Entscheidungsstichwort (Thema)
Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs. rechtsmißbräuchlicher Ablehnungsantrag
Orientierungssatz
1. Wird in der Nichtzulassungsbeschwerde die Verletzung rechtlichen Gehörs gerügt, muß vorgetragen werden, welche erheblichen Hinweise der Kläger bei rechtlichem Gehör gegeben hätte, und daß das Gericht daraufhin möglicherweise zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre. Die Rechtsauffassung, ein nach erfolgter Ablehnung erneut gestellter Prozeßkostenhilfe-Antrag, der keine neuen Gründe erkennen lasse, sei als Gegenvorstellung zu werten, genügt hierzu nicht, weil damit nicht substantiiert dargetan wird, welches zur Beeinflussung der Entscheidung des LSG geeignete zusätzliche Vorbringen ihm durch das Verhalten des LSG abgeschnitten worden ist.
2. Ein offensichtlich rechtsmißbräuchlich gestellter Antrag macht keine förmliche Entscheidung nötig.
3. Die Ablehnung des gesamten Senates ist dann mißbräuchlich, wenn das Ablehnungsgesuch nicht ausreichend individualisiert ist.
4. Die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluß wurde nicht zur Entscheidung angenommen (Gründe vgl BVerfG 1. Senat 3. Kammer vom 24.8.1989 - 1 BvR 795/89).
Normenkette
GG Art 103 Abs 1; SGG §§ 62, 160a Abs 2 S 3; ZPO § 42
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 17.12.1987; Aktenzeichen L 9 Ar 285/85) |
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde, mit der als Zulassungsgründe Verfahrensmängel geltend gemacht werden, ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den Anforderungen des § 160 a Abs 2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Der Kläger rügt die Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 Grundgesetz, §§ 62, 108 SGG). Diesen Verfahrensfehler sieht er darin, daß das Landessozialgericht (LSG) zum einen den im Termin vom 26. November 1987 gestellten Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts in diesem Termin abgelehnt habe, ohne ihm Gelegenheit zu geben, sich nach der für ihn überraschenden Mandatsniederlegung seines früheren Prozeßbevollmächtigten persönlich mit der Sache zu befassen und Stellung zu nehmen. Zum anderen habe das LSG einen von ihm unmittelbar nach erfolgter Ablehnung erneut gestellten Prozeßkostenhilfe-Antrag gar nicht mehr beschieden, obwohl er nach der Sachlage dringend auf juristischen Beistand angewiesen gewesen sei.
Diese Rüge genügt nicht den Anforderungen, die an eine Nichtzulassungsbeschwerde zu stellen sind. Der Zulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG setzt das Geltendmachen eines Verfahrensmangels voraus, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Bei gerügter Verletzung des rechtlichen Gehörs muß vorgetragen werden, welche erheblichen Hinweise der Kläger bei rechtlichem Gehör gegeben hätte, und daß das Gericht daraufhin möglicherweise zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre. Hierzu enthält die Beschwerdebegründung jedoch keine Ausführungen. Die Rechtsauffassung, ein nach erfolgter Ablehnung erneut gestellter Prozeßkostenhilfe-Antrag, der keine neuen Gründe erkennen lasse, sei als Gegenvorstellung zu werten, genügt hierzu nicht, weil damit nicht substantiiert dargetan wird, welches zur Beeinflussung der Entscheidung des LSG geeignete zusätzliche Vorbringen ihm durch das Verhalten des LSG abgeschnitten worden ist (vgl BSG SozR 1500 § 160 a SGG Nr 36).
b)
Ein Verfahrensmangel ist auch insoweit nicht substantiiert dargetan, als die Beschwerde meint, das LSG habe seine Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) verletzt, weil es die Unterlagen über das Strafverfahren nicht beigezogen habe.
Wie das Bundessozialgericht (BSG) bereits mehrfach entschieden hat (vgl BSG SozR 1500 § 160 a SGG Nr 34 mwN), müssen auch in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde zur Bezeichnung des Verfahrensmangels nach § 160 a Abs 2 Satz 3 SGG die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Der Kläger hätte daher in seiner Beschwerdebegründung zum einen darlegen müssen, daß und wann er einen Antrag auf Beiziehung der Strafakten gestellt hat. Zum anderen hätten auch die Gründe angegeben werden müssen, aus denen sich das LSG von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus hätte gedrängt sehen müssen, den von ihm abgelehnten Beweis zu erheben. Dies ist jedoch nicht geschehen.
Wenn die Beschwerdebegründung beanstandet, das LSG habe offenbar zunächst die Notwendigkeit der Akteneinsicht erkannt und deshalb die Akten mit Verfügung vom 4. November 1987 angefordert, später jedoch auf die Einsichtnahme verzichtet, genügt das nicht den gesetzlichen Anforderungen. Vielmehr hätte der Kläger einerseits durch Angabe der sachlich-rechtlichen Auffassung des LSG und andererseits durch Darstellung des Beweisergebnisses zu dieser Auffassung konkret die Gründe bezeichnen müssen, die das LSG bei Beachtung seiner Amtsermittlungspflicht zu weiterer Aufklärung hätten drängen müssen. Dazu bestand umso mehr Veranlassung, als das LSG in seiner Entscheidung ausdrücklich auf den vom Kläger geltend gemachten Freispruch im Strafverfahren eingegangen ist und dargelegt hat, daß wegen der im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden objektiven Beweislast die Ergebnisse des Strafverfahrens für die Entscheidung im sozialgerichtlichen Verfahren nicht vorgreiflich seien. Soweit sich der Kläger gegen die Richtigkeit dieser Rechtsauffassung des LSG wendet, kann hieraus kein Verfahrensmangel hergeleitet werden. Denn Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht, ob das Berufungsgericht die Sache richtig entschieden hat (BSG SozR 1500 § 160 a SGG Nr 7). Auch auf (vermeintliche) Fehler in der Beweiswürdigung nach § 128 Abs 1 Satz 1 SGG kann, was § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ausdrücklich bestimmt, die Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden.
c)
Soweit der Kläger beanstandet, das LSG habe über seinen Befangenheitsantrag nicht entschieden, fehlt es ebenfalls an der hinreichenden Bezeichnung eines Verfahrensmangels. Selbst wenn entsprechend dem Vorbringen des Klägers davon ausgegangen wird, sein Befangenheitsantrag habe sich nicht nur auf den im Termin vom 26. November 1987 mitwirkenden Vorsitzenden, sondern auch auf die beiden Beisitzer bezogen und habe sich deshalb durch den Wechsel des Vorsitzenden nicht erledigt, ist mit diesem Vorbringen ein Verfahrensmangel nicht schlüssig dargetan. Denn nach der Rechtsprechung kann ein Ablehnungsgesuch unzulässig sein, wenn es mißbräuchlich gestellt wird und macht bei offensichtlichem Mißbrauch keine förmliche Entscheidung nötig (vgl BSG SozR § 60 SGG Nr 5; BVerfGE 72, 51, 59). Insbesondere die Ablehnung des gesamten Senates ist dann mißbräuchlich, wenn das Ablehnungsgesuch nicht ausreichend individualisiert ist (vgl BSG SozR Nr 5 zu § 42 ZPO; BVerfGE aaO). Der Kläger hätte deshalb in seiner Beschwerdebegründung darlegen müssen, inwiefern und aus welchen Gründen von der Rechtsprechung, daß nicht der gesamte Senat pauschal abgelehnt werden kann, abzugehen gewesen sei.
Entspricht die Nichtzulassungsbeschwerde somit nicht den Anforderungen des § 160 a Abs 2 Satz 3 SGG, muß die Beschwerde in entsprechender Anwendung des § 169 SGG als unzulässig verworfen werden.
Bietet die beabsichtigte Rechtsverfolgung demnach keine Aussicht auf Erfolg, ist auch der Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts abzulehnen (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Satz 1 der Zivilprozeßordnung).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen