Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsarztrecht. Psychiatrische Leistung. Ausschluss der Kinderärzte und Neurologen. Konzentration des neurologischen Gesamtstatus auf Nervenärzte und Neurologen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Genehmigungen zur Leistungserbringung im durch das Sachleistungssystem geprägten System der Krankenversicherung sind notwendig konstitutiv. Zu jedem Zeitpunkt muss feststehen, wer in diesem System welche Leistung zu Lasten der Krankenkassen erbringen darf. Eine Leistungserbringung ohne erforderliche Genehmigung vollzieht sich außerhalb des Naturalleistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung und kann deshalb niemals rückwirkend als innerhalb des Systems erbracht beurteilt werden (st.Rspr.; vgl. BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 19 S 119).

2. Sowohl der Ausschluss der Kinderärzte wie der Neurologen von der Erbringbarkeit der psychiatrischen Leistungen nach Abschnitt G II EBM-Ä als auch die Konzentration der Leistung nach Nr. 800 EBM-Ä (neurologischer Gesamtstatus) bei Nervenärzten und Neurologen stehen nach ständiger Rechtsprechung mit höherrangigem Recht in Einklang (vgl. z.B. (BSG SozR 3-2500 § 72 Nr 8). Es bedarf keiner erneuten Klärung in einem Revisionsverfahren, dass der grundsätzliche Ausschluss der Ärzte ohne Gebietsbezeichnung von der Erbringung der psychiatrischen Leistungen des Abschnitts G II EBM-Ä nach den in diesen Urteilen aufgezeigten Maßstäben ebenfalls rechtmäßig ist.

 

Normenkette

SGB V § 87 Abs. 1-2; EBM-Ä Nr. 800

 

Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 28.11.2001; Aktenzeichen L 5 KA 2438/99)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 28. November 2001 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat der Beklagten die außergerichtlichen Kosten auch für das Beschwerdeverfahren zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Der als Arzt ohne Gebietsbezeichnung zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Kläger wendet sich gegen Abrechnungsbescheide der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) für die Quartale III/1997 bis II/1998. Umstritten ist inzwischen nur noch die Berechtigung der Beklagten, die Ansätze der Nummern 820 bis 823, 840, 841, 845, 846, 847, 849 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) zu streichen. Die Honorierung dieser Leistungen lehnte die Beklagte unter Hinweis auf die Präambel zu Abschnitt G II EBM-Ä sowie auf die „Ergänzende Vereinbarung zur Reform des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs” vom 14. September 1995, ergänzt durch eine Vereinbarung vom 11. Dezember 1995, ab. Dort ist bestimmt, dass die Leistungen des Abschnitts G II EBM-Ä nur für Ärzte mit den Gebietsbezeichnungen „Nervenärzte, Psychiater, Kinder- und Jugendpsychiater” berechnungsfähig sind.

Klage und Berufung sind erfolglos geblieben.

Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts (LSG) macht der Kläger geltend, im Rechtsstreit seien Fragen von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

 

Entscheidungsgründe

II

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage, ob der Erbringungs- und Berechnungsausschluss für die psychiatrischen Leistungen nach Abschnitt G II EBM-Ä auch insoweit rechtmäßig ist, als Ärzte ohne Gebietsbezeichnung, die – wie der Kläger – die Zusatzbezeichnung „Psychotherapie” führen und tiefenpsychologisch fundierte analytische Psychotherapie erbringen dürfen, wäre in dem vom Kläger angestrebten Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Der Kläger weist in der Beschwerdebegründung zutreffend daraufhin, dass nach Abschnitt 4a Nr 7 Abs 5 der „Ergänzenden Vereinbarung” der Partner der Bundesmantelverträge zur Reform des EBM-Ä aus dem Jahre 1995 die KÄVen im Einvernehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen im Einzelfall Ärzten eine Genehmigung zur Abrechnung der in diesem Abschnitt genannten Leistungen erteilen können, wenn diese eine gleichwertige fachliche Befähigung nachweisen, die Versorgung der Patienten im Rahmen ihres Fachgebietes einen Schwerpunkt ihrer Praxistätigkeit darstellt und die Erbringung dieser Leistungen zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung notwendig ist. Eine entsprechende Genehmigung hat der Kläger bei der Beklagten erfolglos beantragt. Die Rechtmäßigkeit der ablehnenden Entscheidung der Beklagten ist Gegenstand des Berufungsurteils im Verfahren L 5 KA 1803/99 vom 28. November 2001 und des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens B 6 KA 3/02 B.

Der Kläger stellt selbst nicht in Abrede, im hier streitbefangenen Zeitraum zwischen dem 1. Oktober 1997 und dem 30. Juni 1998 nicht über eine entsprechende Genehmigung verfügt zu haben. Soweit ärztliche Leistungen in der vertragsärztlichen Versorgung nur erbracht und abgerechnet werden dürfen, wenn der die Leistung ausführende Arzt über eine spezielle Genehmigung verfügt, sind Leistungen, die vor dem Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung erbracht worden sind, nicht vergütungsfähig. Das gilt selbst dann, wenn die Versagung der Genehmigung im Verlaufe des über diese Frage geführten Rechtsstreits als rechtswidrig beurteilt wird. Genehmigungen zur Leistungserbringung im durch das Sachleistungssystem geprägten System der Krankenversicherung sind notwendig konstitutiv; zu jedem Zeitpunkt muss feststehen, wer in diesem System welche Leistung zu Lasten der Krankenkassen erbringen darf. Eine Leistungserbringung ohne erforderliche Genehmigung vollzieht sich außerhalb des Naturalleistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung und kann deshalb niemals rückwirkend als innerhalb des Systems erbracht beurteilt werden (vgl BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 19 S 119; 3-1500 § 97 Nr 3 S 5 f). Selbst wenn der Kläger daher Anspruch auf eine Ausnahmegenehmigung haben sollte, wären die vor Erteilung dieser Genehmigung erbrachten psychiatrischen Leistungen nicht vergütungsfähig.

Soweit der Kläger für grundsätzlich bedeutsam hält, ob die Partner der Bundesmantelverträge grundsätzlich berechtigt sind, die Erbringung und Abrechnung einzelner ärztlichen Leistungen bestimmten, in besonderer Weise qualifizierten Arztgruppen vorzubehalten, fehlt es an der Klärungsbedürftigkeit. Der Senat hat diese Frage in seinen vom Berufungsgericht zutreffend herangezogenen Urteilen vom 20. Januar 1999 (BSG SozR 3-2500 § 72 Nr 8) sowie vom 31. Januar 2001 – B 6 KA 11/99 R – bejaht (bestätigt durch Urteil vom 15. Mai 2002 – B 6 KA 22/01 R). Danach stehen sowohl der Ausschluss der Kinderärzte wie der Neurologen von der Erbringbarkeit der psychiatrischen Leistungen nach Abschnitt G II EBM-Ä als auch die Konzentration der Leistung nach Nr 800 EBM-Ä (neurologischer Gesamtstatus) bei Nervenärzten und Neurologen mit höherrangigem Recht in Einklang. Es bedarf keiner erneuten Klärung in einem Revisionsverfahren, dass der grundsätzliche Ausschluss der Ärzte ohne Gebietsbezeichnung von der Erbringung der psychiatrischen Leistungen des Abschnitts G II EBM-Ä nach den in diesen Urteilen aufgezeigten Maßstäben ebenfalls rechtmäßig ist. Soweit der Kläger zusätzlich auf seine psychotherapeutische Tätigkeit sowie auf die ihm von der Beklagten zuerkannte Berechtigung zur Erbringung und Abrechnung tiefenpsychologisch fundierter und analytischer Psychotherapie verweist, sind Aspekte angesprochen, die nur im Fall des Klägers von Bedeutung sind und deshalb einer Klärung im Revisionsverfahren nicht zugeführt werden müssen. Im Übrigen sind die damit in Verbindung stehenden Fragen ggf im Rahmen der Anwendung der Ausnahmeregelung nach Abschnitt 4a Nr 7 Abs 5 der „Ergänzenden Vereinbarung” zu klären.

Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 Absätze 1 und 4 SGG in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden, hier noch anzuwendenden Fassung.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1176689

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