Entscheidungsstichwort (Thema)
Fristwahrende Nachentrichtungsanträge
Orientierungssatz
Antrag auf Nachentrichtung gemäß AnVNG Art 2 § 49a kann nicht ohne weiteres als Nachentrichtungsantrag gemäß WGSVG § 10, § 10a gewertet werden.
Normenkette
AnVNG Art. 2 § 49a Abs. 2 Fassung: 1972-10-16; ArVNG Art. 2 § 51a Abs. 2 Fassung: 1972-10-16; WGSVG §§ 10, 10a
Verfahrensgang
LSG Berlin (Entscheidung vom 24.05.1977; Aktenzeichen L 12 An 193/76) |
Tenor
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 24. Mai 1977 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Gründe
Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Beschwerde ist in entsprechender Anwendung des § 169 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) als unzulässig zu verwerfen (vgl BSG SozR 1500 § 160 a Nrn 1 und 5; BVerfG, Beschluß vom 9. Mai 1978 - 2 BvR 952/75 -).
Die Klägerin macht zur Begründung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde zunächst geltend, das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) beruhe auf einem wesentlichen Mangel des Verfahrens, weil das Urteil des Sozialgerichts (SG), das ohne das entsprechende Einverständnis der Klägerin im schriftlichen Verfahren (§ 124 Abs 2 SGG) erlassen worden sei, an einem so schweren Verfahrensmangel gelitten habe, daß das LSG verpflichtet gewesen sei, seinerseits das Verfahren zur Wahrung des rechtlichen Gehörs der Klägerin an das SG zurückzuverweisen. Die Klägerin will damit erkennbar einen Verstoß des LSG gegen § 159 Abs 1 Nr 3 SGG rügen. Diese Begründung erfüllt aber nicht die Erfordernisse des § 160 a Abs 2 Satz 3 SGG. Hiernach muß der Verfahrensmangel bezeichnet werden; das bedeutet nach allgemein anerkannter Ansicht (Weyreuther, Revisionszulassung und Nichtzulassungsbeschwerde in der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte, RdNrn 146, 149 mwN), daß der Verfahrensmangel schlüssig dargetan wird. Hieran mangelt es im Sachvortrag der Klägerin. Nach § 159 Abs 1 Nr 3 SGG kann das LSG die Streitsache wegen eines Verfahrensmangels an das SG zurückverweisen. Die Zurückverweisung steht danach im Ermessen des LSG, dieses ist aber selbst bei schweren Verfahrensmängeln nicht zur Zurückverweisung verpflichtet (Meyer-Ladewig, SGG, RdNr 5 zu § 159; vgl für die gleichlautende Vorschrift des § 130 VwGO: BVerwG NJW 1965, 2317; Eyermann-Froehler, VwGO, 7. Aufl, Anm 1 zu § 130). Wegen der darin liegenden Verletzung des rechtlichen Gehörs ist die Entscheidung des SG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung ohne das Vorliegen des Einverständnisses aller Beteiligten zwar ein schwerwiegender Mangel des Verfahrens, der zu den sogenannten absoluten Revisionsgründen iSv § 202 SGG iVm § 551 Nr 5 der Zivilprozeßordnung -ZPO- gehört (vgl das zur Veröffentlichung bestimmte Urteil des 4. Senats des BSG vom 27.6.1978 - 4 RJ 87/77 -). Dieser Mangel wirkt aber nicht in das Berufungsverfahren hinein, weil das LSG als zweite Tatsacheninstanz in der Lage ist, den betroffenen Beteiligten das im ersten Rechtszuge versagte rechtliche Gehör uneingeschränkt zu gewähren. Damit hat die Klägerin nicht hinreichend einen Verstoß des LSG gegen § 159 Abs 1 Nr 3 SGG dargetan.
Auch soweit die Klägerin als Zulassungsgrund die grundsätzlich Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) geltend macht, entspricht ihre Rüge nicht den Anforderungen des § 160 Abs 2 Satz 3 SGG an ihre Darlegungspflicht. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache ist nur dann hinreichend dargelegt wenn der für grundsätzlich gehaltene Rechtssatz und seine in diesem Verfahren erforderliche Klärungsbedürftigkeit im einzelnen umschrieben werden. Beides ist nicht in dem notwendigen Umfang erfolgt: Es ist ein bereits für das vor dem Inkrafttreten des Allgemeinen Teils des Sozialgesetzbuches geltende Recht unbestritten gewesener und darum auch nicht mehr klärungsbedürftiger Rechtssatz (Weyreuther aaO RdNr 65), daß die Träger der Rentenversicherung aus dem öffentlich-rechtlichen Versicherungsverhältnis die Nebenpflicht haben, die Versicherten während eines Rentenfeststellungsverfahrens zu beraten, soweit es sich um Gestaltungsmöglichkeiten handelt, die klar zutage liegen und deren Wahrung so offensichtlich zweckmäßig erscheint, daß jeder verständige Versicherte sie nutzen würde (erkennender Senat, Urteil vom 18.12.1975 - 12 RJ 88/75 -, BSGE 41, 126 = SozR 7610 § 242 Nr 5 mwN).
Dazu hat die Klägerin nur vorgetragen, diese Verpflichtung würde es für die Beklagte geboten haben, von der Klägerin zu erfragen, ob sich der 1973 gestellte Nachentrichtungsantrag auch auf die erst später eröffnete Möglichkeit der Nachentrichtung von Beiträgen gemäß § 10 des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung vom 22. Dezember 1970 - BGBl I 1846 - (WGSVG) beziehen solle. Damit hat die Klägerin jedoch weder einen neuen Rechtssatz von grundsätzlicher Bedeutung noch auch nur die Erweiterungs- oder Ergänzungsbedürftigkeit des bereits angewendeten o.a. Rechtssatzes dargetan, sondern nur die Nichtbeachtung eines unbestritten gültigen Rechtssatzes durch die Beklagte behauptet. Das reicht indessen für die Begründung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nicht aus.
Nicht ausreichend ist schließlich auch die Begründung, soweit die Klägerin geltend macht, das LSG sei von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) abgewichen und sein Urteil beruhe auch auf dieser Abweichung (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG). Die Klägerin hat zwar zwei Entscheidungen des BSG, von denen das LSG abgewichen sein soll, hinreichend bezeichnet. Soweit sie mit dem Zusatz, das LSG sei "insbesondere" von diesen beiden Entscheidungen abgewichen, möglicherweise geltend machen will, das LSG sei von noch weiteren Entscheidungen des BSG abgewichen, ist die Rüge allerdings schon wegen der fehlenden Bezeichnung weiterer Entscheidungen des BSG nicht ordnungsgemäß dargelegt. Die Klägerin hat aber auch die Abweichung des angefochtenen Urteils von den angeführten Entscheidungen des erkennenden Senats vom 18. Dezember 1975 - 12 RJ 88/75 - (BSGE 41, 426) und des 3. Senats vom 26. September 1976 - 3 RK 71/75 - (USK 76, 167) nicht hinreichend dargetan. Geboten war insoweit die Darlegung, welchen von den vorgenannten Entscheidungen des BSG abweichenden Rechtssatz das LSG aufgestellt und seiner Entscheidung zugrunde gelegt haben soll. Diese Erfordernisse erfüllt die Begründung nicht. Die Klägerin hat nur ausgeführt, sie habe durch ihren hinreichend spezifizierten Nachentrichtungsantrag zum Ausdruck gebracht, daß sie alle ihr zur Verfügung stehenden Nachentrichtungsmöglichkeiten habe ausschöpfen wollen, so daß die Beklagte ihre Aufklärungspflicht verletzt habe. Mit dieser Begründung wendet sich die Klägerin jedoch nicht gegen den - von den vorerwähnten Entscheidungen des BSG auch nicht abweichenden - rechtlichen Ansatz des LSG, sondern nur gegen die Würdigung des Sachverhalts durch dieses Gericht. Die Tatsachenwürdigung ist aber der Prüfung durch das Revisionsgericht entzogen (§ 163 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen