Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 27. Februar 2020 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die bei der beklagten Krankenkasse versicherte U (Versicherte) und - nach deren Tod (28.11.2007) - nunmehr der Kläger, der den Rechtsstreit als Sonderrechtsnachfolger fortführende Ehemann, sind mit dem Begehren zunächst auf Kostenübernahme und dann auf Erstattung von 147 539,56 Euro für eine biologische Krebstherapie bei S ab 2005 bei der Beklagten und den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Das Therapie- und Behandlungskonzept von S gehöre nicht zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern stelle eine neue Behandlungsmethode dar, die bislang nicht als abrechnungsfähige Leistung in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab aufgenommen und deren Wirksamkeit bislang nicht durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) in Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 5 SGB V bewertet worden sei. Einige Bestandteile des Behandlungskonzepts - Ozontherapie, Hyperthermie und Behandlung durch Tumorzellvakzine - seien durch den GBA sogar ausgeschlossen worden (Nr 29, 35 und 42 der Anlage II zur Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung). Anhaltspunkte für ein Systemversagen durch Nichteinleitung eines GBA-Bewertungsverfahrens gebe es nicht. Es habe auch kein Anspruch aufgrund grundrechtsorientierter Auslegung des Leistungsrechts bestanden. Denn für die Behandlung der Versicherten habe unter Berücksichtigung des konkreten Behandlungsziels - mit der im November 2005 begonnenen und kurze Zeit später abgebrochenen Chemotherapie - eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung zur Verfügung gestanden. Für die kurative Alternativbehandlung nach dem Behandlungskonzept von S habe nach dem Gesamtergebnis der Ermittlungen keine auf Indizien gestützte Aussicht auf einen über diese - palliative - Standardtherapie hinausgehenden Erfolg bestanden (Urteil vom 27.2.2020).
Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.
II
Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Bezeichnung des allein geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG).
1. Wer sich auf den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) beruft, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze im Urteil des Berufungsgerichts einerseits und in einem Urteil des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG andererseits gegenüberstellen und Ausführungen dazu machen, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen und das Berufungsurteil auf dieser Divergenz beruht (vgl zB BSG vom 19.9.2007 - B 1 KR 52/07 B - juris RdNr 6; BSG vom 9.5.2018 - B 1 KR 55/17 B - juris RdNr 8; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Darlegungsanforderungen vgl BVerfG ≪Dreierausschuss≫; vom 8.9.1982 - 2 BvR 676/81 - juris RdNr 8). Erforderlich ist, dass das LSG bewusst einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt und nicht etwa lediglich fehlerhaft das Recht angewendet hat; dies hat der Beschwerdeführer schlüssig darzulegen (vgl zB BSG vom 19.11.2019 - B 1 KR 72/18 B - juris RdNr 8). Daran fehlt es.
a) Der Kläger gibt zwar mehrere Sätze aus dem Kammerbeschluss des BVerfG vom 26.2.2013 (1 BvR 2045/12 - juris RdNr 15) inhaltlich wieder:
"dass die Frage, ob eine alternative Behandlungsmethode von der gesetzliche Krankenversicherung zu finanzieren ist, nicht losgelöst davon betrachtet werden kann, was die anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung zu leisten vermag und was die alternative Behandlung zu leisten vorgibt".
"Bei der Frage, ob eine Behandlung mit Mitteln der Schulmedizin in Betracht komme und inwieweit Behandlungsalternativen zur Verfügung stünden, sei zunächst das konkrete Behandlungsziel zu klären".
"Biete die Schulmedizin nur noch palliative Therapien an, weil sie jede Möglichkeit kurativer Behandlung als aussichtslos erachte, komme die Alternativbehandlung nur dann in Betracht, wenn die auf Indizien gestützte Aussicht auf einen über die palliative Standardtherapie hinaus reichenden Erfolg besteht. Rein experimentelle Behandlungsmethoden, die nicht durch hinreichende Indizien gestützt seien, reichten hierfür nicht. Mit Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG sei es in der extremen Situation einer krankheitsbedingten Lebensgefahr jedoch nicht zu vereinbaren, Versicherte nurmehr auf die Linderung von Krankheitsbeschwerden zielende Standardtherapie zu verweisen, wenn durch eine Alternativbehandlung eine nicht ganz entfernte Aussicht auf Heilung bestehe".
b) Selbst wenn der Kläger damit den Rechtssatz des BVerfG dahingehend formuliert haben sollte, dass im Falle einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung Anspruch auf eine nicht anerkannte kurative Behandlung mit einer nicht ganz entfernten Aussicht auf Heilung auch dann bestehe, wenn eine palliative Standardbehandlung zur Verfügung stehe, stellt er diesem Rechtssatz jedoch keinen damit unvereinbaren abstrakten Rechtssatz aus der Entscheidung des Berufungsgerichts gegenüber. Im Gegenteil führt er selbst aus, dass das LSG von den in den Zitaten wiedergegebenen Grundsätzen zunächst auch ausgegangen sei. Es folgt eine Auseinandersetzung mit der Beweiswürdigung des LSG. Der bloße Angriff auf die Beweiswürdigung des LSG kann aber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl zB BSG vom 8.5.2017 - B 9 V 78/16 B - juris RdNr 12). Der Kläger trägt in diesem Zusammenhang zwar vor, das LSG habe verkannt, dass es die Indizien, von denen das BVerfG ausgehe, selbst feststellen müsse, und habe dies offengelassen. Er setzt sich jedoch nicht damit auseinander, dass das LSG ausdrücklich festgestellt hat, dass für die in Rede stehende Alternativbehandlung nach dem Gesamtergebnis der Ermittlungen keine auf Indizien gestützte Aussicht auf einen über die - palliative - Standardtherapie hinausgehenden Erfolg bestanden hat. Diese Feststellung ist für den Senat bindend (§ 163 SGG), da der Kläger sie nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffen hat.
2. Selbst wenn der Kläger mit dem Vortrag, es sei absehbar gewesen, dass der gehörte Gutachter die Auffassung der onkologischen Schulmedizin vertreten oder doch dieser nahestehen würde und daher die wohl schon vorgefasste Meinung des Gerichts bestätigen würde, eine Verfahrensrüge nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG erhoben haben sollte, bezeichnet er die Umstände, die einen entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen nicht.
a) Sollte in dem Vorbringen sinngemäß die Ablehnung der Berufsrichter des LSG-Senats wegen der Besorgnis der Befangenheit liegen (§ 60 SGG), legt er damit die Voraussetzungen der Verletzung des gesetzlichen Richters (Art 101 Abs 1 Satz 2 GG) nicht dar. Ist die Instanz beendet, kann ein Ablehnungsgesuch, wie sich aus § 60 Abs 1 Satz 1 SGG iVm den §§ 43, 44 und 45 ZPO ergibt, nicht mehr zulässig gestellt werden (vgl hierzu zB BSG vom 9.10.2007 - B 5a/4 R 21/07 B - juris RdNr 8; BSG vom 2.8.2001 - B 7 AL 28/01 B - juris RdNr 7 mwN). Der Kläger trägt nicht vor, dass er rechtzeitig ein Ablehnungsgesuch gestellt hat.
b) Sofern der Kläger in einer vermeintlich fehlerhaften Gutachterauswahl einen Verfahrensfehler sehen will, betrifft eine derartige Rüge die Auswahl des Sachverständigen nach § 118 SGG iVm § 404 ZPO, die im freien Ermessen des Gerichts steht. Auf sie kann als Bestandteil der Amtsermittlung eine Verfahrensrüge nur gestützt werden, wenn eine deswegen beantragte weitere Begutachtung ohne hinreichenden Grund unterblieben ist und ein solcher Mangel in der Beschwerdebegründung hinreichend bezeichnet ist (vgl § 160 Abs 2 Nr 3 SGG und dazu zB BSG vom 12.5.2016 - B 9 SB 101/15 B - juris RdNr 8; BSG vom 3.10.1989 - 1 BA 55/88 - juris RdNr 4). Daran fehlt es.
c) Im Kern rügt der Kläger nur eine - angebliche - fehlerhafte Rechtsanwendung durch das LSG. Eine Divergenz liegt aber nicht vor, wenn das Berufungsgericht höchstrichterliche Rechtsprechung im angefochtenen Urteil nicht in Frage gestellt, sondern nur missverstanden oder übersehen und deshalb das Recht fehlerhaft angewandt hat (stRspr; vgl zB BSG vom 29.6.2020 - B 9 V 54/19 B - juris RdNr 5).
3. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14492582 |