hat die Berufung der Beigeladenen zu 1. zurückgewiesen (Beschluss vom 13.7.2018). Das Gesamtbild der Tätigkeit der Klägerin für die Beschwerdeführerin, insbesondere der vereinbarte Stundensatz von lediglich 23 Euro, spreche für eine abhängige Beschäftigung. Sofern die Beklagte in einem anderen Statusfeststellungsverfahren eine vergleichbare Auftragnehmerin als selbstständig angesehen und dort die Auffassung vertreten habe, alle anderen ähnlichen Auftragnehmerinnen seien genauso zu bewerten, fehle es an einer Bindungswirkung des Bescheids. Auch der Betriebsprüfungsbescheid vom 9.11.2011 betreffend die Zeit bis 2010 entfalte keine Bindungswirkung. Zudem sei die Klägerin in dieser Zeit nicht für die Beschwerdeführerin tätig gewesen. Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich die Beigeladene zu 1. mit ihrer Beschwerde.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG). Die Beschwerdeführerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
1. Dies folgt bereits in grundlegender Hinsicht daraus, dass sich die Beschwerdeführerin in weiten Teilen ihrer Beschwerdebegründung bemüht, eine materiell-rechtliche Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung darzulegen. Die Behauptung, die Berufungsentscheidung sei inhaltlich unrichtig, kann jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18).
2. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr, vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 5 mwN). Eine Rechtsfrage ist nicht nur dann höchstrichterlich geklärt und damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig anzusehen, wenn diese bereits beantwortet ist. Es genügt, dass schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (BSG Beschluss vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 7 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
a) Die Beigeladene zu 1. misst zunächst folgenden Fragen (S 21 der Beschwerdebegründung) eine grundsätzliche Bedeutung bei:
"Sind die Feststellungen eines Rentenversicherungsträgers in einem Statusfeststellungsbescheid nach § 7a SGB IV auch für künftige Statusfeststellungsverfahren verbindlich, wenn der Rentenversicherungsträger in dem Bescheid darauf hinweist, dass die von ihm in dem konkreten Bescheid getroffenen Feststellungen nach § 7a SGB IV auch auf andere Auftragsnehmer des Auftraggebers anzuwenden sind, die die gleiche Tätigkeit unter den gleichen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen ausüben oder künftig ausüben werden, dass weitere Statusfeststellungsanträge für diese Auftragnehmer aus dieser Auftragnehmergruppe nur zu stellen sind, wenn schriftlich detailliert dargelegt werde, welche Änderungen der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse sich zwischenzeitlich ergeben haben und wenn in einem späteren Betriebsprüfungsbescheid diese Feststellungen wiederholt werden.
Sind derartige Feststellungen als Zusicherung gemäß § 34 SGB X zulässig oder mangels vorangegangener Anhörung nichtig?"
aa) Sofern die Beschwerdeführerin damit sinngemäß die Frage stellt, ob die Beklagte berechtigt sei, in einem Statusfeststellungsbescheid nach § 7a SGB IV auch eine konkret-generelle Regelung im Sinne einer Allgemeinverfügung für weitere zukünftig möglicherweise auftretende Rechtsverhältnisse zu treffen, fehlt es an einer hinreichenden Darlegung sowohl der Klärungsbedürftigkeit als auch der Klärungsfähigkeit.
Die Beschwerdeführerin hat nicht hinreichend dargelegt, warum diese Frage aus dem Wortlaut des § 7a Abs 2 SGB IV, der eine Entscheidung aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände "des Einzelfalls" vorsieht, und aus der Rechtsprechung des BSG zur Bestimmtheit von Verwaltungsakten nach § 33 SGB X (BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 R 11/07 R - BSGE 103, 17 = SozR 4-2400 § 7a Nr 2, RdNr 12; BSG Urteil vom 4.6.2009 - B 12 R 6/08 R - Juris RdNr 11), nach der die Zuordnung eines Lebenssachverhalts zum rechtlichen Typus der abhängigen Beschäftigung im Rahmen einer Statusfeststellung stets die konkrete Bezeichnung des Rechtsverhältnisses wie der Erfüllungshandlung "im Einzelfall" erfordert, nicht beantwortet werden kann.
bb) Sofern die Beschwerdeführerin eine Bindungswirkung aus dem Betriebsprüfungsbescheid der DRV Braunschweig-Hannover vom 9.11.2011 herleiten möchte, hat sie die Klärungsbedürftigkeit ebenfalls nicht hinreichend dargelegt. Vielmehr hat sie die Frage aus dem Wortlaut des § 28p SGB IV selbst dahingehend beantwortet, dass eine Feststellung für zukünftige Rechtsverhältnisse nicht vorgesehen sei. Im Übrigen fehlt die gebotene Auseinandersetzung der Beschwerdeführerin mit der von ihr zitierten Rechtsprechung des Senats zu den "Rechtsfolgen" von Betriebsprüfungen (vgl zB BSG Urteile vom 14.7.2004 - B 12 KR 1/04 R - BSGE 93, 119 = SozR 4-2400 § 22 Nr 2, RdNr 35 ff und - B 12 KR 1/04 R - SozR 4-2400 § 22 Nr 1 RdNr 37 ff; BSG Urteil vom 30.10.2013 - B 12 AL 2/11 R - BSGE 115, 1 = SozR 4-2400 § 27 Nr 5, RdNr 24 ff; BSG Urteil vom 18.11.2015 - B 12 R 7/14 R - Juris RdNr 18). Die Beschwerdeführerin untersucht diese nicht auf ihre Übertragbarkeit auf den vorliegenden Sachverhalt.
cc) Soweit die Beschwerdeführerin im Revisionsverfahren die Klärung anstrebt, ob ein Hinweis in einem Statusfeststellungsbescheid als Zusicherung zulässig oder nichtig ist, fehlt es an hinreichenden Ausführungen zur Klärungsfähigkeit im angestrebten Revisionsverfahren. Die Beschwerdeführerin hätte insofern zumindest aufzeigen müssen, dass die von ihr zitierte Passage die Voraussetzungen einer Zusicherung nach § 34 SGB X erfüllt, die auch den konkreten Fall umfasst. Daran fehlt es.
b) Sofern die Beschwerdeführerin auf S 25 f der Begründung die weitere Rechtsfrage aufwirft,
"Wann genau ist das vereinbarte Honorar ein gewichtiges Indiz für eine selbständige Tätigkeit und wie ist zu ermitteln, ob das vereinbarte Honorar deutlich über dem Arbeitsentgelt eines vergleichbar eingesetzten sozialversicherungspflichtig Beschäftigten liegt und Eigenvorsorge zulässt; sind insofern eine fiktive maximale Entgeltfortzahlung und die Gewährung bezahlten Urlaubs mit einzurechnen?",
fehlt es ebenfalls an einer hinreichenden Darlegung der Klärungsbedürftigkeit und der Klärungsfähigkeit im angestrebten Revisionsverfahren. Die Beschwerdeführerin hat nicht hinreichend dargetan, inwiefern sich die Frage, wann das vereinbarte Honorar ein gewichtiges Indiz für eine selbstständige Tätigkeit ist, nicht aus der Rechtsprechung des Senats zur Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung zu selbstständiger Tätigkeit nach § 7 SGB IV anhand des vereinbarten Honorars (BSG Urteil vom 31.3.2017 - B 12 R 7/15 R - BSGE 123, 50 = SozR 4-2400 § 7 Nr 30) beantworten lässt. In diesem Urteil hat der Senat bereits entschieden, dass das vereinbarte Honorar dann ein gewichtiges Indiz für eine selbstständige Tätigkeit ist, wenn es deutlich über dem Arbeitsentgelt eines vergleichbar eingesetzten sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten liegt und dadurch Eigenvorsorge zulässt. Die Beschwerdeführerin zeigt nicht hinreichend auf, inwiefern hier weiterer Klärungsbedarf besteht.
Im Übrigen fehlt es an ausreichenden Darlegungen zur Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Frage im angestrebten Revisionsverfahren. Dies ist auf der Tatsachengrundlage der Vorinstanz zu beurteilen, weshalb sich auch die Darlegungen zu dieser Zulässigkeitsvoraussetzung auf die im angegriffenen Beschluss mit Bindungswirkung für das BSG (§ 163 SGG) festgestellten Tatsachen beziehen müssen. Daran fehlt es hier. Die Beschwerdeführerin behauptet sinngemäß, dass das der Klägerin im streitigen Zeitraum gezahlte Stundenhonorar deutlich über dem Arbeitsentgelt eines abhängig Beschäftigten gelegen habe und deshalb ein Indiz für eine selbstständige Tätigkeit darstelle (vgl BSG Urteil vom 31.3.2017 - B 12 KR 7/15 R - BSGE 123, 50 = SozR 4-2400 § 7 Nr 30), weil es höher als die einschlägigen Tariflöhne gewesen sei. Die Beschwerdeführerin hätte aber anhand der Feststellungen des LSG darlegen müssen, inwiefern der ohne Einrechnung von Urlaub und Entgeltfortzahlung festgestellte, der Klägerin später als abhängig Beschäftigte gezahlte Stundenlohn von 19,69 Euro die Annahme rechtfertigt, dass das im streitigen Zeitraum gezahlte Stundenhonorar von 23 Euro deutlich über dem vergleichbaren Beschäftigten gewährten Stundenlohn lag. Sie hätte außerdem aufzeigen müssen, dass es im Hinblick auf die vom LSG vorgenommene Gesamtabwägung der verschiedenen Merkmale abhängiger Beschäftigung im Revisionsverfahren gerade auf diesen Aspekt maßgeblich ankommen werde. Daran fehlt es. Die Beschwerdeführerin beschränkt sich auf den Vortrag, das LSG sei unrichtig vom Entgelt der Klägerin statt vom Tariflohn ausgegangen. Damit rügt sie jedoch die inhaltliche Unrichtigkeit der Entscheidung des LSG. Das führt nicht zur Zulassung der Revision.
3. Auch einen Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG hat die Beschwerdeführerin nicht hinreichend bezeichnet (zu den Anforderungen insoweit vgl exemplarisch BSG Beschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4; BSG Beschluss vom 19.11.2007 - B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 4 - jeweils mwN; Krasney/Udsching/Groth, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX, RdNr 202 ff). Sie hat bereits keine bundesrechtliche Verfahrensnorm bezeichnet, die das Berufungsgericht verletzt haben soll.
Unrichtigkeiten des Tatbestandes ("aktenwidrige Sachverhaltsdarstellung") können mit der Nichtzulassungsbeschwerde nicht als Verfahrensfehler geltend gemacht werden (stRspr, zB BSG Beschluss vom 2.9.2014 - B 9 V 17/14 B - Juris RdNr 7 mwN).
Mit der als willkürlich falsche Rechtsanwendung bezeichneten Rüge macht sie keinen Verfahrensmangel, sondern einen Verstoß gegen § 7 SGB IV und die inhaltliche Unrichtigkeit des angefochtenen Beschlusses des Berufungsgerichts geltend. Die Behauptung, die Berufungsentscheidung sei inhaltlich unrichtig, kann aber - wie bereits ausgeführt wurde - nicht zur Zulassung der Revision führen.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 154 Abs 2 und 3, § 162 Abs 3 VwGO. Für die Frage, ob iS von § 197a SGG weder die Klägerin noch die Beklagte zu den nach § 183 SGG genannten Personen gehören und deshalb Kosten nach dem GKG zu erheben sowie die Vorschriften der VwGO entsprechend anzuwenden sind, ist auf die Beteiligtenrollen des jeweiligen Rechtszugs abzustellen (BSG Beschluss vom 24.9.2008 - B 12 R 10/07 R - Juris RdNr 26; Beschluss vom 29.5.2006 - B 2 U 391/05 B - SozR 4-1500 § 193 Nr 3 RdNr 16; Beschluss vom 13.4.2006 - B 12 KR 21/05 B - SozR 4-1500 § 193 Nr 2 RdNr 9). Im vorliegenden Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde sind die Voraussetzungen des § 197a SGG erfüllt, da die die Beschwerde führende Beigeladene zu 1. als Arbeit- bzw Auftraggeberin nicht dem nach § 183 SGG privilegierten Personenkreis angehört.
5. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 52 Abs 1 und 2, § 47 Abs 1 S 1 und Abs 3 sowie § 63 Abs 2 S 1 GKG.
Fundstellen
Dokument-Index HI13104343 |